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Berlin: Marzahner Hochhäuser werden halbiert

Abbau von 1000 Plattenbauwohnungen beginnt

Wenn es heute im nachmittäglichen Dämmerlicht an der Marzahner Havemannstraße in den Fenstern leerer Plattenbau-Hochhäuser bunt wird, beginnt in Berlin das bedeutendste Projekt des „Stadtumbaus Ost“. Hinter roten, gelben und grünen Folien leuchtet vorübergehend aus 400 Fenstern der unteren sechs Etagen die Silhouette der Zukunft. Die Reihe der elfstöckigen Hochhäuser wird nun „entkernt“ und schrumpft bis zum Frühjahr. Zwar nicht auf Villenformat, aber immerhin um gut die Hälfte. Was aber heute im Licht von Laserstrahlen leuchtet, bleibt erhalten, wird für 30 Millionen Euro modernisiert und erhält neue Grundrisse. Rund 1000 Wohnungen werden abgerissen, die ersten Mieter der künftigen „Ahrensfelder Terrassen“ sollen bereits im nächsten Herbst einziehen.

Zunächst werden Rohre und Heizungen herausgerissen. Dann kann der Kulissenzauber beginnen. Die Abrissbirne wird auf halber Strecke gestoppt, der fünf- oder sechsstöckige Häuserrest dann nach Plänen des Büros Stephan Schüttauf und eines internationalen Stadtplanerteams veredelt: mit neuer Technik, Balkonen und Terrassen und vor allem mit Grundrissen für Zwei-Zimmer-Wohnungen, die von älteren Ehepaaren besonders begehrt sind. Auch die Außenanlagen werden umgestaltet, Mietergärten sind geplant. „Es wird keine Luxusquartiere geben“, sagt Erika Kröber von der Wohnungsbaugesellschaft, die Quadratmeter-Kaltmieten liegen unter fünf Euro. Der „Stadtumbau“ an der Havemannstraße und ihrer näheren Umgebung wird nur zum geringen Teil von der Gesellschaft finanziert, das Land bezahlt zehn Millionen Euro aus letzten Mitteln der Plattenbau- Modernisierung, der größte Anteil kommt vom Bund. Das Projekt hat eine Dimension, die nach Auskunft von Wolf Schulgen aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einzigartig bleibt. In dieser Größe gebe es auch keinen konzentrierten Leerstand mehr. Senator Peter Strieder (SPD) rechnet längerfristig mit dem Abriss von 5000 der 40000 unsanierten Plattenbauwohnungen. Insgesamt gibt es 273000 in Berlin.

Nach Erich Glückauf hieß die Straße, als die ersten von 1400 Mietparteien kurz vor der Wende einzogen. Glückauf war einst ein hohes Tier in der SED. „Glück auf!“, riefen sich die Leute zu, als sie die Möbelwagen auspackten. Die Mieter hatten jahrelang warten müssen, um hier wohnen zu dürfen. Die „Elfstöcker“ am Rand der Stadt waren komfortabel und gewährten einen weiten Blick nach Ahrensfelde.

Nach der Wende bekam die Glückauf- Straße den Namen des DDR-Dissidenten Robert Havemann. Die Mieter aber fühlten sich hier auf verlorenem Posten. Das Umland lockte mit attraktiveren Wohnungen, an der Havemannstraße wollten immer weniger Leute wohnen. Rund 30000 zogen insgesamt aus Marzahn weg. Die Leerstandsquote erreichte im Nordosten fast 30 Prozent, 12000 Wohnungen stehen gegenwärtig in Marzahn-Hellersdorf leer. Rund 400 davon, gekürzt und runderneuert, sollen sich bald wieder beleben.

Christian van Lessen

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