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Läuft nicht immer wie geschmiert. Viele Berliner Pisten sind marode. Und wenn es ganz schlimm ist, hilft nur eins – Bauarbeiter? Nein, ein Tempo-30-Schild.

© dpa/picture-alliance

Marode Infrastruktur: Wo sind die schlimmsten Straßen in Berlin?

Der ADAC beschreibt den Zustand des Berliner Straßennetzes als "entsetzlich". Doch darunter leiden nicht nur die Autofahrer, auch die Feuerwehr und die Busfahrer haben ihre Probleme. Und welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Knapp 5500 Kilometer umfasst das öffentliche Straßennetz in Berlin. Fast jeder Autofahrer – aber auch die Insassen von Bussen – spüren jeden Tag, wie marode viele Abschnitte inzwischen sind. Exakte Zahlen zum Zustand des Netzes gibt es bisher nicht – wie nun der Landesrechnungshof erneut kritisiert hat. Den Investitionsstau beziffern die Prüfer mit 1,3 Milliarden Euro – weit mehr als bisher der ADAC, der von rund 500 Millionen Euro spricht. Eine Summe, die oft als übertrieben bezeichnet worden war. Hier ein – unvollständiger – Überblick zum Straßenzustand und den Folgen.

DIE KRITIK DES ADAC

Als „entsetzlich“ beschreibt der ADAC-Experte Jörg Becker den Zustand zahlreicher Straßen. Der Straßenzug Berliner Allee/Greifswalder Straße gehört für ihn ebenso dazu wie die Dorfstraße in Malchow oder die Budapester und Nürnberger Straße in Charlottenburg. Nicht mehr akzeptabel seien auch die Verhältnisse auf der Leipziger und der Grunerstraße in Mitte. Dass sich speziell hier kurzfristig etwas bessern wird, glaubt Becker nicht. Da der Bereich städtebaulich umgebaut werden soll, werde vorher wohl nichts mehr investiert, befürchtet der ADAC-Mann. Um den Stau bei den Investitionen abzubauen, müsste das Land jährlich rund 150 Millionen Euro ausgeben, schätzt Becker. Heute sei es, gefüllt aus unterschiedlichen Töpfen, knapp die Hälfte.

DIE KRITIK DER TAXIFAHRER

Leszek Nadolski muss nicht lang nachdenken: „Fast überall, wo Tempo 30 gilt, sind die Straßen marode.“ Ausnahmen sind die Straßen vor Kitas und Schulen sowie jene, auf denen Tempolimits aus Lärmschutzgründen gelten. Nadolski kennt die Buckelpisten aus täglicher Erfahrung. Er ist Taxifahrer – und Vorsitzender der Innung. Wo das Geld für die Reparatur fehlt, stehe eben ein 30er Schild – und damit stehle sich die Politik einfach aus der Verantwortung, kritisiert Nadolski.

Als Beispiel nennt er die Arnulfstraße in Tempelhof sowie die Bergstraße und die Schildhornstraße in Steglitz. Fast die gesamte Hermannstraße in Neukölln sei „zu vergessen“. Nicht viel besser sehe es auf der Kantstraße in Charlottenburg und der Seegefelder Straße in Spandau aus. Auch um die Storkower Straße in Lichtenberg und Prenzlauer Berg sei es „ganz schlecht“ bestellt.

Zufrieden ist Nadolski, dass in den vergangenen Tagen Fahrbahnen auf dem Kürfürstendamm und dem Spandauer Damm erneuert worden sind. Dort galt zunächst monatelang ebenfalls ein Tempo-30–Limit. Es signalisiert Autofahrern, dass die Gefahr besteht, dass sie sich ihr Gefährt beschädigen, wenn sie zu schnell durch ein Schlagloch brettern. Damit minimieren die Verwaltungen ihre Haftung bei entstandenen Schäden. Wer zu schnell fährt und sein Auto dabei demoliert, ist eben selbst schuld.

DIE KRITIK DER FEUERWEHR

Eine Liste der marodesten Straßen führt die Feuerwehr nicht. „Manchmal fahren wir wie über einen Rübenacker“, fasst ein Sprecher zusammen. Probleme kann es geben, wenn ein Verletzter besonders schonend in ein Krankenhaus gefahren werden muss, etwa bei Verletzungen an der Wirbelsäule. Einerseits muss es schnell gehen, andererseits dürfen Schlaglochpisten nur mit reduzierter Geschwindigkeit passiert werden. Rasen die schweren Feuerwehrfahrzeuge, etwa nach einer Brandmeldung, auch über Straßen in miserablem Zustand, werde das Material strapaziert, sagte der Sprecher. Der Wartungsaufwand steige.

DIE KRITIK DER BUSFAHRER

Wer im Bus sitzt, wird in der Regel auch oft durchgerüttelt, wenn es über unebene Straßen geht. Eine „Hitliste“ habe auch die BVG nicht, sagte deren Sprecherin Petra Reetz. Schon mehrfach hat die BVG in der Vergangenheit aber Linien geändert, weil der Zustand der Straße ein Weiterfahren dort nicht mehr zugelassen hatte. Aktuell schleicht die BVG nach Angaben von Reetz mit „Tempo“ 10 durch Alt-Heiligensee. Das Limit dort gelte aber für alle Autofahrer, sagte Reetz.

UND WIE GEHT’S DEN BRÜCKEN?

Im vergangenen Jahr hatte die Senatsverkehrsverwaltung – nach langem Zaudern – eine Liste der sanierungsbedürftigen Brücken veröffentlicht. Die erschreckende Erkenntnis: Von den 1102 Brücken der Stadt, für die das Land zuständig ist, waren 40 in einem Zustand, der einen Ersatz durch einen Neubau erfordert, weitere 39 hatten bei Begutachtungen so schlechte Noten erhalten, dass sie instand gesetzt werden müssten. Im Bau ist inzwischen die Freybrücke, die die Havel in Spandau überspannt. Der Geschäftsführer der Fachgemeinschaft Bau, Reinhold Dellmann, sagte, jetzt räche sich, dass die Verantwortlichen jahrelang die Augen vor der Misere geschlossen hätten. Zu spät erstelle die Verwaltung jetzt einen Zustandsbericht zu den Straßen.

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