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Martin Sonneborn und "Die Partei": Der Spaß ist ihm ernst

Wie der Satiriker Martin Sonneborn mit der "Partei" den Berliner Wahlkampf aufgemischt hat. Zuletzt gab er sogar den Obama.

Von Barbara Nolte

Es ist mühsam, Martin Sonneborn zu interviewen. Ins Café Hackbarth’s in Mitte hat er eine Parteifreundin mitgebracht. „Maike“, sagt er, „du siehst aus. Ich rede.“ Sonneborn hat die Hände hinterm Rücken verschränkt, er wackelt beim Stehen, wippt auf die Zehen. Er wirkt gediegen in dieser seltsamen Chorknabenhaltung. Er ist schwer einzuordnen, weil er einerseits Chefredakteur der „Titanic“ war, dem in der Linken verwurzelten Satiremagazin. Andererseits ist er Außenreporter bei der „heute-show“ von Oliver Welke, der für nichts anderes steht als für Fußballkommentare und mäßige Witze.

„In der ,Partei‘ ist es traditionell so, dass die Männer reden und die Frauen aussehen“, sagt Sonneborn, während sich die beiden setzen. Als man seine Begleiterin dann doch kurz fragt, seit wann sie dabei sei, antwortet sie: „Es war ein Monat, ein Tag, eine Uhrzeit.“

Das Gespräch fließt zäh, weil nie klar ist, was ernst gemeint ist und was lustig. Wann Sonneborn als Chef der Partei „Die Partei“ spricht, die in Berlin zu den Wahlen antritt, und wann er selbst, der Erfinder der Figur des machtfixierten Politikers. Den spielt er seit sieben Jahren, aber erst in diesem uninspirierten Berliner Wahlkampf hat er ein Kontrastmittel gefunden, um auch jenseits der „Titanic“-Kreise sichtbar zu werden. „Die Partei“ hat beispielsweise die Plakate der NPD überklebt, die vor dem Jüdischen Museum aufgehängt waren. Der Rechten-Chef Udo Voigt war darauf auf einem Motorrad abgebildet, dazu der Slogan „Gas geben“.

Ein Bezirksamt hatte gegen die Plakate geklagt. Doch ein Gericht stufte sie als nicht „volksverhetzend“ ein. „Die Partei“ ersetzte Voigt durch Haider und das Motorrad durch ein Foto des Wracks von Haiders Phaeton, mit dem er sich totfuhr. Der Slogan blieb gleich. Als „Die Partei“ anschließend die Haider-Plakate verkaufte, kauften Mitarbeiter des Jüdischen Museums zwanzig Stück.

Krawallsatire nannte die „Frankfurter Rundschau“ einmal, was Sonneborn macht. Eine Mischung aus Verkleidungstheater, Telefonstreich und versteckter Kamera. Schon bei der „Titanic“, einem Heft mit einer literarischen Humortradition, profilierte er sich nicht als Schreiber, sondern als Aktionist. In den Hochzeiten der Parteispendeaffäre hat er einen Praktikanten bei der CDU anrufen lassen: Er sei von der Credit Suisse, ein weiteres Schwarzgeldkonto sei aufgetaucht. Der Parlamentarische Geschäftsführer und der Bundesgeschäftsführer reisten persönlich nach Luzern. Doch da stand nur Sonneborn. Und ein Fotograf.

Auf der nächsten Seite erfahren Sie, welche Auftritte Sonneborn für öffentlichwirksam hält.

„Es gibt so viele unangenehme Gestalten in der Politik, 80 Prozent“, sagt Sonneborn. Und wenn er dabei besorgt schaut, liegt es nur daran, dass er das zweifellos ernst meint und aus Erfahrung weiß, dass der echte Sonneborn viel weniger komisch ist als der „Partei“-Politiker. Christoph Schlingensief verfolgte Ende der 90er ein in Ansätzen ähnliches Projekt: „Chance 2000“. Er wollte unter anderem mit Tausenden Arbeitslosen im Wolfgangsee baden, um den dort urlaubenden Helmut Kohl zu überschwemmen. Schlingensief erschien damals sehr empört, Sonneborn wirkt abgeklärt. Die Haltungen spiegeln den Ansehensverlust des Politischen im letzten Jahrzehnt wieder.

Ein Wahlkampf, der kein Thema findet. Parteien, die den Eindruck machen, noch nicht einmal ein Thema suchen zu wollen. So stellt sich das Politische in diesen Wochen in Berlin dar. Eine Herausforderin, deren ungelenkes Bemühen, die Rolle der Regierenden Bürgermeisterin zu erlernen, in den Zeitungen hinlänglich beschrieben wird. Ein ideales Umfeld für jemanden wie Sonneborn, der die Rolle des Bürgermeisterkandidaten offensiv spielt. Im grauen Anzug von C & A für 49 Euro steht er im Studio des RBB, in der die Vertreter der 13 kleinen Parteien befragt werden. „Vielen Dank für ihre Frage“, beginnt Sonneborn das RBB-Interview, „ich möchte erst einmal eine andere beantworten.“ Die Schüler, die als Studiopublikum geladen sind, lachen laut. Sie sind Talkshow-geschult.

Der NPD-Chef Voigt war auch eingeladen. Sonneborn erzählt, wie er vor seinem Auftritt darauf gelauert habe, dass Voigt auf die Toilette geht. Er wollte die Tür verkeilen. „Voigt hätte dagegengehämmert, während draußen seine wertvolle Sendezeit zerronnen wäre“, sagt er. Doch Voigt ging nicht auf Toilette, und Sonneborn ist ihn sonst nicht angegangen. Er agiert nur, wenn es auch öffentlich werden kann.

„Die Partei“ scheint nur in den Medien und für die Medien zu existieren. Eine rein virtuelle Partei. Das I-Phone, das Sonneborn immer dabei hat, ist sein wichtigstes Werkzeug im Wahlkampf. Damit ruft er Journalisten an, wenn er beispielsweise eine Demonstration vor einer Schule plant, die die „Partei“ von einer Diskussion ausgeladen hat. Sonst hält Sonneborn nicht viel von Demonstrationen. „Auf einer Demonstration bin ich nur ein kleiner Punkt inmitten von 100 000 Menschen. Da denke ich mir lieber etwas Öffentlichkeitswirksameres aus.“

Zum Beispiel, wie im Juli, mit Fackeln durchs Brandenburger Tor zu ziehen. „Die NPD stört uns“, sagt Sonneborn. „Wir zeigen ihnen, dass wir sie locker rechts überholen können.“ Parteifreundin Maike lobt die „schönen Bilder“ in den Zeitungen, die ihnen der Fackelmarsch gebracht habe.

Was „Die Partei“ betreibt, ist eine Art Aufmerksamkeitspiraterie. Dazu passt, dass die beiden Unternehmen, die „Die Partei“ unterstützen, eine große Werbeagentur und ein großes Musikunternehmen sind. „Die Partei“ scheint dem Politikverständnis der Kreativwirtschaft zu entsprechen. Doch die Übergabe eines Geldkoffers, mit der Sonneborn die Spende des Musikunternehmens inszenieren wollte, sagten die Verantwortlichen ab. Sie wollen anonym bleiben.

Lesen Sie auf Seite 3, was Sonneborn fordern würde, wenn er in den Berliner Senat einzieht.

Der Werbefotograf Hans Strack, der unter anderem die vielfach preisgekrönte „FAZ“-Kampagne fotografiert hat, unterstützt „Die Partei“, in dem er umsonst ihre Wahlplakate fotografiert. Am Kreisverkehr an der Siegessäule hat er sein Kamerastativ aufgebaut. Um ihn herum steht der harte Kern der „Partei“. Aktivistin Maike, die in lasziver Pose vor einem Dixi-Klo posiert, „Titanic“-Verleger Patric Feest mit einem Satz künstlicher Fingernägel in der offenen Hand und Sonneborn, dunkelbraune Schminke im Gesicht, die Reste seiner Obama-Verkleidung. Auf einem Müllcontainer hatte er sich in Heldenpose fotografieren lassen. „Lange“, sagt Hans Starck, „bin ich ein Politikverdrossener gewesen. Doch mit den Inhalten der Partei kann ich mich identifizieren.“ Welche Inhalte? „Na dass die Partei überraschend, unberechenbar ist“, erklärt er. Sollte Politik unberechenbar sein?

Die Banken wanken und mit ihnen die ganze Wirtschaft. Der Euro muss mit immer neuen Milliarden gerettet werden. Es sind politische Zeiten. Sonneborn steht in der Admiralstraße in Kreuzberg, eine Flasche Wasser in der Hand, und fordert 1000 Euro Grundsicherung für Studenten, 15 Semester lang. „Und dann schicken wir sie in die Produktion.“ Verfolgt er das Tagesgeschehen? Er lese Zeitung, sagt er. Fernsehen hat er schon lange nicht mehr. Seine Mitstreiter sitzen auf Klappstühlen vor einem Laden, den sie „ihre Kampa“ nennen, und trinken Bier. Eine Frau ist Spitzenkandidatin in Charlottenburg-Wilmersdorf, eine andere in Pankow, einer in Kreuzberg. Die Basis der „Partei“ ist dünn. Ein bisschen erinnert das Grüppchen an Schlingensiefs Motto: „Wähle dich selbst.“

Viele Passanten lachen, wenn sie Sonneborn erkennen. Ein Mann mit Pferdeschwanz, lokaler Kandidat der Grünen, wie er sagt, lobt „den tollen Auftritt im RBB. Was Spaß angeht, kann ich mit euch nicht mithalten. Aber Politik ist eine ernste Sache.“ Sonneborn stellt ihm einen jungen Mann mit Black-Sabbath-T-Shirt vor: „Ihr Konkurrent.“ Der Mann heißt Nico und kommt von einer Band namens „KIZ“, die sich selbst Pornorapper nennen. Sie gelten als Kiez-Größen. Der freundliche Grüne wirkt eingeschüchtert. Bei der Bürgerschaftswahl im Februar in Hamburg bekam die Partei im Stadtteil St. Pauli, der mit Kreuzberg vergleichbar ist, immerhin 4,9 Prozent der Stimmen, nur ein Prozent weniger als die CDU.

Sein Neffe habe sich bei ihm über „Die Partei“ erkundigt, sagt Bela B. von den Ärzten, der seit einigen Wochen Mitglied ist. Der erwäge zum ersten Mal zur Wahl zu gehen. Doch der Politologe Oskar Niedermayer erwartet für Berlin ein Ergebnis unter einem Prozent. „Die Partei wählen Leute, die sich einen Spaß draus machen.“ Dabei, räumt Niedermayer ein, scheinen „mitunter ernsthafte Positionen“ durch die Parodien der „Partei“ durch.

Was würde Sonneborn machen, wenn er gewählt würde? Würde er sich in einen Sozialausschuss setzen, obgleich dort keine Kameras sind? „Ich glaube, man hat in der Politik wenig Gestaltungsmöglichkeiten, wenn man nicht Bundeskanzler oder Bundespräsident ist“, sagt er. „Viel weiter unten würde ich nicht einsteigen.“

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