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Berlin: Medizin für Illegale

Malteser helfen Ausländern ohne Versicherung

Im Wartezimmer sitzt ein Paar mit einem vielleicht drei Jahre alten Jungen. Der Kleine spielt mit einem Buggy, die Frau blättert in einer Zeitschrift. Eine ganz normale Szene. Doch eigentlich existieren die drei gar nicht, zumindest nicht für die deutschen Behörden. Der Junge und seine Eltern leben illegal in Deutschland. Sie haben keine Aufenthaltsgenehmigung und keine Krankenversicherung.

Die Malteser Migranten Medizin ist seit fünf Jahren die einzige Anlaufstelle für Ausländer ohne Versicherung in Berlin. Adelheid Franz, die leitende Ärztin, ist eine kleine, energische Frau in mittleren Jahren. Für sie ist es eine Frage der Menschlichkeit, jedem Menschen unabhängig von Herkunft und Papieren medizinische Hilfe zu gewähren. Nach dem deutschen Ausländergesetz kann sie mit Haft bestraft werden, wenn sie illegale Einwanderer unterstützt. Medizinische Hilfe im Notfall jedoch ist erlaubt. Die Arbeit der Malteser Migranten Medizin bewegt sich daher in einer rechtlichen Grauzone. Adelheid Franz aber sieht es als ihre Pflicht an, zu helfen, ohne dass ihre Patienten Angst vor der Ausweisung haben müssen.

An drei Tagen in der Woche bietet die Ärztin Menschen ohne Krankenversicherung anonyme Beratung und Behandlung an, gegebenenfalls vermittelt sie an Ärzte oder Krankenhäuser weiter. Mehr als die Hälfte der Patienten, die in das kleine Behandlungszimmer im Seitenflügel eines katholischen Krankenhauses kommen, ist nicht einmal 30 Jahre alt. In den meisten Fällen ist ihre Erkrankung so weit fortgeschritten, dass Behandlung unumgänglich ist. Mit Zahnerkrankungen, Augen- und Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten oder Erkältungen kommen die Patienten erst, wenn das Gebiss kaum mehr gebrauchsfähig ist, die Augen halb erblindet sind oder die Erkältung zur Lungenentzündung wurde. Auch Flüchtlinge mit Folterverletzungen sind keine Seltenheit, berichtet die Ärztin. Selbst dann stellt sie keine Nachforschungen über ihre Patienten an. Die Akten tragen Fantasienamen, um jede Verfolgung auszuschließen.

Seit der Gründung im Februar 2001 hat sich die Zahl der Patienten der Malteser Migranten Medizin von 215 auf über 2000 pro Jahr verzehnfacht. Allein im letzten Jahr wurden 121 Kinder mit Unterstützung der Ärztin geboren, darunter der kleine Junge im Wartezimmer. Eine Tafel mit Fotos der kleinen Patienten hängt hinter dem Schreibtisch im Behandlungszimmer: sichtbare Erfolge ihrer Arbeit.

Doch das Geld für Medikamente, Krankenhausaufenthalte und Babyerstausstattung ist weiterhin knapp. Spenden und ein Netz von mithelfenden Ärzten, Krankenhäusern, Apotheken, Optikern und weiteren Beratungsstellen ermöglichen es Adelheid Franz, ihren Patienten zu helfen. Diese bezahlen einen Anteil je nach ihren finanziellen Möglichkeiten. „Bisher mussten wir noch niemanden unbehandelt nach Hause gehen lassen“, berichtet die Medizinerin. „Doch wenn die Zahl unserer Patienten weiterhin so stark steigt wie bisher, wird es immer schwieriger.“

Weitere Informationen unter: www.malteser-berlin.de/content/ehrenamt/mmm/mmm.php

Martina Göttsching

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