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© ddp

Mauerfall-Jubiläum: 9. November: Der Live-Blog

Die Steine sind gefallen - in unserem Live-Blog haben wir die großen und kleinen Berliner Ereignisse rund um das Mauerfall-Jubiläum begleitet. Mit Texten unserer Reporter, vielen Fototouren - und den Faksimiles des Tagesspiegel-Extrablatts vom 10. November 1989. Wir freuen uns über Ihre Kommentare, Anregungen und Kritik!

22:45 Uh

r:

"Eine Epochenwende zur Freiheit" ist die Schlagzeile des Tagesspiegels vom Dienstag, dem 10. November 2009.  Auf unserer Internetseite präsentieren wir derweil das Faksimile eines vierseitigen Extrablatts unserer Zeitung vom Freitag, dem 10. November 1989 - einfach per Mausklick auf die Verknüpfungen auf der linken Seite. Das gedruckte Blatt bietet, neben einem ausführlichen Rückblick, Analysen und Kommentaren zum Wendetag, auch einen Artikel über ein ganz anderes Jubiläum: Die "Sesamstraße" wird 40 Jahre alt! Viel Spaß beim Lesen!

22:00 Uh
r: Nach Ende des "Fests der Freiheit" sprechen die Veranstalter von knapp 250.000 Besuchern auf dem Festgelände zwischen Potsdamer Platz und Brandenburger Tor. Die Polizei vermeldet keine besonderen Vorkommnisse und spricht von "geregeltem Abstrom". Ende, gute Nacht!

21:20 Uh

r:

Wie ist eigentlich der "Mauer-Mob" gelaufen, den der Künstler Martin Butler veranstalten wollte? Die Aktion, so wird uns berichtet, kam ein bisschen zögerlich in Gang. An der Stralauer Allee in der Nähe der Oberbaumbrücke standen die Menschen zunächst vor allem in Grüppchen herum, bevor sie sich schließlich in einer Reihe aufstellten und an den Händen fassten. "Es war leider ein bisschen unorganisiert", sagte Miguel, 27. Trotzdem fand er die Aktion lustig, "wegen des Gemeinschaftsgefühls". Weil alle Teilnehmer ein Licht mitbringen sollten für das feierliche Gedenken an den Mauerfall vor zwanzig Jahren, hatte Miguel die Fahrradlampe seiner Freundin Julia eingepackt. Bei dem strömenden Regen sicher keine schlechte Idee. Wegen des fiesen Wetters, vermutete die Teilnehmerin Nadine, seien nicht so viele Menschen eingetroffen. "Es hätten ein paar mehr da sein können", sagte sie. Der 31-Jährigen aus Finsterwalde hat die Mauer-Mob-Aktion trotzdem gefallen. Auch weil sie einen Anlass geboten habe, ein paar Minuten in Ruhe über die Ereignisse vor 20 Jahren nachzudenken, meinte sie.  Jenny, 28, aus Friedrichshain stand um kurz nach 20 Uhr sogar "fast genau" an der Stelle, an der sie damals wohnte. Zu der Aktion am Abend hatte sie spontan auch ihren Vater Hartmut, 50, mitgebracht. "In unserer Reihe war ich sicher der älteste", sagte er und lachte: "Es ist auffällig, dass sich fast nur junge Leute beteiligt haben". Martin Butler selbst ist am Abend zufrieden mit seinem Mob. "Als eine große Geste hat es auf jeden Fall funktioniert", sagt er. Mindestens 5000 Menschen, das glaubt er, haben sich an der Aktion insgesamt beteiligt. Das sind zwar weniger, als er erwartet hatte. Aber denjenigen, die dabei waren, habe es sicher Spaß gemacht.

Facebook-Nutzerin Nikola Richter berichtet derweil: "Der Mauermob Leuschnerdamm/ Waldemarstr zeichnete sich aus durch christliche Kerzen, Rubin-Sekt, Licht-Welle, 58 Personen, sowie Ost-/Westnachbarn und unromantische Wendegeschichten (Stau bei Magdeburg)."

21:17 Uhr: Mauer-Fall: Als Lech Walesa die ersten Dominosteine anstieß, fiel für kurze Zeit das Fernsehbild aus. Warum? Der Kameramann, der an der fallenden Steinreihe entlang rollen wollte, war von seinem Segway gestürzt. Der Mann und seine Kamera gingen zu Boden - auch Walesa kam ins Straucheln.

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Mauer-Fall. Ein Kameramann auf einem Segway kollidiert beim "Fest der Freiheit" mit dem ehemaligen polnischen Staatspräsidenten Lech Walesa. -

© ddp


21:14 Uh

r:

Das Brandenburger Tor brennt! Ach, nein, es ist nur Feuerwerk. Bunte Raketenblumen im Himmel und erhebende Musik, kilometerweites Donnern. Kurz zuvor waren auch vom Platz des 18. März aus die Dominosteine umgestoßen worden. Thomas Gottschalk mahnt zum Abschied, dass jeden Tag irgendwo jemand um seine Freiheit kämpft. Dann sagt er den Film "Das Wunder von Berlin" mit Veronika Ferres an.

21:00 Uhr: José Manuel Barroso und Jerzy Buzek stoßen die Steine nun auch vom südlichen Startpunkt aus an. Sie kippen in Richtung Brandenburger Tor, die Zuschauer jubeln. Juhu!

20.50 Uhr: Videoeinspieler im Fernsehen: Bon Jovi 1989 als Mauerspecht! Mit Dauerwelle! Moderator Gottschalk fragt den Star die interessante Frage, ob er das Stück Mauer noch zu Hause habe. Bon Jovi ignoriert die Frage und redet lieber über "Feiern mit dem deutschen Volk" und seine neue Tour. Naja.

20.48 Uhr
: Gitarrensolo.

20.46 Uhr
: Jon Bon Jovi in Lederjacke vor dem Brandenburger Tor. Es regnet ja auch. Und ist kalt. Er singt: "We weren't born to follow". Playback, allem Anschein nach.

20.30 Uhr
: Die Domino-Mauer fällt! Der polnische Friedensnobelpreisträger Lech Walesa stößt den ersten Stein um. Thomas Gottschalk gibt den Startschuss für die Außenwette: Wie viele Meter Dominosteine können zum Umfallen gebracht werden - topp, die Wette gilt. Die Sängergruppe Adoro aus Berlin knödelt Marius Müller-Westernhagens "Freiheit" in die Nacht.

20:10 Uhr
: Polizeidurchsage am Brandenburger Tor, wo wie vor 20 Jahren die Massen zusammenströmen: "Dieser Veranstaltungsort ist wegen Überfüllung geschlossen. Wir wünschen Ihnen einen schönen Abend."

20:06 Uhr:
Angela Merkel live am Brandenburger Tor: Vor 20 Jahren "öffnete sich das Tor zur Freiheit"! Und: "Für mich war es einer der glücklichsten Momente meines Lebens." Nach der Wende begann "eine Ära der Einigkeit, des Rechts und der Freiheit". Staatstragende Worte. Aber Merkel erinnert auch an die Pogromnacht 1939. Und mahnt daher:  "Freiheit muss immer wieder erkämpft, immer wieder verteidigt werden." Hillary Clinton nickt bei jedem Wort der Kanzlerin.

20 Jahre Mauerfall
Riege im Regen. Der britische Premier Gordon Brown, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, Bundeskanzlerin Angela Merkel, der russische Präsident Dmitri Medwedew und Bundespräsident Horst Koehler beim "Fest der Freiheit" vor dem Brandenburger Tor. -

© Michael Gottschalk (ddp)


20:01 Uhr:

Schönes Zitat, der "Tagesschau" abgelauscht: Joachim Gauck an der Bornholmer Brücke - die eigentlich Bösebrücke heißt: "Unser 'Yes, we can' war das 'Wir sind das Volk'"!

19:45 Uhr:
Vor dem Fahrkartenverkauf der Deutschen Bahn im Bahnhof Alexanderplatz warten unzählige Menschen, um ein 20-Euro-Sonderangebotsticket zu ergattern. Die Schlange reicht durch den halben Bahnhof. "Na", sagt eine Frau in der Schlange, "das ist ja dann doch noch wie früher".

19:37 Uhr:
Meldung in der RBB-Abendschau: Die Bundespolizei benutzt Reisebusse, um ihre Beamten durch die Stadt zu transportieren. So kriegt man mehr Leute auf einmal durch völlig verstopften Straßen.

19:32 Uhr:
Plácido Domingo schmettert unter Anleitung Barenboims „Daaas ist die Berliner Luft, Luft, Luft!“ Die hochrangigen Gäste erweisen sich als textsicher, Wowereit schunkelt, Sarkozy klatscht rhythmisch mit, Westerwelle strahlt wie Genschers gelber Schal.

19:28 Uhr: Auch der U-Bahnhof Brandenburger Tor ist dicht - ohne, dass es eine Ansage gibt. Damit dürfte Berlin die kürzeste U-Bahn-Linie der Welt haben - die Züge der U55 pendeln nun zwischen zwei Stationen: Hauptbahnhof und Bundestag. Am Tag der Superlative selbstverständlich im komfortablen 10-Minuten-Takt...

19:27 Uhr: Die Glienicker Brücke ist zu. Fast jedenfalls: An der deutsch-deutschen Grenzbrücke wird fleißig gearbeitet, berichtet Reporter Kay Grimmer. Und die Autos stauen sich, weil nur eine Spur frei ist. Fünf Kilometer Kabel, mehr als 350 Scheinwerfer, eine 30 Quadratmeter große doppelseitige LED-Wand haben ein Dutzend Handwerker seit Sonntag installiert. Denn morgen Abend, 20 Jahre nachdem der berühmte Diplomaten-Grenzübergang für alle geöffnet wurde, soll es hier ein Bürgerfest geben. Heute ist Generalprobe für die multimediale Show, die dann aufgeführt wird: ein Film, eine Bühnenperformance, ein Feuerwerk stehen auf dem Programm. Und die Brücke soll in blauem Licht erstrahlen. Fußgänger sind in den regnerischen Abendstunden nicht auf der Brücke unterwegs – dafür gibt es im neu eröffneten Museum in der Villa Schöningen neben der Brücke immer noch regen Zulauf. Rund 1000 Besucher zählte Museumssprecherin Anna Redeker im Laufe des Tages.

Glienicker Brücke
Generalprobe auf der Glienicker Brücke. Am Dienstagabend wird auf der ehemaligen deutsch-deutschen Grenzbrücke ein Bürgerfest gefeiert - genau 20 Jahre, nachdem der Übergang geöffnet wurde. -

© Andreas Klaer



19:17 Uhr:

Und wieder ein Hitler-Vergleich: Der Vorsitzende der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG), Rainer Wagner, äußerte heute Abend im Rahmen einer Kerzen-Demo der Opferverbände Kritik an Brandenburgs Ministerpräsidenten Platzeck und dessen „Ritterschlag der Linken“. Der Vergleich sei zwar nicht eins zu eins zu übertragbar, räumt Wagner ein, aber er wolle dennoch an den 21. März 1933 erinnern: Damals habe „Hindenburg als Reichspräsident Hitler salonfähig gemacht.“ 200 Menschen haben sich vor dem ehemaligen Stasi-Gefängnis in der Potsdamer Lindenstraße zu einer Kerzen-Demo versammelt.

19:07 Uhr:
Der S-Bahnhof Brandenburger Tor ist gesperrt, die Züge fahren durch. Ein Geisterbahnhof.  "Aus Sicherheitsgründen", so die Ansage der S-Bahn, halten hier bis auf weiteres keine Züge mehr. Man habe mit dem großen Andrang nicht rechnen können. Hallo!? Fahrgäste, die zur Wende-Feier wollen, müssen jetzt jedenfalls schon am Potsdamer Platz aussteigen. Angesichts des Regenwetters löst das verständlicherweise keine Begeisterung aus.

19:05 Uhr:
"Die Mauer war ein Bauwerk der Furcht", sagte Bundespräsident Horst Köhler heute bei seiner Ansprache zum Auftakt der Feierlichkeiten. Lesen sie unter diesem Link seine Rede im Wortlaut.

18:59 Uhr:
Heute Abend gibt es ein reichliches Mauerfall-Angebot im TV-Programm. Um 21 Uhr kann man bei ARD den Rückblick mit Gesprächen und Reportagen "Als die Mauer fiel" oder bei ZDF das Drama "Das Wunder von Berlin" sehen. Für alle, die das nicht interessiert, kommt um 21:15 Uhr bei RTL "Bauer sucht Frau".

18:54 Uhr: Am Buckower Damm ruft Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky: "Die Mauer muss weg!" Einige der etwa 500 Zuschauer tun es ihm nach. Dann reißt Buschkowsky, gemeinsam mit einigen anderen offiziellen, mit Seilen zwei von fünf Styropor-Mauersegmenten nieder, die auf der Straße aufgestellt waren - "wie früher", finden einige Zuschauer. Vom Band singen die Scorpions ihren Wende-Hit "Wind of Change". Dann ist Feuerwerk, Kinder halten sich die Ohren zu.

Lesen Sie im nächsten Teil von Rennpappen und ausgebuchten Taxis  - und sehen einige echte Engel über Berlin!

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Rennpappen. Links der Auspuff eines orangefarbenen "Galoppis", rechts ein Polizeitrabi - beide Liebhaberstücke fahren am Montag durch das niederländische Den Haag. -

© AFP

18:53 Uhr:

Go Trabi, go! Die Holländer begehen diesen denkwürdigen Tag mit einer feierlichen Hommage an die „Rennpappe“: Der Trabant-Fanclub organisierte eine Trabi-Tour rund um die deutsche Botschaft in Den Haag. Zwischen 1961 und 1973 setzte die DDR rund 160.000 Exemplare in den Niederlanden ab. Noch heute hat der Liebhaber-Verein 200 Mitglieder. Alte Liebe rostet nicht, auch wenn das für das Objekt der Begierde nicht immer gelten mag.

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© Tsp

18:26 Uhr:

Aufregung bei Taxigästen: Es ist keine Droschke mehr zu kriegen, alle Leitungen belegt, nicht mal zur Zentrale komme man durch! Schließlich regnet es - und alle wollen zum Brandenburger Tor.

18:15 Uhr:
Im Schloss Bellevue würdigt Bundespräsident Horst Köhler vor Staats- und Regierungschefs aus vielen Ländern die von DDR-Bürgern angestoßene "friedliche Revolution". Sowohl er als auch Kanzlerin Angela Merkel danken allen Menschen in Europa, die die deutsche Einheit möglich machten. "Diejenigen, die sich nicht mehr einschüchtern ließen und in den Wochen und Monaten vor dem 9. November zu Tausenden und Abertausenden in Leipzig, Berlin, Dresden und anderswo für ihre Rechte auf die Straße gingen, haben ihre Freiheit und die Einheit unseres Landes errungen", sagt Köhler. Auch Angela Merkel betont, dass der 9. November "ein Feiertag für ganz Europa" sei. Ausdrücklich würdigt sie die Rolle des früheren sowjetischen Staatschefs Michail Gorbatschow, der vor 20 Jahren beim Fall der Berliner Mauer "mutig die Dinge hat geschehen lassen".  Die Kanzlerin bittet aber auch darum, die vielen mit der Teilung verbundenen persönlichen Schicksale nicht zu vergessen: "Bevor das Glück der Freiheit kam, haben viele auch gelitten."

18:08 Uhr:
„Gerade am Tag '20 Jahre Mauerfall' West gegen Ost ausspielen zu wollen, das ist nicht gut“, echauffiert sich Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer hatte einen „Aufbau West“ gefordert und stieß damit auf heftige Kritik beim Koalitionspartner. Ramsauer kann die Aufregung nicht nachvollziehen: „Wir werden dort auch intensiv weiterarbeiten, wo nicht alles vollendet ist. Das wird man ja wohl zum 20. Jahrestag noch sagen dürfen.“ Auch heute herrscht also Einigkeit in der Koalition. Passend zum Anlass…
17:59 Uhr: Tusch! Der Gewinner ist ... Stefan Unger mit seinem Zeitzeugen-Bericht "Umweg über Prag" (nachzulesen hier). Aus allen Einsendern im Rahmen der Tagesspiegel-Aktion "meinjahr89" hat sich Guido Knopp für Ungers Bericht vom 9. November entschieden und unseren Leser eingeladen, am 12. November in Hamburg am Vortrag des Historikers als Zeitzeuge auf der Bühne des Congress-Centrums teilzunehmen. Knopps geplanter Vortrag im Berliner Tempodrom wurde unterdessen wegen wichtiger Dreharbeiten auf 2010 verschoben. Deshalb lädt der Veranstalter Semmel Concerts unseren Leser nun nach Hamburg ein. In der Zwischenzeit können Sie hier auch Knopps Erfahrungsbericht lesen.

17:57 Uhr:
Am roten Teppich vor dem Schloss Bellevue wurde einem Ehrengardisten die Fackel ausgeregnet. Ein mobiler Kollege mit Ersatzfackel zündet sie wieder an. Nochmal gut gegangen.

18:10 Uhr: Wendegesichter. Hier geht es zu einer interaktiven Karte mit Videointerviews, in denen Menschen aus ganz Berlin erzählen, wie sie den 9. November 1989 erlebt haben.


17:45 Uhr:

Soundcheck auf einer Bühne am Buckower Damm. Die Ost-Kultband City wird nachher hier auftreten, jetzt wird das Lied "Yeah, yeah, yeah" geprobt. Es regnet in Strömen, Frontmann Toni Krahl singt: "Manchmal gibt es Hoffnung für die Welt." Auf der Straße ist eine zehn Meter lange Mauer aufgebaut, die später feierlich niedergerissen werden soll. Auf der Westseite stehen drei Mitarbeiter des Ordnungsamts in ihren blauen Anoraks. "Ich würd mir gut überlegen, ob ich rübergehe," sagt einer. "Ab Mitternacht lassen wir hier keinen mehr zurück!"

17:44 Uhr:
9740 Menschen haben sich um kurz vor 18 Uhr online einen Platz im "Mauer-Mob" gesichert. Eigentlich müssten es ungefähr 33.000 sein, damit die Aktion des britischen Künstlers Martin Butler funktioniert. Er möchte versuchen, um 20 Uhr die Mauer entlang der alten Grenzlinie mit Hilfe vieler tausend Menschen für eine halbe Stunde nachzustellen. Alle die teilnehmen, sollen zum Gedenken an den Mauerfall Kerzen in der Hand halten. Dass tatsächlich 33.000 Menschen an seiner Flashmob-Aktion teilnehmen werden, glaubt Butler am frühen Abend selbst nicht mehr. "Ich glaube aber, dass viele noch spontan dazukommen werden", sagt er. "Vielleicht sind es nachher zwischen 10.000 und 15.000 Menschen", hofft Butler. Er selbst wird an der Bernauer Straße stehen - die Plätze dort waren besonders begehrt.

17:40 Uhr: 20 Jahre Mauerfall - die ganze Welt schaut hin. In London schmilzt eine Mauer aus Eis, in Warschau ist eine Replik schon niedergerissen. Sogar in Palästina ist der Mauerfall Thema - allerdings in Protestveranstaltungen. Wir haben die Bilder:

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Engel über Berlin. Künstler zeigten sich in Engelskostümen auf den Dächern der Stadt.

© dpa


17:31 Uhr:

Krank! Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hat eine fiebrige Bronchitis, wie die Staatskanzlei am Montag in Potsdam mitteilte. Der 55-Jährige könne daher nicht wie geplant am morgigen Dienstag am Bürgerfest zum 20. Jahrestag der Öffnung der Glienicker Brücke teilnehmen. Für Platzeck soll Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) das Fest eröffnen.

17:30 Uhr:
Die Schwingen weit ausgebreitet standen sie schon am Mittag auf dem Dach der Landesvertretung Niedersachsen: Engel über Berlin, ein Mauerfall-Kunstprojekt vom Theater Anu und Bartels. Die Engel sollen an acht Schicksale im geteilten Berlin erinnern, erklären die Künstler auf ihrer Internetseite: Der 81-jährige Tunnelgräber, die Braut, die ohne ihre Eltern Hochzeit feiern musste, und ein Fluchthelfer, dessen Versuche fehlschlugen - sie alle haben den Mauerfall 1989 nicht mehr erlebt. Heute bekommen sie für dreimal eine Stunde Flügel und sind über den Dächern der Stadt zu sehen.

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Neue Herausforderung. Greenpeace-Aktivisten mit einem Plakat an einem Haus an der Bornholmer Brücke in Berlin. -

© dpa


17:22 Uhr:

Die arme Ehrengarde vorm Schloss Belevue! Mit brennenden Fackeln stehen die Jungs seit Ewigkeiten im Regen. Ihre Matrosenkäppis helfen da wenig. Trotzdem: tadellose Haltung! Messerscharfe Bügelfalte! Und die Fackeln brennen auch.

17:17 Uhr:
Interessanter Vorschlag von Marc Koch, dem Chefredakteur der Deutschen Welle. Koch plädiert heute in einem Beitrag auf der Internetseite der Welle für den 9. November als Nationalfeiertag. Er gesteht, dass seit der Wiedervereinigung "nicht alles ideal gelaufen" sei, aber der Mauerfall sei trotzdem "nichts weniger als ein Glückstag der deutschen Geschichte." Während er immer vorsichtig das Jahr "1989" anhängt, wenn er vom Glück dieses Datums redet, lässt er kein einziges Wort über 1938 fallen. Im Glücksrausch vergessen?

16:55 Uhr:
Derek Scally von der Irish Times schreibt: "Wie viele Freunde von mir, kann ich langsam 'Fall der Mauer' und 'friedliche Revolution' nicht mehr hören und das ist wirklich Schade. Weil für mich, der 9. November 1989 der glücklichste Tag des 20. Jahrhunderts ist. Wie alle Europäer, verneige ich mich vor den mutigen Ostdeutschen - in Berlin aber auch in kleineren deutschen Städten, die sich 1989 auf die Straßen getraut haben um ihr Schicksal in den eigenen Händen zu nehmen. Ich hoffe, dass diese Menschen heute einen ruhigen Moment finden, um die Freude und die Hoffnung von damals nachzuspüren. Ich wünsche mir, dass die Deutschen Ost und West die gegenseitige Anstrengungen der letzten 20 Jahren anerkennen." Hier lesen sie, was die internationalen Medien über den 9. November 1989 sagen.

16:35 Uhr:
Im neu eröffneten deutsch-deutschen Museum in der Villa Schöningen an der Glienicker Brücke drängen sich die Besucher, berichtet Reporter Peer Straube: Die Ausstellung wird begeistert aufgenommen, in den ersten drei Stunden gab es 500 Gäste, schon vor Öffnung um 12 Uhr hatten die ersten geklingelt und geklopft. Sandra und Gregor Wenda sind aus Wien nach Potsdam gekommen: Die neue Ausstellung in der zur DDR-Zeiten als Kinderheim genutzten Villa finden sie "berührend": "Es ist spannend, dass es da normales Leben gegeben hat - Kinder spielen neben dem Todesstreifen." Auch bei Gisela und Jürgen Sellan aus Neuruppin kommen Erinnerungen und Gefühle auf: "Man ist wieder betroffen, wenn man sich das anguckt", sagt die Frau, die bis 1981 in einem Kinderheim in Hohenneuendorf, direkt an der Grenze, arbeitete. Ihren Job gab sie auf, nachdem eine 18-Jährige Ausreißerin erschossen wurde. Aus Güterfelde ist Peter Ernst zur Glienicker Brücke gekommen: Als Kind nach Kriegsende habe er die Brücke noch zerstört gesehen, berichtet er. Die Potsdamerin Ingrid Bathe freute sich besonders über die detaillierte Dokumentation der Agenten-Austausch-Aktionen auf der Glienicker Brücke. Sie will morgen Abend zum Bürgerfest auf der Glienicker Brücke kommen: "Auch wenn es stürmt und schneit."

16:05 Uhr:
Greenpeace macht darauf aufmerksam, dass auch eine andere Wende bevorsteht, aber eine, die wenig Grund zur Freude bietet. "1989 Mauerfall in Berlin - 2009 Klimawende in Kopenhagen!" steht auf Plakaten, die Aktivisten in der Nähe der Bornholmer Brücke aufhängen. Die Umweltorganisation ruft dazu auf, beim Weltklimagipfel im Dezember entschieden zu handeln.

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Der junge Sarkozy macht sich an der Mauer zu schaffen.

© Facebook


15:50 Uhr:

Blick in die russischen Zeitungen: Alle schreiben nur über Medwedews "Spiegel"-Interview, in dem er Sanktionen gegen den Iran nicht mehr ganz ausschließt. Aber auch die Wende vor 20 Jahren ist Thema, nämlich ein Auslöser großer Visionen. Russlands Außenminister Sergej Lawrow und sein italienischer Amtskollege Franco Frattini werben in einem gemeinsamen Meinungsbeitrag in der russischen "Iswestija" und der italienischen "La Stampa" dafür, die Umstrukturierung Europas nach dem Mauerfall nicht als abgeschlossenen Prozess zu betrachten: "Die neue Weltordnung (...) kann nicht ohne ein 'großes Europa' auskommen, das sich vom Atlantik bis nach Wladiwostok erstreckt. Nur ein solches Europa kann Stabilität auf unserem Kontinent garantieren. Dies hat bisher keine adäquate Antwort auf politischer Ebene gefunden. Auf dem Spiel steht die Zukunft unserer gesamten Region, in der, wie wir hoffen, Verschiedenartigkeit nicht zu Konfrontationen führen muss, sondern ein zusätzlicher Wert und ein Faktor der Stabilität und Entwicklung sein kann."

15:25 Uhr: Nicolas Sarkozy in Berlin am 9. November 1989? Die Franzosen können es nicht  glauben und machen sich über ihren Premier lustig, der stolz ein Foto in seinem Facebookprofil gepostet hat. Dort ist zu sehen, wie er sich bereits in dern Nacht des 9. Novembers 1989 in Berlin mit einem Pickel als "Mauerspecht" verewigt hat. Der Liberation-Blogger Alain Auffray glaubt nicht, dass er am zum Mauerfall wirklich in Berlin war. Er schreibt, dies sei lediglich von der PR-Abteilung des Präsidenten so hingebogen worden.  Tatsächlich sei Sarkozy erst später in Berlin gewesen. Auffray beheuptet, am 9. November

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Drei auf der Brücke. Michail Gorbatschow, Lech Walesa und Angela Merkel überschreiten gemeinsam mit Zeitzeugen die Bornholmer Brücke. -

© ddp

1989 sei Sarkozy bei einer Gedenkfeier zum Todestag von General de Gaulle gewesen - wie jedes Jahr. Der Élysée konnte am Montag mehrere widersprüchliche Informationen nicht ausräumen, hält aber an der Version fest, dass Sarkozy am 9. November in Berlin war.

15:45 Uhr: Eindruck von der Bornholmer Brücke. An dem ehemaligen Grenzübergang drängen sich die Menschen, Merkel ist da, Gorbatschow, Walesa, Gauck, viele andere. Sprechchöre branden auf: "Gorbi, Gorbi!" Es ist ein bisschen ein Gefühl wie damals, berichtet Tagesspiegel-Autor Lothar Heinke. Wolf Biermann ist auch da, auf Heinkes Frage, wie er sich denn an diesem besonderen Tag fühle, antwortet der Barde: "Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich müsste sonst eine halbe Stunde lang reden."

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Michail Gorbatschow am 9. November 2009 in Berlin.

© ddp

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum Michail Gorbatschow kein Hellseher ist:

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Kunst am Bauch. Models präsentieren Motive der East Side Gallery. -

© dpa

15:40 Uhr:

Paulo Pimentel von TV Globo in London über den Mauerfall: "Der ostdeutsche Staat besaß die Seele seines Volkes. Ich wollte das nicht wahrhaben. Als ich vor dem Brandenburger Tor über die Nacht des 9. November 1989 berichtete, wurde mir klar, dass Tyrannen gegen die Hoffnung von Menschen und ihrer Gemeinschaft nie ankommen können." Hier äußern sich noch mehr internationale Pressevertreter exklusiv für den Tagesspiegel.

15:21 Uhr:
20 Jahre nach dem Mauerfall wird nicht überall gefeiert. Bei einer Umfrage von Globescan für die BBC, für die mehr als 29.000 Menschen in 27 Ländern befragt wurden, hielten etwa 60 Prozent der russischen Befragten den Niedergang der Sowjetunion für "hauptsächlich eine schlechte Sache". Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin hat bekanntlich 2005 den Zerfall der Sowjetunion als "die größte geopolitische Katastrophe des Jahrhunderts" bezeichnet. Die Deutschen dagegen sehen das ende der UdSSR mit klarer Mehrheit positiv. Fast 80 Prozent bewerteten es als "hauptsächlich eine gute Sache."

14:58 Uhr:
Nachtrag zur Auftakt-Pressekonferenz für die offiziellen 20-Jahre-Mauerfall-Feierlichkeiten. Michail Gorbatschow erinnert sich: "Ich habe die Situation damals schon ahnen können, ich habe gespürt, dass wir im Vorfeld ganz großer Veränderungen stehen. Wir haben fast täglich die deutsche und Berliner Frage diskutiert. Aber: Kohl und ich merkten, dass wir als Hellseher nichts taugen. Wir haben geglaubt, dass es (der Mauerfall) erst im 21. Jahrhundert passiert."

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Ende des Kalten Krieges. Die Eismauer in London taut langsam auf. -

© Twitpic

14:44 Uhr:

Nicht nur für die chinesische, auch für die russische Presse ist die Berliner Mauer längst nicht die letzte Barriere: "Die Berliner Mauer ist Vergangenheit, und ich freue mich für Deutschland und die Deutschen," schreibt Dmitri Tultschinski von RIA Novosti. "Die meisten Russen fühlen genauso. Doch die „Mauern in unseren Köpfen“, wie es Angela Merkel formuliert, sind geblieben. Noch immer legen einige in der Europäischen Union Wert darauf, dass Russland nicht Europa ist. Aus diesem nach wie vor fremden, rätselhaften und unberechenbaren Land kämen Kälte und Gefahr. Gaslieferungen machten die Deutschen abhängig, russische Hilfe für Opel mache Deutschland in Zukunft erpressbar. Diese unverdiente Einstellung zu meinem Land stört und ist beleidigend. Preis hin, Preis her, wir hatten mit einem aufgeschlossenen Empfang im gesamteuropäischen Raum gerechnet." Hier stehen noch mehr internationale Pressestimmen.

14:40 Uhr:

An seinem Bild, der "Hymne an die Freude" am östlichen Ende der East Side Gallery kann Fulvio Pinna heute nicht weiterarbeiten: "Zu nass", erklärt der Künstler, der abwechselnd in Rom, Berlin und auf Sardinien lebt. Seit September arbeitet er an der Renovierung des Mauerbildes - besonders sorgfältig, sagt der 61-Jährige mit dem farbbeklecksten Kittel: "Das ist weltweite Werbung für mich." Nach Berlin kam Pinna zum ersten Mal 1987: "Ich habe sofort die Verbindung nach Ost-Berlin gesucht", erzählt er: "Ich fand diese Mauer unmöglich und unglaublich und wollte was dagegen machen - mit dem Pinsel." Im September 1989 zeigte er in Rom eine Bronze-Statue: Ein Mauerstück mit einer offenen Tür darin. "Die Leute habe gelacht über mich", erinnert sich Fulvio Pinna. Im Oktober 1989 wird die Statue in einer Ausstellung in Berlin gezeigt. "Am 9. Novemberabend habe ich die Skulptur genommen und bin damit zum Brandenburger Tor gefahren." Damals sei er von Journalisten aus vielen Ländern fotografiert und interviewt worden - wie heute wieder: "Einen fröhlichen 9. November!", ruft Fulvio Pinna ihnen zu.

14:22 Uhr:
Tauwetter in London: Die dpa meldet, dass die britische Künstlerin Manon Awst und ihr Kollege, der gebürtige Dresdner Benjamin Walther, vor der Deutschen Botschaft auf dem Belgrave Square in der britischen Haupstadt eine 3,5 Meter hohe Eismauer aufbauen. Im Laufe des Montags soll das Kunstwerk nach und nach schmelzen.

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Ein Kuss aus Schokolade: So sind Breschnew und Honecker in den Schaufenstern des Pariser Cocolatiers Patrick Roger zu sehen. Bis heute Abend, dann wird die Schokoladen-Mauer niedergerissen.

© promo

14:20 Uhr:

Aktham Suliman von Al-Jazira in Berlin schreibt: "Das Abwiegen vom Materiellen auf der einen und Symbolischen auf der anderen Seite wird die Einheitsdebatte auch 20 Jahre nach dem Mauerfall begleiten. Eine Debatte von äußerster Relevanz und Reichweite. Denn es ist inzwischen eine nicht zur Diskussion stehende Tatsache, dass der „Westen“ dem „Osten“ in den letzten 20 Jahren unter die Arme greifen musste. Es ist vielleicht nicht unverständlich, wenn hier und dort im „Westen“ ab und an der Schrei nach einem „Danke“ laut wird. Das sind die Gesetze des Materiellen. Und wie sieht es aus mit den Gesetzen der Symbolik? Genau umgekehrt: Es waren ausschließlich die Ostdeutschen und Ost-Berliner, die Kopf und Kragen für die Wiedervereinigung riskiert haben, die jene Mauer zum Fall brachten. Und wo bleibt „20 Jahre danach“ das dicke Danke, liebe „Westler“? Hier stehen noch mehr internationale Pressestimmen.

13:55 Uhr:
Gerade ist Eckhard Euen vom Dach des Marriott herabgestiegen. Der Künstler ist einer von acht Engeln, die heute auf Dächern  entlang der Ebertstraße zwischen Potsdamer Platz und Tiergarten an Liebesgeschichten erinnern, die durch die Mauer geprägt waren. Kalt war es da oben, aber nicht so kalt wie bei den Proben, als die Künstler vom Theater Anu und von der Truppe "Bartel's lebende Statuetten" den ersten Schnee erwischt haben. Eckhard Euen hat an einem sehr langen Bindfaden Blumen zu den Passanten herabgelassen. Einmal, erzählt er, konnte er den Bindfaden nicht wieder hochziehen, Schüler hielten ihn fest. Als er den Faden schließlich wieder auf dem Dach hatte, fand er am Ende eine Botschaft: „Danke an den Engel“, hatte die 5a der Insulaner-Schule geschrieben. Jetzt wärmt sich Euen auf, bis er und seine Kollegen um 15 Uhr 30 erneut auf die Dächer steigen.

14:05 Uhr:
Wendegesichter. Hier geht es zu einer interaktiven Karte mit Videointerviews, in denen Menschen aus ganz Berlin erzählen, wie sie den 9. November 1989 erlebt haben.

14:01 Uhr:

In der New York Times reflektiert der Philosoph Slavoj Žižek, internationaler Direktor des Birkbeck Institute for the Humanities in London, über die Enttäuschungen vieler Osteuropäer seit dem Kollaps des Sozialismus. Die Mehrheit der Proteste gegen die kommunistischen Regime in Osteuropa "fragten nicht nach Kapitalismus. Sie wollten die Freiheit, ihre Leben außerhalb staatlicher Kontrolle zu leben." Er wirft die Frage auf, ob Demokratie und Kapitalismus unbedingt untrennbar sein müssen und ob diese wirklich die von ihnen versprochene Freiheit bringen.

13:42 Uhr:
Lixin Jiang von der Beijing Daily Media Group hospitiert gerade beim Tagesspiegel und schreibt: "Noch immer existieren viele unsichtbare Mauern: seien sie zwischen Kulturen, zwischen Arm und Reich, zwischen Gefühlen, aber auch solche, die die Bewegungs- und Meinungsfreiheit einschränken. All das Engagement dieser mutigen Menschen bleibt folgenlos und wird ignoriert. Ich wünschte, alle Mauern könnten sichtbar gemacht werden, so kalt wie die Berliner Mauer vor 20 Jahren. Nur, um uns daran zu erinnern und gegen das Vergessen aufzulehnen. Denn ohne es zu merken, werden wir nach und nach von unsichtbaren Mauern eingeschlossen." Klingt da auch eine Kritik an den eigenen, chinesischen, Verhältnissen an? Unter diesem Link haben wir noch mehr Pressestimmen gesammelt.

13:31 Uhr:
Das Wendejubiläum in Berlin in Bildern: Hier geht es zur Fotostrecke des Vormittags:

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Diskussionsstoff. Ein Mann trägt ein Transparent, auf dem er die DDR als "ungeheures Verbrechen gegen die Menschlichkeit" verurteilt. -

© AFP

13:01 Uhr:

Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht vor 500 Wissenschaftlern auf der Konferenz "Falling Walls" im Radialsystem. Sie  erzählt von "ihrem" 9. November 1989. Merkel war damals Physikerin an der Akademie der Wissenschaften. Am Wendeabend sei sie am Übergang Bornholmer Straße gewesen - und "gleich mal rübergegangen". Allerdings habe sie nicht die ganze Nacht am Ku'damm verbracht, sondern sei nur kurz dort gewesen. "Schließlich musste ich am nächsten Morgen in meinem Labor in Adlershof stehen, da sollte mir nicht der Kopf auf den Tisch fallen."

13 Uhr:
An der East Side Gallery wimmelt es von Touristen, Schulklassen, Fernsehteams. Und hier kommen Erinnerungen hoch. Eva-Maria, die ihren Nachnamen nicht sagen mag, ist 1956 aus Thüringen nach West-Berlin geflohen, erzählt sie. In den siebziger Jahren besuchte sie alte Freunde in Ost-Berlin. Auf der Rückreise wurde sie im "Tränenpalast" an der Friedrichstraße festgenommen - in ihrem Gepäck hatte man einen Brief gefunden, der als "Hilferuf" interpretiert wurde. Zehn Monate lang saß Eva-Maria anschließend im Gefängnis in Hohenschönhausen. Zu ihrer sechsjährige Tochter hatte sie während der gesamten Zeit keinen Kontakt.

Lesen Sie weiter über die Stimmung an der Styropor-Mauer, regenbogengefärbte Schlagringe - und sehen sie exklusive Fotos vom Wendeabend!

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In der Gethsemane-Kirche begrüßt Bundespräsident Horst Köhler vor dem ökumenischen Gottesdienst den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch. Am Gottesdienst nahm auch Angela Merkel teil, der ehemalige Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang Huber, hielt die Predigt.

© dpa

12.58 Uhr:

Entlang der Styropor-Mauer könnte Volksfeststimmung herrschen, wenn nur der Niesel nicht allen in die Knochen kriechen würde. Die Aufpasser zwischen den liebevoll gestalteten Mauersegmenten haben die Hände tief in den Hosentaschen vergraben - aber sie sind freundlich. Bereitwillig geben sie Auskunft oder gehen beiseite, um den fotografierenden Touristen nicht im Bild zu stehen. Die farbenfrohen Mauerstücke erleuchten das allumfassende Grau dieses Montags. Der unvermeidliche Bratwurstduft liegt in der Luft, die Lautsprechertürme beschallen die Flaneure mit Radiogedudel und Werbung. So profan kann ein Weltereignis daherkommen.


13 Uhr:

Auch wenn, wie berichtet, die französische Google-Seite mit ihrem Doodle nicht an den Mauerfall erinnert: Der Pariser Star-Chocolatier Patrick Roger hat in dreiwöchiger Arbeit die wohl süßeste Mauer-Rekonstruktion geschaffen, die Frau Merkel je besaß: 900 Kilo Schokolade waren nötig um dieses 15 Meter lange Kunstwerk zu schaffen, das in den letzten Wochen in den Pariser Schaufenstern Rogers zu sehen war. Heute wird das Werk "niedergeschlagen", wie Roger erklärt. Ein Stück wird er Frau Merkel schenken. www.patrickroger.com

12.53 Uhr:
Krause Gedanken in der britischen Buntpresse: In der "Daily Mail" sieht Kolumnistin Melanie Phillips 20 Jahre nach dem Mauerfall wenig Grund zur Freude. Der Eiserne Vorhang sei durch einen „regenbogen-gefärbten Schlagring“ ersetzt worden und „der EU-Superstaat“ sei nichts als das neue „antidemokratische Regime in Europa“. Nach der friedlichen Revolution hätten Feminismus, Anti-Rassismus und Rechte für Homosexuelle Männer, weiße Menschen und Christen zu „Feinden des Anstands“ gemacht, schreibt Phillips. „Als die Berliner Mauer fiel, sagten wir uns, das sei das Ende der Ideologie. Wir hätten nicht weiter daneben sein können.“ Und: „Lenin hätte gelächelt.“

12.39 Uhr: Am 9. November 1989 war er seine Freundin los - und fand einige der bewegendsten Bilder. Lesen Sie hier einen Erlebnisbericht von Tagesspiegel-Fotochef Kai-Uwe Heinrich - und hier ist seine spektakulären historischen Fotoreportage vom Wendetag:


12.24 Uhr:

Ein Blick in die Weltpresse: In der Londoner Times vergleicht Michail Gorbatschow die Berliner Mauer mit dem Klimawechsel. Dieser bedrohe auch „die globale Sicherheit und unsere künftige Existenz schlechthin.“ An die heutigen europäischen Politiker appelliert er: Der Klimawechsel „ist Eure Mauer, Euer entscheidender Moment.“ Und: „Tear down this Wall!“ Er scheint also Merkels US-Rede gut zugehört zu haben.

12.22 Uhr:

Bei den vielen Feierlichkeiten zum Mauerfall-Jubiläum wollen wir an dieser Stelle auch an ein anderes wichtiges Datum erinnern: In der Nacht vom 9. auf den 10.11.1938 begann die systematische Verfolgung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung durch den NS-Staat. Daran erinnert heute zum Beispiel die Schauspielerin Silvia Rieger in einer Lesung in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz (18.30 Uhr). Außerdem veranstaltet die Antifa eine Demo, beginnend am Mahnmal in der Letzowstraße in Moabit um 17 Uhr. Das zentrale Gedenken findet in Oranienburg im Jüdischen Betahaus in der Havelstraße statt (15 Uhr). Anschließend lädt die Jüdische Gemeinde Oranienburg zu einer Andacht auf dem Jüdischen Friedhof in der Kremmener Straße. 

12.09 Uhr: "Tut man das, als Westdeutscher deutlich darauf hinweisen, was mit den Steuermilliarden alles geleistet wurde?" Das fragen die Journalistinnen Ursula Weidenfeld und Margaret Heckel auf ihrem Blog das-tut-man-nicht.de. Der neue Innenminister Thomas de Maizière sagt: Das kann man tun. Warum? Das steht hier.

12.00 Uhr:
Das deutsch-deutsche Freiheitsmuseum an der Glienicker Brücke öffnet erstmals seine Türen. Zur feierlichen Eröffnung am Sonntagabend waren neben Bundeskanzlerin Angela Merkel unter anderem auch Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow, der frühere südafrikanische Präsident Willem de Klerk und Ex-US-Außenminister Henry Kissinger in die sanierte Villa Schöningen gekommen. Kissinger hatte sich beim "Hausherrn", Springer-Vorstand und Wahlpotsdamer Mathias Döpfner, für sein Engagement bedankt.

11.30 Uhr:

Andächtige Stimmung bei der Einweihung eines neuen Dokumentationszentrums in der Bernauer Straße. Kerzen werden entzündet, unter den Ersten sind der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und sein Amtsvorgänger von 1989, Walter Momper. Der trägt einen roten Schal, wie bei seiner Ansprache vor dem Rathaus Schöneberg am Wendeabend. "Ist dies der Schal?" fragt Tagesspiegel-Reporter Robert Ide. "Nein", antwortet Momper, "ich habe einen ziemlich hohen Verbrauch." Zwei bis drei Dutzend rote Schals habe er im Schrank. "Und der Urschal?" Den gebe es auch noch. Er sei allerdings ziemlich verschlissen.

11.28 Uhr: S-Bahnhof Bornholmer Straße. Eine Gruppe Jungs, 15, 16 Jahre alt, unterhält sich über den Mauerfall. Hier war der Grenzübergang, ruft einer. Die anderen diskutieren, ob die Häuser auf DDR-Seite Fenster zur Mauer hin hatten. Sollten die in dunklen Wohnungen hausen? Nee, aber durften die da rüber gucken? 

11.19 Uhr: In einer 13. Klasse der Carl-von-Ossietzky-Schule debattieren 15 Schüler über den Mauerfall - schon etwas müde von der Klausur im Mathe-LK am Morgen. Als plastisches Beispiel hat der Lehrer Hertha gewählt. Die Schüler lesen Briefe von Fans aus dem Osten der Stadt aus den sechziger Jahren. Wie ist es, von einer Mauer am Stadionbesuch gehindert zu werden? Die Diskussion weitet das Thema aus, wird lebhafter. Eine junge Frau mit blauen Haaren erinnert an die vielen getrennten Familien. Viele erzählen Geschichten von ihren Eltern - die Schüler sind alle nach dem Mauerfall geboren. Auch die Vorurteile zwischen Ost- und Westdeutschen sind ein Thema. Die Diskussion verläuft kontrovers, aber die Schüler haben sehr viel Fachwissen. Das Klingeln unterbricht eine Debatte in voller Fahrt.

11.05 Uhr: In die Kapelle der Versöhnung an der Bernauer Straße dürfen zur Andacht zum 20. Jahrestag des Mauerfalls nur geladene Gäste, die Gebete werden aber auch ins Außengelände übertragen. Rund 100 Leute haben sich bereits davor versammelt, darunter Touristen, aber auch viele Berliner. Die Stimmung ist feierlich. In Kürze werden in Erinnerung an den Herbst 1989 Kerzen von den Gästen entzündet.

11.02 Uhr:
Im Radialsystem sind Wissenschaftler und Gäste aus 50 Ländern zusammengekommen, um sich darüber auszutauschen, welche Mauern in der Wissenschaft im 21. Jahrhundert eingerissen werden könnten. Unter den Vortragenden sind Naturwissenschaftler ebenso wie Geisteswissenschaftler. Bei der Eröffnung sagte Sebastian Turner, Geschäftsführer der Einstein-Stiftung, es sei ein "Tag des Verstehens und der Hoffnung." Er erinnerte daran, dass das Radialsystem gegenüber dem Ostbahnhof, zu DDR-Zeiten im militärischen Sperrbezirk lag. Dies sei ein gutes Beispiel für die Transformation der Stadt seit der Wende.

11:00 Uhr: Der Bus M27 in Richtung Jungfernheide fährt nur noch sehr eingeschränkt, wegen Bauarbeiten. Eine ältere Dame regt sich auf, es sei unfassbar, diese Zustände. Und das ausgerechnet am Jahrestag des Mauerfalls. "Ist ja fast genauso schlimm wie in der DDR. Schlimm ist das..." Sie schüttelt den Kopf und geht zu Fuß weiter.

10.44 Uhr: Der Gottesdienst in der Gethsemanekirche ist zu Ende gegangen. Während der Feier wurden Fürbitten für die Opfer der Mauer und der Diktatur vorgetragen. Der Gottesdienst, der wie immer trotz der prominenten Gäste öffentlich war, war sehr gut besucht. Der Berliner Bischof Wolfgang Huber erinnerte an die „Macht der Kerzen und Gebete“. Heute sei es die Aufgabe der Gesellschaft, in der Freiheit zu bestehen. Man dürfe Arbeitslosigkeit und Rechtsradikalismus nicht hinnehmen. Auch der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz erinnerte an die Leistung der Menschen in Ostdeutschland und an die Probleme des Zusammenwachsens der beiden Teile Deutschlands: "Es kam auch zusammen, was nicht sofort zusammen passte."

10.43 Uhr: Google.de feiert den Mauerfall mit einem passenden Bild auf der Homepage. Die französischen und britischen Seiten hingegen zelebrieren das andere Weltereignis von heute: 40 Jahre Sesamstraße. Das amerikanische Google kommt gänzlich neutral daher.

10.12 Uhr:
Die Schüler in der Carl-von-Ossietzky-Schule in Pankow debattieren über die Bedeutung des 9. November. 1988 gab es in der Schule eine "Speaker's Corner". Doch Schülern, die die Gelegenheit nutzten, frei ihre Meinung zu sagen, wurde sie zum Verhängnis. Philipp Lengsfeld zum Beispiel, der heute für die CDU in Pankow aktiv ist. Er wurde von der Schule ausgeschlossen und wanderte nach England aus. Am 9. November stieg er zurück in den Zug nach Deutschland. An der Carl-von-Ossietzky-Schule holte er sein Abitur nach. Heute geht dort seine Tochter zur Schule. Es klingelt, unsere Reporterin wechselt jetzt in eine dreizehnte Klasse.

9.50 Uhr: Zurück in der Gethsemanekirche: Vorne geht's staatsmännisch zu mit Merkel und Köhler, hinten prenzlauerbergig - in der letzten Reihe sitzen Mütter mit Kindern. Eine hat eine Großpackung Windeln dabei.

9.25 Uhr:
Zweite Stunde Geschichte in einer siebten Klasse im Carl-von-Ossietzky-Gymnasium in Pankow. Der Lehrer fragt die Schüler, was sie über den Mauerfall wissen. Einer erzählt, wie sein Vater verwundert eine Horde Trabis sah, die von der anderen Seite der Mauer herübergefahren kamen. Andere berichten die Geschichten ihrer Eltern von plötzlich leeren Hörsälen und Kinos. Das Gymnasium hat seine eigenen Wendegeschichten. Vier Schüler wurden 1988 ausgeschlossen, weil sie sich für Veränderungen in der DDR eingesetzt hatten. Dazu liest die Klasse einen Text. Beliebt war die Schule auch bei Parteiführern und Intellektuellen.

9.15 Uhr:

An der Gethsemanekirche in Prenzlauer Berg ist alles für den ökumenischen Gottesdienst mit Politprominenz vorbereitet. Auch die Kanzlerin hat sich angesagt. An der Kirche hängt - wie schon vor 20 Jahren - das Plakat mit dem Sinnspruch "Wachet und betet". Die Kirche, zu DDR-Zeiten ein wichtiger Versammlungsort für die friedlichen Revolutionäre, ist wie damals mit Kerzen erleuchtet. Anders als damals stehen in den Fenstern im Kiez drumherum keine Kerzen mehr. Kirchenbesucher müssen durch Sicherheitsschleusen wie am Flughafen. Autos der Anwohner wurden abgeschleppt, um unter anderem für Übertragungswagen der Sender Platz zu machen.Gegenüber dem Gotteshaus hängt ein Plakat: "Wir sind ein Volk - und ihr ein anderes. Ostberlin 9. November 2009".

8.55 Uhr:
Apropos Zeitzeugen: Tagesspiegel-Leser, Tagesspiegel-Autoren und Prominente wie Paul van Dyk, Johannes B. Kerner und Guido Knopp erzählen auf unserer Sonderseite "Mein Jahr 89" ihr ganz persönliches Mauerfall-Erlebnis. Bitte klicken Sie hier.

8.45 Uhr: Am Moritzplatz: Der M29 ist voller als zu besten Love-Parade-Zeiten. Die Fahrgäste drängeln sich sogar im Gang des Oberdecks und klammern sich an den Treppengeländern fest. Auch die U- und S-Bahnen platzen aus allen Nähten. Dennoch: keine schlechte Laune, nirgends. Nicht an diesem Tag.

8.25 Uhr:
Ein Staatsgast hat sich jetzt auch als Zeitzeuge geoutet. Frankreichs Präsident Nicholas Sarkozy feiert heute mit in Berlin - und war vor 20 Jahren schon hier - um als Mauerspecht "einige Pickelhiebe abzugeben", wie er stolz auf seiner Facebook-Seite verkündet. Ob er diese tatsächlich bereits am Abend des 9.11. tätigte, da ist er sich auf Nachfrage plötzlich nicht mehr ganz sicher. Im Bild wirkt der damals 34-Jährige jedenfalls eher wie ein Mauerrestaurateur als ein Mauerzerstörer. Dazu schreibt er heute blumige Sätze wie: "Es ist genau diese Freiheit, für die wir uns mit Europa einsetzen und die wir nun, 20 Jahre später, feiern."

8 Uhr: Guten Morgen. Unser Blog legt jetzt los. Wir begleiten Sie durch den Tag und den Abend. Zunächst - wenig historisch - zum Wetter: Für die vielen Veranstaltungen unter freiem Himmel brauchen Sie wetterfeste Kleidung. Besonders in der ersten Tageshälfte ist der Himmel wolkenverhangen, zeitweise regnet es, mitunter auch ergiebig. Später nehmen die Regenfälle zwar ab, die Sonne wird sich aber nur äußerst selten zeigen. Die Temperaturen erreichen 8 Grad. Bei uns sind Sie wind- und wettergeschützt - und bekommen trotzdem alles mit. Hier eine Übersicht über die Veranstaltungen in Berlin. Bitte alarmieren Sie uns, wenn wir was vergessen haben. Nutzen Sie dafür und für alle anderen Anregungen, für Kritik, gern auch Lob die Kommentarfunktion weiter unten auf der Seite.

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