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Botschafter. Mittes Bezirksbürger Christian Hanke (SPD, links) kam am Mittwoch an den Pariser Platz, um mit den protestierenden Flüchtlingen zu sprechen.

© dapd

Mahnwache am Brandenburger Tor: Diskutieren nach dem Polizeieinsatz

Seit einer Woche demonstrieren die Flüchtlinge am Pariser Platz. Tag und Nacht. Immer wieder gibt es Rangeleien mit der Polizei. Jetzt kam der Bezirksbürgermeister.

Gut eine Woche, nachdem rund 20 Asylbewerber ihre Mahnwache am Brandenburger Tor begonnen hatten, suchte am Mittwochnachmittag der Bezirksbürgermeister von Mitte, Christian Hanke (SPD), den Kontakt mit den Demonstranten. Er lud sie gemeinsam mit Abgeordneten zum Gespräch in die Akademie der Künste. Dort bot Hanke den Flüchtlingen einen Kältebus an, in dem sie sich in der Nacht aufwärmen können. Die Demonstranten nahmen das Angebot an, wie sie nach dem Gespräch verkündeten. Die Einladung des Bezirks, nachts in einem Gästehaus unterzukommen, lehnten sie ab. Weiterhin möchten sie auch nachts auf dem Pariser Platz verweilen, um ihr „Demonstrationsrecht 24 Stunden am Tag“ ausüben zu können, wie ein Flüchtling mitteilte.

Hanke versprach zudem, er wolle auf die Polizei einwirken, „deeskalierend“ vorzugehen. „Die Flüchtlinge sind friedliche Menschen“, sagte er. Von ihnen gehe keine Gefahr aus, die das derzeitige Aufgebot an Polizisten rechtfertige.

Die Situation war in den vergangenen Tagen immer mehr eskaliert. Die Flüchtlinge sind im Hungerstreik und wollen auf ihre Forderungen nach Erleichterungen im Asylrecht aufmerksam machen. Beinahe jede Nacht gibt es Konflikte mit der Polizei, die immer wieder vor allem nachts und am frühen Morgen eingreift, um trotz niedriger Temperaturen Gegenstände wie Isomatten und Schlafsäcke einzuziehen und so ein Campieren zu verhindern. Dieses will der Bezirk dort auch weiterhin auf jeden Fall verhindern.

Die Flüchtlinge möchten, dass eine Delegation aus dem Bundestag vorbeikommt und mit ihnen spricht. Erst dann seien sie bereit, Hungerstreik und Mahnwache zu beenden.

Der Ton in der politischen Auseinandersetzung um die Flüchtlinge wird schärfer. Die Oppositionsfraktionen nannten den Umgang mit den Asylbewerbern menschenunwürdig. Linksfraktionschef Udo Wolf sprach von „absurden und schikanösen Maßnahmen“. „Die Nächte am Pariser Platz sind kalt, noch kälter aber ist der Umgang der Behörden mit den dort protestierenden Flüchtlingen“, sagte Wolf. Das liege daran, dass Senat und Bezirk „an einer möglichst restriktiven Auslegung des Versammlungsrechts festhalten und dies knallhart durchziehen“. Fraktionskollegin Elke Breitenbach befürchtete, dass das Verhalten der Behörden zur Eskalation führen könne. Der CDU-Abgeordnete Robbin Juhnke wiederum bezeichnete das Vorgehen der Polizei als rechtmäßig: „ Mit dem Vorhalten der Isomatten und Schlafsäcke verstießen die Demonstranten gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die die Polizei wiederherstellen musste“, sagte er. Diese Gegenstände dienten nicht der freien Meinungsäußerung, „sondern nur dem Zweck einer bequemeren Durchführung von Demonstrationen“. Die Demonstranten hätten sich willentlich in die Situation begeben und müssten die witterungsbedingten Erschwernisse hinnehmen.

Auch in der Nacht zu Mittwoch hatte es Rangeleien mit der Polizei gegeben. Unterstützer hatten Rollstühle als Sitzgelegenheiten vorbeigebracht. Auch diese seien von der Polizei eingezogen worden. Am Nachmittag räumten die Beamten ein Zelt zur medizinischen Betreuung. Die Bereitstellung der Rollstühle stieß bei Innensenator Frank Henkel (CDU) auf scharfe Kritik: „Mir fehlt das Verständnis für vermeintliche Unterstützer, die sich in Rollstühlen wegschieben lassen, auf die sie nicht angewiesen seien.“ Eine solche politische Inszenierung schade dem Anliegen der Flüchtlinge. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Ramona Pop, forderte in einem Brief Henkel, Sozialsenator Mario Czaja (CDU) und Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) auf, „endlich Verantwortung für diese Menschen zu übernehmen und der menschenunwürdigen Situation ein Ende zu setzen, indem Sie sich für die Verbesserung der Situation vor Ort einsetzen“. Besonders wichtig aber sei, dass der Senat endlich mit den Flüchtlingen „den Dialog über eine humane Asyl- und Flüchtlingspolitik aufnimmt“. Eine Sprecherin der Sozialverwaltung verwies darauf, dass Staatssekretärin Emine Demirbüken-Wegner bereits am Montag das Gespräch mit den Flüchtlingen gesucht habe. Auch seien die Johanniter gekommen und hätten medizinische Hilfe angeboten.

Auch im Internet wird zur Unterstützung der Flüchtlinge aufgerufen. Seit Dienstagabend kursiert eine Online-Petition. Bis Mittwochabend haben bereits 2600 Menschen unterzeichnet. Die Aktion „Pro Asyl“ und der Berliner Flüchtlingsrat warfen dem Senat vor, die Gesundheit der Flüchtlinge „in nicht zu verantwortender Weise“ zu gefährden.

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