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Berlin: Maul- und Klauenseuche: Steakhaus-Betreibern vergeht jetzt der Appetit

Ahmed Omeirat steht kurz vor der Pleite. Die Globalisierung ist schuld, genauer: der erste Fall von Maul- und Klauenseuche (MKS) in Argentinien.

Ahmed Omeirat steht kurz vor der Pleite. Die Globalisierung ist schuld, genauer: der erste Fall von Maul- und Klauenseuche (MKS) in Argentinien. Omeirat betreibt zwei argentinische Steakhäuser in Reinickendorf. "Seit der BSE-Sache haben wir schon 60 Prozent weniger Kunden", sagt der Gastwirt. Erst seit ein, zwei Wochen kommen wieder mehr Gäste. Doch der nächste Schlag in die Kasse ließ nicht lange auf sich warten. Argentinisches Fleisch galt bisher als garantiert seuchenfrei und weit weg von Ansteckungsherden.

Ein Irrtum: Die Maul- und Klauen-Seuche ist eine weltweite Gefahr. Türkei, Naher Osten, Afrika, Asien und Südamerika sind ebenso betroffen wie Europa und nun eben auch die argentinischen Steakhäuser in Berlin. "Eine Katastrophe", sagt Omeirat, der schon zwei Monate mit der Miete im Verzug ist, "jetzt können wir zumachen."

Mit seinen Sorgen steht der Restaurantbetreiber nicht alleine. Im argentinischen Steakhaus "Parilla" in Prenzlauer Berg ist man ratlos. "Mit Steaks können wir jedenfalls nicht weitermachen", sagt dessen Inhaber Frank Grabowski, der das Lokal erst vor zweieinhalb Jahren eröffnet hat. Obwohl argentinisches Fleisch vom Rinderwahn nicht betroffen war, blieben auch ihm infolge dieser Seuche die Hälfte der Gäste weg. Er bot mehr Fisch und Geflügel an, redete sich den Mund fusselig, um die Kunden von der Qualität argentinischer Rinder zu überzeugen, und glaubte gerade, aufatmen zu können - und nun das. "Die Maul- und Klauen-Seuche in Argentinien entzieht uns die Geschäftsgrundlage", fürchtet Grabowski.

Hintergrund: Chronologie: Der jüngste Ausbruch der Seuche in Europa

Wegen des von der EU verhängten Importstopps für argentinisches Fleisch wird das Produkt knapp. Argentinien ist mit 50 Millionen Rindern und zwei Millionen Tonnen produziertem Fleisch jährlich der weltgrößte Fleischproduzent. Die per Schiff nach Hamburg oder Rotterdam gelangten Fleischwaren dürfen nun nicht ausgeliefert werden. "Wir kriegen nichts mehr", sagt Werner Möbis, Verkaufsleiter des Berliner Fleischgroßhandels Michalski, "die Lagerbestände reichen etwa noch eine Woche." Wie es danach weitergehen soll, weiß er nicht: "Es kommt ein Schlag nach dem andern."

Rund 20 argentinische Steakhäuser gibt es in der Stadt, davon werden die meisten von den Ketten "Maredo" und "Block House" betrieben. "Durch BSE hatten wir Einbrüche bis zu 20 Prozent", sagt derMaredo-Geschäftsführer Uwe Büscher. Sein Unternehmen importiert 4000 Tonnen Rindfleisch jährlich aus Argentinien, davon 1200 Tonnen für die 65 Steakhäuser in Deutschland. "Wir machen jetzt noch keinen Desaster-Plan", meint Büscher. Vielmehr will man abwarten und versuchen, sich den Markt in Uruguay zu sichern. Außerdem reichen die eigenen Bestände noch vier bis sechs Wochen aus, weil die Firma mit ihrem hauseigenen Importeur "Maredo Trans Meat" nicht auf Großmärkte angewiesen ist.

Aber wenn es so weitergeht, wird bald niemand mehr Fleisch essen, meint Büscher, egal, wo es herkommt. "Und dann sitzen 2000 Mitarbeiter auf der Straße." Bei Michalski in Berlin wird derweil das Geflügel knapp - und teuer. Aber für Verkaufsleiter Möbis ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch bei Hähnchen und Puten ein neuer Skandal den Appetit und das Geschäft verdirbt "Diese Geschichte könnte das Ende der industrialisierten Landwirtschaft sein", orakelt Möbis, "man muss von vorne anfangen."

Katharina Körting

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