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Berlin: Mehr als Entertainment - Das Sony-Center wird Berlins Filmhaus

"Multiplektisch, imaximal, Megatainment": So angestrengt neologistisch schreit es einem zur Zeit von der Fassade des Sony-Centers entgegen - unmittelbar neben einer ebenso riesig wie bunt ausgefallenen Spinne unter dem gewaltigen Torbogen, die die einen, wie sollte es auch anders sein, süß finden, andere durchaus nicht arachnophobe Zeitgenossen dagegen schlichtweg scheußlich. Logisch, das Sony-Center rührt die Trommel, mit Getöse, auch visuell.

"Multiplektisch, imaximal, Megatainment": So angestrengt neologistisch schreit es einem zur Zeit von der Fassade des Sony-Centers entgegen - unmittelbar neben einer ebenso riesig wie bunt ausgefallenen Spinne unter dem gewaltigen Torbogen, die die einen, wie sollte es auch anders sein, süß finden, andere durchaus nicht arachnophobe Zeitgenossen dagegen schlichtweg scheußlich. Logisch, das Sony-Center rührt die Trommel, mit Getöse, auch visuell. Soll sein. Dient auch einem guten Zweck. Lockt Leute unter ein Dach, so schön, dass sogar Berufs-Beduinen darunter vor Begeisterung glatt ohnmächtig werden mögen.

Bald aber ist Alltag im neuen Megamaximultiplex - und der arg kakophonisch geratenen Musicbox gleich daneben. Dann wird auf der Fassade ein neues Wort, in großen roten Buchstaben, neugierig machen: "Filmhaus". Es kündet von einem Projekt, das in Europa seinesgleichen sucht: der Vereinigung vieler kultureller Institutionen unter einem Dach, die sich - ganz in der Nachbarschaft der lärmenden, unverzichtbaren Popcorn-Gegenwart des Kinos - der Vergangenheit und der Zukunft dieses ebenso historischen wie hochvitalen Kultur-Massenmediums verschrieben haben. Und mit ihnen zieht etwas ein, das nebenan am Kulturforum - weil dort monopolistisch - nur beschränkt funktioniert, hier aber, im luxuriösen Gehege des Weltkonzerns Sony, als Mischnutzung zünden könnte. Kultur jenseits von Kommerz, Konsum und Entertainment - und doch: das Alte mitten im Neuen, das Museum mitten im Heute.

Die Idee eines Filmhauses am Potsdamer Platz ist Jahrzehnte alt, und ihre Verwirklichung hat sich bis zuletzt hingezogen. Doch nun sieht es so aus, als käme noch alles im Jahr 2000 unter Dach und Fach. Als erste werden die Freunde der Deutschen Kinemathek einziehen, stadt- und weltbekannt als "Arsenal"-Gründer und, seit 1971, Betreiber des Internationalen Forums der Berlinale. Sie wollen Anfang Juni ihre neuen "Arsenal"-Kinos im Untergeschoss des Komplexes beziehen, eines etwas größer, eines etwas kleiner als ihr Stammhaus an der Schöneberger Welserstraße (das Ende Februar dichtgemacht wird). Voraussichtlich im Spätsommer eröffnet im 2. und 3. Stock das "Filmmuseum Berlin": Diesen Namen trägt künftig auch die Betreiberin Stiftung Deutsche Kinemathek. Hier soll ein Überblick über die Filmgeschichte gegeben werden und die vielumraunte Marlene-Dietrich-Collection endlich eine Heimstatt finden.

Frühestens im August geht der Umzug der Deutschen Film- und Fernsehakademie (dffb), zur Zeit noch an der Heerstraße unter einem Dach mit der Kinemathek-Stiftung, über die Bühne. Im Oktober sollen die 100 Filmstudenten in die oberen Stockwerke einziehen und bald - zusätzlich zum eigenen 65-Plätze-Kino - in den künftigen "Arsenalen" Werke der Filmgeschichte genießen können. Eine enge Zusammenarbeit mit den "Arsenal"-Machern ist geplant, auch von gemeinsamen Filmreihen ist schon die Rede. Als letzte kommt die oft schon totgesagte Deutsche Mediathek, im 3. und 4. Stock des Filmhauses, hinzu. Betrieben von der Firma Vivendi, vom Senat, von öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern, wird man in diesem modernen Rundfunk- und Fernsehmuseum zwar nicht alte Grammophone und erste Fernsehtruhen besichtigen können, wohl aber Sendungen. Wie es heißt, sind aus allen Jahren der Mediengeschichte jeweils 1000 repräsentative Sendestunden archiviert und künftig für Nutzer zugänglich. Bei diesem Projekt müssen, so heißt es, nur noch letzte Hindernisse - die Privatsender fühlen sich im Gemeinschaftsvorhaben finanziell zu stark herangezogen - aus dem Weg geräumt werden.

Auf den ersten Paukenschlag für diese diachron und synchron modellhafte Vernetzung audiovisueller Kultur, von der sich alle Beteiligten beträchtliche - ja, lassen wir das Wort einmal stehen - Synergie-Effekte versprechen, müssen die Neugierigen freilich nicht bis zum Sommer warten, wenn auch Sony seine grand opening genannte Eröffnung des Gesamtkomplexes feiert. Dieser erste Paukenschlag ist die Berlinale: Das Festival, eines der drei großen der Welt und das alljährlich größte internationale Berliner Kulturereignis, präsentiert sich massiv auf der Daimler-City-Seite und in der neuen, kühlen, imponierend eleganten Sony-Welt. Es fühlt sich zu Hause in der Daimler-Architektur des fast schon schwäbisch-gemütlich anmutenden 20. Jahrhunderts, das das erste Jahrhundert des Kinos war; und spaziert lässig hinüber in das nächste, das 21., das ihm ebenso selbstverständlich gehören wird.

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