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In der Justizvollzugsanstalt Tegel soll künftig ein Therapiehund mit den Insassen arbeiten.

© Thilo Rückeis

Martenstein über Berlins Taktgefühl: Hilfe aus dem Knast

In Sachen "soziale Fähigkeiten" gibt es in Berlin Nachholbedarf, das zeigt der eigenartige Umgang mit den Opfern des Terroranschlages. Warum die Insassen der JVA Tegel in Zukunft beim Taktgefühl helfen können, weiß Harald Martenstein.

Im Tegeler Gefängnis gibt es jetzt einen Therapiehund. Das Tier kommt, wie dieser Zeitung zu entnehmen war, ein Mal pro Woche zu jenen Menschen, die wegen besonderer Gefährlichkeit in Sicherheitsverwahrung sind. Nach Auskunft des Anstaltsleiters schult der Umgang mit Tieren die sozialen Fähigkeiten, er nennt Rücksichtnahme, Geduld, Frustrationstoleranz, Verantwortungsbewusstsein und Durchhaltevermögen. Es handelt sich um einen Pitbull.

Ich weiß nicht, ob das die richtige Wahl war. Wenn ich auf der Straße einen Pitbull-Halter treffe, dann strahlen diese Personen bei Weitem nicht immer eine überdurchschnittliche Frustrationstoleranz und Rücksichtnahme aus. Der Pitbull kann übrigens nichts für seinen Ruf, diese Tiere können lieb und harmlos sein, wenn sie richtig erzogen werden. Das Problem liegt in der Regel in der Person des Halters, das ist natürlich kein Trost, wenn der Pitbull zubeißt. Die Grenzen der Hundetherapie werden einem auch bewusst, wenn man sich den begeisterten Hundefreund Adolf Hitler in Erinnerung ruft oder Koni, den schwarzen Labrador von Wladimir Putin. „Durchhaltevermögen“ würde ich Hitler von den genannten Eigenschaften noch am ehesten attestieren, aber schon bei der „Rücksichtnahme“ ist Hitlers Lebensbilanz eindeutig negativ. Man darf sich von dem Tegeler Pitbull also nicht zu viel erhoffen.

Michael Müller hat sich mit einem Kondolenzschreiben zwei Monate Zeit gelassen

Berlin diskutiert auch über den eigenartigen Umgang mit den Opfern des Terroranschlags vom Breitscheidplatz. Michael Müller hat sich mit einem Kondolenzschreiben an die Hinterbliebenen zwei Monate Zeit gelassen. Dies hing angeblich damit zusammen, dass die Verwaltung die Adressen nicht finden konnte. Die Charité schickte bereits am 22. Dezember, drei Tage nach dem Anschlag, eine Rechnung für die Obduktion an die Familien der Todesopfer. Sie belief sich auf 51 Euro und kam vermutlich in einigen Fällen pünktlich zum Heiligen Abend an. Garniert war die Rechnung mit einer Drohung. Falls nicht pünktlich bezahlt werde, schalte man umgehend ein Inkassounternehmen ein. Beim Trauergottesdienst wurden einige der Angehörigen mit der Begründung abgewiesen, hochkarätige Politiker hätten Vorrang. Zwar steht in der Präambel des Berliner Koalitionsvertrages ausdrücklich der Satz „Wir suchen den Dialog mit Opfergruppen“, in diesem Fall aber verlief die Suche wenig erfolgreich.

So verschieden die Vorgänge sind, das Thema „soziale Fähigkeiten“ verbindet sie. Sollte der Tegeler Therapiepitbull tatsächlich einen Effekt haben, dann muss man wohl in Zukunft Verwaltungsaufgaben, bei denen Taktgefühl nötig ist, an die Insassen der JVA Tegel delegieren. Oder das Land Berlin stellt eine Hundertschaft Diensthunde ein.

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