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Mai-Krawalle: Polizeigewerkschaft: "Wir können froh sein, dass es keine Toten gab"

Eine klare Zunahme von Gewalt, fast 300 verletzte Beamte - die Strategie der Polizei bei den 1.-Mai-Krawallen in Berlin steht in Frage. Kritiker monieren, die Taktik der Zurückhaltung habe sich nicht bewährt. Von den 289 Festgenommenen am 1. Mai haben inzwischen 44 Haftbefehle erhalten.

Nach den schweren Mai-Krawallen in der Hauptstadt wird Kritik am Deeskalationskonzept der Polizei laut. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft im Beamtenbund, Rainer Wendt, sagte im ZDF: "Wir können froh sein, dass es keine Toten gegeben hat." Die Taktik der Zurückhaltung durch die Polizei habe sich nicht bewährt.

Die Berliner Polizei verfolgt seit einigen Jahren ein Konzept der Deeskalation. Dazu gehört, dass keine Wasserwerfer eingesetzt werden sollen wie zum Beispiel in Hamburg. Dafür sollen mehr Straftäter festgenommen werden, um sie zur Verantwortung ziehen zu können.

Auch Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch stellte eine deutliche Zunahme von Gewalt gegen Polizisten fest. Die Gewalttäter seien "zum Teil mit schweren Waffen gegen Polizisten vorgegangen", sagte er am Samstag in der RBB-Abendschau. Glietsch wies aber Vorwürfe zurück, die Gewalt im Vorfeld des 1. Mai unterschätzt und heruntergeredet zu haben. "Wir haben das Ausmaß nicht unterschätzt. Wir konnten auch nicht ausschließen, das es mehr wird als im Vorjahr."

Am Abend des 1. Mai hatten sich Randalierer im Berliner Stadtteil Kreuzberg stundenlang heftige Auseinandersetzungen mit der Polizei geliefert. Noch am Freitagabend nahmen die Beamten 289 mutmaßliche Krawallmacher fest. Inzwischen haben 44 einen Haftbefehl erhalten, vier davon wegen versuchten Mordes, wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft Michael Grunwald sagte. Diese hatten Brandsätze gegen Polizisten geworfen. Insgesamt sei bei 17 Menschen der Haftbefehl vollzogen worden, 27 blieben haftverschont. Nach den Krawallen in der Walpurgisnacht in Friedrichshain mit 54 Festnahmen wurden 18 Straftäter dem Haftrichter vorgeführt, 11 erhielten Haftbefehl. Jetzt hofft die Polizei, weitere - teils vermummte - Steine- und Flaschenwerfer zu identifizieren. Dazu wertet sie ihr umfangreiches Videomaterial aus. In den vergangenen Jahren wurden dadurch einige Straftäter ermittelt.

Bei den Auseinandersetzungen in Kreuzberg waren nach Angaben der Polizei 273 Beamte verletzt worden - mehr als in den vier vorangegangenen Jahren zusammen. Nach Angaben der Organisation "18 Uhr Bündnis" wurden mindestens 136 Demonstranten verletzt. Über 50 von ihnen hätten wegen zum Teil schwerer Kopfverletzungen in Krankenhäusern behandelt werden müssen.

"In dem Bemühen, einen friedlichen 1. Mai zu bekommen, haben wir einen Rückschlag erlitten", bilanzierte SPD-Innensenator Ehrhart Körting. In seiner Enttäuschung ließ er sich zu einer umstrittenen Äußerung hinreißen. Um zu erklären, warum dieses Jahr so viele Randalierer ihr Unwesen trieben, sagte er: "Das ist wie bei Sexualdelikten: Ist die Frau erst mal ausgezogen und vergewaltigt, dann fällt es anderen leichter, auch mitzumachen."

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla forderte daraufhin eine öffentliche Entschuldigung Körtings. Er sagte der Bild am Sonntag: "Dieser Vergleich ist abstoßend und ein Skandal." FDP-Generalsekretär Dirk Niebel kritisierte: "Mit seiner Äußerung bagatellisiert Körting Sexual- und Gewaltstraftaten." CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt forderte sogar den Rücktritt Körtings. Er sagte der der Zeitung, der SPD-Politiker müsse sich öffentlich entschuldigen und dann seine Koffer packen. "Solche perversen und unverschämten Parolen sind eines Berliner Senators unwürdig."

Inzwischen bewertete der Senator diese Aussage selbst als unglücklich. Körting sagte dem Blatt: "Der Vergleich mag unglücklich sein. Was ich aber damit sagen wollte: Jeder, der die körperliche Integrität eines Menschen so angreift, begeht eine schwere Straftat. Ob er nun als erster handelt oder es anderen nachmacht, ändert nichts an seinem Vergehen." (Zeit online/jg/dpa/Reuters)

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