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Berlin: Mediziner und Kassen warnen: Praxisgebühr vertreibt die Patienten 150 Millionen Euro Mehrbelastung für kranke Berliner Versicherte sollen künftig auch ihre Brillen selbst zahlen

Eintrittsgebühr beim Arzt und Null Zuzahlung für die Brille – zwei Beispiele dafür, wie die Patienten tiefer in die Tasche greifen sollen, damit die Krankenkassenbeiträge sinken. Diese zwei von mehreren Vorschlägen der Rürup-Kommission und der Gesundheitsministerin stoßen bei Berliner Ärzten, Krankenkassen und Patientenvertretern auf einhellige Ablehnung.

Eintrittsgebühr beim Arzt und Null Zuzahlung für die Brille – zwei Beispiele dafür, wie die Patienten tiefer in die Tasche greifen sollen, damit die Krankenkassenbeiträge sinken. Diese zwei von mehreren Vorschlägen der Rürup-Kommission und der Gesundheitsministerin stoßen bei Berliner Ärzten, Krankenkassen und Patientenvertretern auf einhellige Ablehnung.

Bei jedem Besuch eines Arztes sollen 15 Euro Eintrittsgeld fällig sein, schlägt die Rürup-Kommission vor, außer bei Unfallopfern, chronisch Kranken und für Vorsorgeuntersuchungen. Patientenvertreter lehnen die Gebühr ab: „Die Politik will den mündigen Patienten“, sagt Hans-Jürgen Leutloff, stellvertretender Vorsitzender des Sozialverbandes Deutschlands. Und dazu gehöre auch, dass sich der Kranke im Zweifelsfalle die Meinung auch eines zweiten oder dritten Arztes einholt. „Wenn er jedesmal zahlen muss, wird er dies aber nicht tun“, sagt Leutloff.

Auch Krankenkassen äußern Kritik. Die Gebühr laufe den Bemühungen der Kassen zuwider, die Prävention zu stärken, sagt ein Kassenmanager. Dadurch bestehe die Gefahr, dass Krankheiten verschleppt würden und die Folgekosten den Spareffekt zunichte machen. So sieht es auch Manfred Richter-Reichhelm, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung. Angelika Prehn, Hausärztin in Friedrichshain, fürchtet, dass ärmere Kranke auf den Besuch beim Doktor verzichten. „In meinem Bezirk können sich viele ein Arzteintrittsgeld nicht leisten.“ Ein Drittel ihrer Patienten werde dann nicht mehr kommen. Die Berliner Kassenärztliche Vereinigung hat ausgerechnet, dass die Berliner durch diese Gebühren jährlich mit 150 Millionen Euro belastet würden.

Mehr zahlen sollen auch die Sehschwachen. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) schlug vor, dass die Krankenkassen nichts mehr für eine Brille zuzahlen. Noch hat jeder, dessen Sehkraft nachlässt, Anspruch auf eine Sehhilfe – und wenn er mit dem medizinisch Notwendigen zufrieden ist, sogar ohne Eigenbeteiligung. Die Kassen zahlen den Optikern Festbeträge für Brillengläser, jede Sonderleistung geht zu Lasten des Patienten. Manche Optiker finanzieren mit den Festpreisen das Brillengestell gleich mit.

Allein die Barmer Ersatzkasse gibt für ihre rund 300 000 Berliner Versicherten jährlich einen einstelligen Millionenbetrag für Sehhilfen aus. Doch die Ausgaben seien rückläufig, sagt Angelika Schumann, Marketingleiterin der Barmer in Berlin. Sie hält nichts von der Idee der Gesundheitsministerin. „Es bringt für die Kassen gar nichts, einfach nur Leistungen zu streichen.“ Es gehe viel mehr darum, die Einnahmen der Kassen zu verbessern, zum Beispiel durch mehr Beitragszahler.

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