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Berlin: Martina Düttmann (Geb. 1938)

Nicht verstauben, schon Gedachtes immer wieder denken, weiterdenken.

Jeder hat etwas über Architektur zu sagen. Denn jeder lebt mit Architektur. In einem alten Mietshaus oder einem neuen, in einem Einfamilien- oder einem Reihenhaus, in einem Dorf oder einer Stadt. Man kann der Architektur nicht entkommen, sie ist immer schon da, sie wird bewundert und verschmäht, sie, „die schon morgens im Weg steht“, wie Martina Düttmann schreibt, „die Schatten wirft, wenn man nach Sonne verlangt, die zwingt, um die Ecke zu gehen, die den Blick verstellt, den Himmel verdüstert, die sich steingrau und schwer aufs Herz legt.“

Martina Düttmann verteidigt die Architektur, indem sie sie beschreibt. „Gegen die grauen Wörter in der Fachliteratur, die Architektur scheinbar in den Mittelpunkt stellen durch eine graue Sprache. Die aber nichts näher bringen.“

Wie man Bücher schreibt, hat sie nicht gelernt. Sie las viel, verehrte Walter Benjamin, Ingeborg Bachmann, Paul Valéry. Begann zunächst jedoch ein Studium der Architektur. Planen, Projektieren, zentimetergenau Traufhöhen und Fensterstürze berechnen, das, begriff sie schnell, wollte sie nicht ihr Leben lang tun. Das Studium aber trotzdem beenden. Sie wurde schwanger, und da sie Geld verdienen musste, nahm sie eine Stelle als Redakteurin bei der Architekturzeitschrift „Bauwelt“ an. Sie holte ihr Diplom nach, zwei Jahre später, der Vollständigkeit halber. Wichtiger aber war, dass sie nun wusste, was sie ihr Leben lang tun wollte: Schreiben. Beschreiben. Worte finden. „Architektur erzählen, als ob es etwas Spannendes wäre, als ob es etwas wäre, von dem zu erzählen sich lohnt.“

Sie fand Worte. Brachte die Architektur tatsächlich zum Reden. Ihre Sätze waren schön, klar und klug. Wie sie selbst. Als sie, im Rahmen des Schlossneubaus, ein Interview mit Frank Stella übersetzte, bedankte der sich ausdrücklich: „Thank you for the text.“

Dicht und konzentriert schrieb sie, blätterte ziellos in Büchern, die ihr die Liebsten waren, an freien Tagen im Bett, entdeckte einen Satz, drehte und wendete ihn. Bis neue Sätze entstanden.

In Bewegung gerieten die Gedanken. Wohin sie führen würden, war zu Beginn der Denkbewegung noch nicht zu sagen. Und genau das war der richtige Weg. Man muss frische Luft in seinen Kopf hereinlassen, tagtäglich, nicht verstauben, schon Gedachtes immer wieder denken, weiterdenken. Sie bevorzugte weder einzelne architektonische Stilepochen noch Orte, weder das Bauhaus noch Rom. Alles Starrköpfige, Dogmatische ermüdete sie. Wie alles Fremdbestimmte. So gründete sie 1975 eine Architekturedition im Abakonverlag und 1979 „Archibook“, einen eigenen Architekturbuchverlag. Am Anfang machte sie alles selbst, die Bücher lagerten in ihrem Wohnzimmer, die sechsjährige Tochter klebte 2000 Briefmarken auf die 2000 Versandumschläge, es war wie ein großes Spiel. Martina Düttmann brachte Skizzenbücher heraus, grub vergessene Bücher aus und plante, einen Krimi zu schreiben, über Francesco Borromini, einen Architekten des 17. Jahrhunderts, unter den barocken Baumeistern der mit dem persönlichsten Stil.

Sie schrieb das Buch nie. Etwas fehlte. Ein Anstoß. Die Sätze wollten nicht kommen. Als lauerte da ein Gespenst in ihrem Kopf. Brachten andere die Geschichte, baten sie darum, sie aufzuschreiben, entstanden die schönsten Texte.

In den Achtzigern wurde ihr Verlag verkauft. Martina brachte weiterhin zehn Bücher im Jahr heraus. Vermisste jedoch ihre Unabhängigkeit, zog sich mehr und mehr zurück, übersetzte Texte, verfasste Reiseberichte. „Architektur verlangt“, schrieb sie, „dass man sich in Bewegung setzt, dass man Himmel und Hölle für sie in Bewegung setzt. Und alle Wörter, derer man habhaft werden kann.“ 

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