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Kein Mitleid. Auch als der 31-jährige Maler auf dem U-Bahnhof Lichtenberg wehrlos am Boden lag, traten die Schläger weiter auf das Opfer ein.

© dpa

Maler ins Koma geprügelt: U-Bahn-Schläger: Aus Spaß an der Gewalt

Die vier mutmaßlichen U-Bahn-Schläger aus Lichtenberg, die einen Maler ins Koma prügelten, stehen ab Donnerstag wegen zweifachen Mordversuchs vor Gericht. Erfolgte der Gewaltausbruch aus Deutschenfeindlichkeit?

Berlin - Es hätte jeden treffen können an jenem Abend auf dem U-Bahnhof Lichtenberg. Die jugendlichen Angreifer waren auf Krawall aus. Voller Wut, Brutalität und Hass auf Deutsche. So jedenfalls sieht es der Ankläger. Neun Monate nach der Prügelorgie stehen ab diesem Donnerstag vier 15- bis 18-Jährige vor Gericht. Sie sollen einen 31-jährigen Maler ins Koma geprügelt und auch dessen Freund verletzt haben. Sie müssen sich wegen zweifachen versuchten Mordes verantworten. Außerdem geht es um Attacken vor und nach dem Gewaltexzess.

Die Ermittler gingen zunächst von einer geplanten „Abzocke“, also einem Raub aus. Die Täter hatten Marcel R., der am 11. Februar beinahe getötet wurde, die Börse mit drei Euro und das Handy abgenommen. Doch neben Habgier sahen die Ermittler ein weiteres mögliches Motiv: niedrige Beweggründe. „Hass auf Deutsche“ und „Spaß an grundloser Gewaltausübung gegen Schwächere“ hätten die Angeklagten getrieben.

Sie sind Migranten. Ein jetzt 18-jähriger Kenianer, ein 18-jähriger Kosovare, ein 15-jähriger Bosnier und ein 17-jähriger Deutsch-Iraker. Die Schüler wohnten bei den Eltern in Lichtenberg, sie sitzen erstmals vor Gericht. Einer von ihnen hatte vor zwei Jahren in seiner Schule an einem Anti-Gewalt-Projekt teilgenommen. Ein Polizist, der damals über Normen des Zusammenlebens und die Folgen von Straftaten sprach, erkannte ihn auf Aufnahmen der Überwachungskameras als möglichen Schläger.

Kurz vor Mitternacht war es, als der Malergeselle Marcel R. und sein 30-jähriger Kollege nach einem Feierabendbier in Lichtenberg umsteigen wollten. Plötzlich aber Gebrüll. Alle vier Angeklagten sollen die beiden Männer als „Scheiß-Nazis“ beschimpft und gegrölt haben, „wir hassen Deutsche“. Dann prügelten sie los.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, warum das Gericht auch das Tatmotiv "Deutschenfeindlichkeit" prüft.

Der Freund von R. lief weg. Er sagte später, er sei davon ausgegangen, dass R. in die andere Richtung geflüchtet ist. Doch die Täter hatten R. umzingelt. Er wurde gegen Kopf und Oberkörper getreten und zu Boden geschlagen. Es gelang ihm aufzustehen. Die Täter prügelten wieder auf ihn ein. Er konnte schließlich zur Treppe laufen. Doch sie ließen nicht ab von ihm, stießen ihn wieder um. Als sich Marcel R. bereits schwer verletzt an einen Pfeiler lehnte, soll einer der Täter „im Sprung“ zugetreten haben.

Sie hatten noch nicht genug, verfolgten den Kollegen von R. Sie fanden ihn in der Nähe des Bahnhofes. Wieder prügelten sie laut Anklage los. Diesmal aber zeigte ein Passant Zivilcourage. „Hey, lasst den in Ruhe“, verlangte der Mann. Der junge Kenianer soll sich aufgebaut haben, als wollte er erneut angreifen. Doch der Helfer stand groß und kräftig vor ihm.

Marcel R. kam mit schwersten Kopfverletzungen ins Krankenhaus. Wochenlang lag er im Koma. Nach drei Monaten konnte er aus der Klinik entlassen werden. Da konnte er wieder laufen, wenn auch nur langsam. Er träumt davon, wieder in seinem Beruf arbeiten zu können. Der Weg ist wohl noch sehr lang.

Ein Angriff aus Deutschenfeindlichkeit? Darum wird es in mehreren Punkten der Anklage gehen. Denn der Kenianer Jefeth W. soll bereits im Januar einen Passanten getreten und mit Parolen wie „Scheiß-Deutscher“ beschimpft haben. Er und der Deutsch-Iraker Nazeh S. sollen auch in der U-Haft nicht von Gewalt gelassen haben. Nazeh S. soll im April und Jefeth W. im Juni unvermittelt auf einen Mithäftling eingeprügelt haben.

Der Prozess wird wegen des Alters der mutmaßlichen Schläger unter Ausschluss der Öffentlichkeit laufen. Drei von ihnen sitzen seit Februar in Haft, der jüngste Angeklagte ist seit August frei. Es wird mit Aussagen gerechnet und damit, dass über eine Tat unter Alkohol gesprochen wird. Es drohen hohe Jugendstrafen. Nach der Prügelorgie auf dem U-Bahnhof -Friedrichstraße bekam ein 18-Jähriger wegen versuchten Totschlags zwei Jahre und zehn Monate Haft.

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