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Matthies meint: Rotlicht – aber nur klimaneutral

Linke wie Liberale stehen dem Wohnungsbordell als solchem aufgeschlossen gegenüber. Bernd Matthies über Klimawandel und Prostitution.

Es gibt sie, diese Inseln inmitten des Sturms, die uns Atem schöpfen lassen: Solange sie existieren, das wissen wir, wird die Welt nicht untergehen. Am Dienstag beispielsweise hat das Berliner Verwaltungsgericht ein Charlottenburger Wohnungsbordell in Augenschein genommen – und schon das Wort „Wohnungsbordell“, das nach Pantoffeln, Perserteppichen und altem Weinbrand schmeckt, muss uns ganz und gar für diesen Akt juristischer Brillanz einnehmen. Wunderbares Berlin! Kein SEK musste den Richtern den Weg durch eine Reihe bewaffneter Zuhälter freikämpfen, denn die Betreiberin selbst ist die Klägerin, und Zuhälter gibt es anscheinend nur noch im Film.

Dieser schöne Vorgang wird natürlich auch politisch kommentiert, und es schält sich heraus, dass Linke und Liberale dem Wohnungsbordell als solchem aufgeschlossen gegenüberstehen, während Christdemokraten ablehnender argumentieren, allerdings eher mit dem Schutz der Nachbarschaft als dem christlichen Menschenbild, das hier ja prinzipiell tangiert sein könnte. „Lichtenbergs Linke für Wohnungsbordelle“ lesen wir auf der Website „pro bordell“, na prima. Ob Lichtenbergs Linke sich ebenso stark für Villenbordelle einsetzen würde, in denen Investmentbanker ihr Schwererschwindeltes verjuxen?

So oder so: Die Gesellschaft macht ihren Frieden mit dem, was sie früher Förderung der Unzucht nannte, das ist beruhigend, und der weitere Weg scheint absehbar. Spätestens 2011 wird die Stiftung Warentest ihre Leute aussenden, um Bordelle auf Sauberkeit, Schönheit des Personals, Preis und Behandlungsqualität zu untersuchen, Ökotest wird nachschauen, ob in den dort gratis ausgegebenen Kondomen kein flüchtiges Fiesoxin enthalten ist.

Und im Grunde spricht nichts dagegen, den meist mit erhöhtem CO2-Ausstoß verbundenen Aufenthalt in einem solchen Betrieb durch Verkauf von Zertifikaten klimaneutral zu gestalten. Dazu oben auf dem Dach ein Windrad für nachhaltige Rotlichterzeugung – spätestens dann sollten auch fundamentalistische Grüne ihren Frieden mit dem Bordell gemacht haben.

Der nächste Schritt, die Gleichstellung des Bordells mit der Psychologen- und Physiotherapiepraxis, ist dagegen nur schwer umsetzbar, und auch die IHK-geprüfte Bordellfachfrau wird wohl auf absehbare Zeit kaum irgendwo Hand anlegen dürfen. Jedenfalls nicht, solange die Krise dauert. Hinterher, wenn die Welt noch lebt, ist alles wieder möglich.

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