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Berlin: Massenspeisung mit Mutz und Petz

Die Schweizer feierten ihren Nationalfeiertag mit ungebrochener Grandezza. Vor dem Botschaftsempfang gab’s ein Volksfest

Es ist doch ganz und gar erstaunlich, wie viele Menschen man an einem warmen Augustmittag mit der Aussicht auf eine unentgeltliche Portion Wurst-Käse-Salat in die Friedrichstraße locken kann. Dort, genau am Haus der Schweiz, versammelten sich gestern tausende Berliner, um der Schweiz zu helfen, ihren Nationalfeiertag würdig zu feiern.

Etwa 15000 Portionen Salat waren angerichtet, dazu gab’s Prospekte aus dem Kanton Bern, der als Gastgeber auftrat. „Ich hab’s im Radio gehört, so um dreiviertel elf, da bin ich gleich los“, sagt ein Mann aus Waidmannslust. Ungefähr eine Stunde hat er gebraucht. „Ich möchte einmal hören, dass es auch schmeckt“, sagt der aufgeräumte Propagandist von „Emmy“, der Café Latte in kleinen Gläschen ausschenkt. Aber die Leute haben keine Zeit für Komplimente, zu groß ist das Gedränge. Ein Ehepaar hat gleich vier Gläschen ergattert. Was ihnen am besten gefällt an der Veranstaltung? „Na, die Informationen“, sagen sie.

Auf der Bühne steht der Consultant Reto Gaudenzi mit rotem Basecap und eröffnet die Party fünfsprachig. Eben noch hat er in Miami Beach die ehemalige Villa von Gianni Versace in einen Privatclub umgewandelt, das strahlt aus bei seiner Animation. Den Botschafter Werner Baumann (rote Krawatte mit weißen Alpenblumen), kündigt er an wie eine Sensation. Der dankt „allen, die gekommen sind“, und wünscht ein schönes Fest. Die Show überlässt er artig der Berner Regierungspräsidentin, die superstolz ist auf ihren Kanton: Eiger. Mönch. Jungfrau. Rolex. Swatch. Omega. Toblerone. Emmentaler! Die schönsten Berge, die schönsten Uhren, die schönsten Speisen. „En Guete“, wünscht sie unter Applaus, „Guten Appetit“. Zunächst ist es an den Ständen, an denen der Salat ausgegeben wird, so voll, dass kein Bein mehr auf die Erde passt. Dann sammeln alle Prospekte, als wenn da Offenbarungen drin stünden. Und schließlich bildet sich eine lange Schlange vor dem Rahn-Tor.

Wer das Wunder von Bern nachschießen kann, bekommt einen weißen Fußball mit Schweizer Kreuz auf rotem Grund drauf. Ein paar junge Männer böllern zwecklos gegen die Wand. Am besten treffen dem Augenschein nach die Herren aus der Altersklasse, die damals schon mitgefiebert haben, als das Wunder geschah. Für 1000 geladene Gäste geht die Feier am Abend weiter in der Botschaft. Wer mag, darf dort beim Fußball-Karaoke, die berühmte Reportage nachschreien. Bis dahin sind die beiden großen Bären aus Eis längst geschmolzen, die da in der Sonne schwitzen. Einer repräsentiert den Berner „Mutz“ und der andere den Berliner „Petz“.

Ja, die Informationen. Früher seien die Leute ja nur gekommen, um die Frau des Botschafters zu sehen, sagt eine Neuköllnerin und meint mit „früher“ offensichtlich die Ära, als Heidi noch aus Texas kam und Röcke trug, so kurz, dass der Saum die Knie kaum vom Hörensagen kannte, „Wir sind nie wegen des Botschafters gekommen“, versichert sie. „Auch heute nicht.“ Susanna Baumann, die Frau des jetzigen Botschafters, spaziert im weißen Kostüm fast unerkannt zwischen den Speisenden einher. Es sei doch schön, sagt sie, dass das Fest am Anfang für alle sei. „Und das Feuerwerk können auch wieder alle sehen.“

Ein junges Paar aus Blankenfelde („Wir haben Freunde in der Schweiz“) findet, dass sich die Fahrt in die Stadt allein wegen dieses Festes gelohnt hat. Was ihnen am besten gefällt? Fröhlich heben sie Teller und Gläser: „Na, die ganzen Köstlichkeiten.“

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