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Berlin: Manche mögen’s heiß

Die Hitze ist vielen Schädlingen gut bekommen. Jetzt müssen die geschwächten Bäume behandelt werden

Die Touristen auf den Ausflugsdampfern verdrehten sich bei ihrem Anblick gestern fast den Hals: In blauen Schutzanzügen, mit Atemschutzmasken und Arbeitshandschuhen machten sich am Spreeufer zwei Gestalten an den Eichen zu schaffen. Vor allem an jenen Bäumen, die bräunlich verfärbte und welke Blätter tragen – mitten im Sommer. An ihnen erkennen die Baumpflege-Experten, dass der so genannte Splintkäfer zugeschlagen hat. Deshalb hat das Bezirksamt Mitte hat nun die Baumschützer beauftragt, die Eichen im Regierungsviertel zu retten.

Es ist knallblau, flüssig, sehr giftig, soll Bäume retten und heißt: Lambda Cyhalothrin. Die Baumschutz-Experten müssen mit dem Schädlingsgift äußerst vorsichtig umgehen – nicht nur zu ihrem eigenen Schutz, sondern auch der Umwelt zuliebe. Damit das Gift nicht ins Grundwasser gelangt, wird es nicht gespritzt, sondern großflächig mit Pinseln aufgetragen. Zeit für ausgedehnte Pausen blieb den Baumpflegern gestern nicht: Bis zum Nachmittag sollten 60 betroffene Bäume im Regierungsviertel behandelt sein.

Es gilt für die gesamte Stadt: Viele Menschen und Pflanzen haben unter der langen Hitzeperiode gelitten, doch den Schädlingen sind die hohen Temperaturen bestens bekommen – nicht nur den Borkenkäfern, sondern auch den Spinnmilben und Nachfaltern. Die Eichensplintkäfer haben eine Vorliebe für durch Wassermangel gestresste Bäume. Die Spinnmilben mögen es ebenfalls heiß und sind jetzt häufiger anzutreffen. Sie saugen vorzugsweise die Blätter von Lindenbäumen aus, die dann braun werden und abfallen. Betroffen sind auch Balkon- und Terrassenpflanzen, weil es dort oft besonders trocken und warm ist.

Auch Schmetterlinge treten in diesem Jahr verstärkt auf. Auf Balkonen sind besonders Kohlweißlinge und diverse Nachtfalter vertreten, die an den Pflanzen ihre Eier ablegen. Wenn die Raupen nach ein bis zwei Wochen schlüpfen und Löcher in die Blätter fressen, hilft meistens bereits das Absammeln. Indessen ist trotz der großen Hitze der vergangenen Wochen nicht mit einer größeren Wespenplage zu rechnen. Wegen des langen Winters haben die Insekten nicht, wie normal, bereits im April mit der Vermehrung begonnen, so Mario Heising, Landesvorsitzender des Deutschen Schädlingsbekämpfer-Verbandes. Dass sich die Wespen im Spätsommer zunehmend den Menschen nähern, habe nichts mit wachsender Aggressivität zu tun. „Zur Pflaumenkuchenzeit finden sie keine leckeren Blüten und Früchte mehr an den Bäumen“, erklärt Heising.

Dagegen ist die weitere Entwicklung der Miniermotte noch abzuwarten, sagt Isolde Feilhaber vom Pflanzenschutzamt. Gerade habe die zweite Generation dieses Jahres ihre Flugperiode beendet. Ob es in Berlin zu einer kompletten Ausbildung der dritten Generation kommt, wird davon abhängen, ob es noch einmal richtig warm wird. Wo im vergangenen Herbst nicht genügend Laub mit den Puppen eingesammelt wurde, sind die Blätter von rund zwei Drittel der Kastanienbäume bereits bräunlich verfärbt.

Ob das blaue Gift im Regierungsviertel wirkt, wissen die Pfleger jetzt noch nicht. Denn es ist das erste Mal, dass sich die Borkenkäfer hier ausgebreitet haben und so handelt es sich auch bei der Gift-Aktion um eine Premiere. Jetzt müsse man bis zum Frühjahr abwarten, sagt Baumpflegerin Noreen Sokolowski. Im Fall eines Misserfolgs beliefe sich der Schaden für den Bezirk auf 3000 Euro pro Baum.

Rainer W. During, Hannah Lühmann

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