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Berlin: Maß für Maß

Klamotten bestellen, die dann schlecht sitzen? Das muss nicht mehr sein Dank der Berliner Firma UPcload kann jeder seine Konfektionsgröße bestimmen – daheim am Computer.

Die Unternehmer von morgen sitzen in einem schmuddeligen Universitätsgebäude in der Ziegelstraße 13c in Mitte und essen Salat aus einer Plastikwanne. Wer sie besucht, fährt mit einem klapprigen Aufzug in den sechsten Stock, irrt einen Korridor entlang, findet schließlich eine Treppe, die aufs Dach führt – und in die Firmenzentrale von UPcload. Zwischen Schneiderpuppen, leeren Pfandflaschen und Klamottenbergen sitzt ein Dutzend Mittzwanziger, sie sprechen Englisch, Russisch, Hebräisch, Spanisch – „und die Programmiersprachen Java und HTML“, ergänzt Steffen Poralla aus der Marketingabteilung, der durch das Start-up-Unternehmen führt.

Er und seine Kollegen wollen den Kleiderkauf im Internet revolutionieren: Mit einer Webcam vermisst ihr Dienst UPcload einen Menschen präziser als ein Schneider. Die ermittelten Körpermaße werden mit den Fertigungsmaßen der Kleidungshersteller abgeglichen, und das Programm gibt eine Größenempfehlung. Kein Umtausch, kein Frust. Seit April kann jedermann auf die Shopping-Hilfe zugreifen. Die Idee stammt von den Jungunternehmern Sebastian Schulze und Asaf Moses, 25 und 29 Jahre alt. Beide studierten Wirtschaftswissenschaften an der Humboldt-Universität, beide ärgerten sich regelmäßig über Fehlkäufe im Internet. „Was ich online kaufe, soll mir auch offline passen“, sagt Schulze.

Nicht nur der Kunde, auch der Hersteller würde von der neuen Technik profitieren. „Die Retourquote bei Kleidung, die im Internet bestellt wird, liegt bei 40 Prozent“, sagt Schulze und rechnet vor, dass so deutschlandweit ein Schaden von einer Milliarde Euro im Jahr entsteht: Versand, Lagerkosten, Logistik, Personal. Eine Rücksendung koste durchschnittlich 21 Euro. Am häufigsten gehe die Kleidung zurück, weil Käufer ihre Maße nicht kennen. UPcload soll das ändern.

Alles, was der Nutzer für einen passgenauen Kauf tun muss, erklärt ihm eine freundliche Frauenstimme auf der Seite www.upcload.com: dunkle, enge Kleidung anziehen, Webcam anschalten, eine weiße Wand suchen, ab vor den Computer – und auch den seltsamsten Anweisungen folgen: „Halte eine CD ganz eng an deinen Bauchnabel“, knarzt die Stimme aus dem Lautsprecher. Nur mit diesem Trick klappe die Vermessung, verrät Schulze. „Der Durchmesser einer CD beträgt überall auf der Welt zwölf Zentimeter, sie ist unser Referenzobjekt.“ In Relation zu der Scheibe errechnet das Programm die richtigen Körpermaße. Drei Minuten piept und surrt es, dreimal muss der Nutzer seine Pose wechseln, dann spuckt die Software die Daten aus – vom Nackenumfang bis zum Handgelenk, zehn Angaben, millimetergenau.

Die technische Umsetzung des Körperscanners war komplizierter als gedacht, ein Programmierteam aus Israel hat die Leitung übernommen. In Berlin machten Schulze und Moses Teststudien mit bis zu 10 000 Personen und suchten nach Investoren. Die universitätseigene Humboldt Innovation GmbH spendierte ein Gründerstipendium und stellt kostenlose Büros. In der Wirtschaftsbranche ist das Start-up bereits bekannt und erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter den Innovationspreis vom Bundeswirtschaftsministerium und den Sieg beim europaweiten Gründerwettbewerb Unica.

Letztlich sind es aber die Bekleidungshersteller, die über den Erfolg von UPcload bestimmen. Weil Größen unterschiedlich ausfallen können, braucht das Unternehmen die genauen Kleidungsmaße oder die Schnittmuster eines Herstellers, um dem Kunden die passende Größe zu nennen. Ohne diese Angaben ist UPcload wertlos – zumindest beim Kleiderkauf. „Langfristig können wir uns auch eine Zusammenarbeit mit der Diät- oder Fitnessindustrie vorstellen“, sagt Marketing-Chef Poralla. Schließlich registriert das Programm jede Veränderung des Körpers – auch einen trainierten Bizeps oder einen flacheren Bauch. Zunächst aber werben die Jungunternehmer um Kooperationen mit Amazon, Zalando und Ebay. Gespräche mit Tchibo und Otto laufen, vor kurzem war Moses in den USA, um mit Nike zu verhandeln. Rund einen Euro Vermittlungsgebühr müssten die Händler für jeden Kunden zahlen, der seine Kleidung bei ihnen auf Basis der UPcload-Daten bestellt.

5000 Nutzer haben sich im letzten Monat bereits vermessen lassen und einen Account angelegt. Nun warten sie darauf, dass die Hersteller mitmachen. Immerhin, auf dem Campus dürften schon einige gut gekleidete Studenten zu sehen sein: Der uni-eigene Humboldt Store ist einer der ersten, die auf die Erfindung von Schulze und Moses setzen.

Weitere Informationen unter

www.upcload.com

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