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Berlin: „Man darf beim Genießen ein gutes Gewissen haben“ Der Hunger auf Süßes ist uns in die Wiege gelegt

und Zucker besser als sein Ruf – sagt ein Fachmann

Frage an den Ernährungsmediziner: Sind Süßigkeiten ungesund?

Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht ist es nicht von vornherein schlecht, Süßigkeiten zu essen. Man darf Schokolade mit ruhigem Gewissen genießen!

Auch wenn sie dick macht?

Das kann man so pauschal nicht sagen. Studien belegen, zumindest für Männer: Schlanke essen besonders viel Süßes. Natürlich muss man einkalkulieren, dass Schokolade oder Eiscreme eine hohe Energiedichte haben. Das geht vorwiegend auf das Konto des Fetts, so dass man eher von „Fettigkeiten“ sprechen könnte. Es stimmt aber nicht, dass all das uns nur „leere“ Kalorien liefert, denn manche Süßigkeiten enthalten wichtige Nährstoffe. Zucker ist entgegen der landläufigen Auffassung kein Vitaminräuber. Übrigens hat die Nationale Verzehrstudie gezeigt, dass wir maximal ein Fünftel des Zuckers über Süßwaren aufnehmen. Der Löwenanteil steckt in Backwaren, Milchprodukten, Obst und Getränken. Am problematischsten sind wahrscheinlich Softdrinks, die viel Zucker enthalten.

Auch Kekse und Kuchen halten nicht gerade lange satt . . .

Das ist ein Punkt, den man bedenken muss: Ein zuckerhaltiger Snack, das kann auch ein Schokocroissant, ein Marmeladebrötchen oder ein stark gesüßter Fruchtjoghurt sein, lässt den Blutzuckerspiegel schnell ansteigen, doch das hält nicht lange an. Wenn man kurz danach wieder einen solchen Peak braucht, ohne dass die Kalorien verbrannt wären, hat man ein Problem. Insofern kann die Vorliebe für Süßes das Essverhalten in eine ungünstige Richtung lenken. Vor allem bei Menschen , die sich wenig bewegen und deshalb weniger Energie verbrauchen.

Sind Süßstoffe oder Zuckeraustauschstoffe die Lösung?

Sie sind nicht die Patentlösung gegen Übergewicht. Doch es spricht nichts dagegen, seinen Kaffee mit Süßstoff zu trinken. Süßstoffe wie Saccharin und Aspartam sind ein praktisch energiefreier Zuckerersatz. Zuckeraustauschstoffe wie Fructose oder Sorbit enthalten Kalorien, aber Bonbons und Kaugummis, die mit Sorbit gesüßt sind, gelten als zahnfreundlich. Bauchfreundlich sind sie nicht in jedem Fall: Magen-Darm-Spezialisten werden immer wieder mit der „Kaugummi-Diarrhoe“ konfrontiert, einem Durchfall, der durch sorbithaltige Kaugummis verursacht wird. Auch Light-Produkte können Beschwerden verursachen.

Wie kommt es, dass Kinder und viele Erwachsene so gern Süßes mögen?

Diese Vorliebe ist den Menschen wohl in die Wiege gelegt. Muttermilch ist süß, und aus evolutionsbiologischer Sicht ist „süß“ mit „sicher“ verbunden, denn Süßes ist selten giftig. Wenn Süßes von klein auf als Belohnung eingesetzt wird, wird diese Vorliebe wahrscheinlich verstärkt. Dasselbe könnte aber auch passieren, wenn es als „Sünde“ gilt, Pralinen oder einen Eisbecher zu essen.

Prof. Heinrich Lübke ist Ernährungsmediziner, Magen-Darm-Spezialist und Chefarzt der Inneren Medizin II am Helios-Klinikum Zehlendorf. Mit ihm sprach Adelheid Müller-Lissner

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