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Relax, don't do it! Regisseur Marco Kreuzpaintner dirigiert im Quatsch Comedy Club seine "Coming In"-Stars Aylin Tezel und Kostja Ullmann.

© DAVIDS

Marco Kreuzpaintner dreht wieder: Gewühl im Gefühl

Ein Schwuler liebt ein Frau – jetzt auch im Film: Marco Kreuzpaintner dreht „Coming In“.

Mannomann, härter kann es kaum kommen auf der Tanzfläche. Erst kaum wissen, wohin mit den Füßen, von Travolta keine Spur, und selbst beim Cha-Cha-Cha geht die süße Partnerin leider immer mal wieder verloren. Immerhin ist der Körperkontakt da nur minimal, sozusagen risikofrei, anders als beim Discofox mit seinen Umarmungen, ausgerechnet zu „Relax“! Und es passiert, was an sich doch nicht passieren kann: Es regt sich was, das ist dem jungen Mann furchtbar peinlich. Er versucht es im offenen Stil, kaschiert mühsam mit beiden Händen, dann mal mit links, mal mit rechts, im Gesicht ein gequältes Grinsen.

Die anderen Tanzpaare aber, allesamt weit älter, in den neuesten Moves nicht so bewandert, finden das klasse, halten es für den Stil der neuen Zeit. Schon beginnen einige der Herren nun ihrerseits zu tanzen wie der junge Mann, mal links die Hand, mal rechts, was diesen nur in noch größere Pein versetzt, bis er sein Heil in der Flucht sucht. Zurück bleibt seine ratlose Holde – und „Cut!“.

Eine Schlüsselszene in „Coming In“, dem neuen Film von Regisseur Marco Kreuzpaintner, dessen Team seit acht Tagen in der Stadt von Drehort zu Drehort zieht und am Montag im Quatsch Comedy Club gelandet ist. Der darf im Film allerdings nicht er selbst sein, sondern stellt ein imaginäres Tanzlokal da, in dem die beiden jungen Leute in dieser unerwarteten Krisensituation zueinanderfinden. Unerwartet? Jedenfalls für Starfriseur Tom Herzner, gespielt von Kostja Ullmann, schließlich ist er schwul, eine Ikone in der lokalen Gay-Szene, da sollte er gegen die Reize der niedlichen Kiezfriseuse Heidi (Aylin Tezel) immun sein. Ist er aber nicht.

Nicht nur eine Schlüssel-, sondern auch eine komplizierte Szene, wie Aylin Tezel in einer Drehpause erläutert. All die vielen sich drehenden Paare, zwischen drin sie selbst und Kostja Ullmann, dann der Kameramann, der sie beide umkreist, dabei fast selbst tanzen muss – das wimmelt nur so von Tücken, wieder und wieder muss die Szene durchlaufen. „Bitte auf den Kameramann achten, mehr aus den Augenwinkeln“ – dem Ratschlag des Regieassistenten an die Tänzer ist schon schwer genug zu folgen, aber Kreuzpaintner ist auch dies noch zu direkt: „Lieber mit Gefühl.“

„Coming In“? Da liegt nicht nur der Gedanke an Kreuzpaintners Film „Sommersturm“ von 2004 nahe, sondern besonders der an Heiner Carows „Coming Out“ von 1989. Obwohl er sich eher davon abgrenzen als daran anknüpfen will. Kein neues Drama um das Finden der sexuellen Identität also, vielmehr eine „romantische Liebeskomödie“ mit zwei Menschen, zwischen denen das scheinbar Unmögliche geschieht. „Bi lassen wir ganz außen vor“, beschreibt es Kreuzpaintner. Tom, der sich in eine Frau verliebt – das sei etwa wie Wowereit, der plötzlich verkündet: „Ich bin hetero und das ist gut so.“ Und wenn die Gay-Szene über Tom erst mal entsetzt ist („Wie kannst du nur?“), bedeutet das für Kreuzpaintner geradezu eine Umkehrung der früheren Verhältnisse: „Jetzt ist die Minderheit aufgefordert, ihre Liberalität unter Beweis zu stellen.“ Doch zugleich sei es eine Geschichte über zwei Berliner Szenen: Hier der Kiez, die Friseuse aus Neukölln, dort der Starfriseur des neuen Berlin. Eine glaubhafte Geschichte? Für Kostja Ullmann auf alle Fälle: „Ich habe es in meinem Freundeskreis selbst erlebt.“ Andreas Conrad

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