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Mehr Andrang: Schweinegrippe: Impfinteresse nimmt zu

Das Interesse an der Impfung gegen die Schweinegrippe steigt - der Präsident der Berliner Ärztekammer warnt vor Hysterie. Die Zahl der Schweinegrippen-Infektionen in Berlin hat sich seit Sonnabend um 50 Fälle auf 973 erhöht.

„Der Andrang ist plötzlich enorm“, sagt die Gesundheitsstadträtin von Tempelhof-Schöneberg, Sybill Klotz (Grüne). „Wir könnten von früh bis spät auf zwei Leitungen Ratschläge geben“, heißt es im Gesundheitsamt Steglitz-Zehlendorf: Seit Montag hat das Interesse der Berliner an der Frage, ob sie sich und ihre Familie gegen Schweinegrippe impfen lassen sollen, rapide zugenommen. Die jüngsten Nachrichten aus der Ukraine und die Warnung des Berliner Robert-Koch-Institutes vor einer zweiten herannahenden Infektionswelle haben offenbar viele Menschen alarmiert. Laut Gesundheitsverwaltung wollen sich dennoch weiterhin nur „einige hundert“ Arztpraxen an einer breiten Impfaktion beteiligen. Aus Sicht von Fachleuten reicht dies für die gesamte Stadt bei weitem nicht aus. Die Zahl der Schweinegrippe-Infektionen in Berlin hat sich seit Sonnabend um 50 Fälle auf 973 erhöht.

Wie berichtet, müssten rund 2000 Praxen die Impfaktion unterstützen, um die Bevölkerung zeitnah und ohne allzu lange Wartezeiten zu immunisieren. Darin stimmen die Kassenärztliche Vereinigung (KV), Ärztekammer und Gesundheitsbehörde überein. Bis Dienstag erklärten aber nur etwa 300 von 2000 angeschriebenen Medizinern ihre Bereitschaft, die Spritze mit dem Wirkstoff Pandemrix aufzuziehen – und sandten dem Senat entsprechende Verträge zu. Für Gesundheitsstadträtin Sybill Klotz ist dieser geringe Rücklauf „ein Armutszeugnis“.

Ärztevertreter weisen den Vorwurf der Verantwortungslosigkeit zurück. „Wenn es tatsächlich notwendig erscheint, werden alle Kollegen sofort einsatzbereit sein“, sagt der Präsident der Berliner Ärztekammer, Günther Jonitz. Zur Zeit sei dies aber nicht der Fall. Es gebe keinen Grund für Massenimpfungen. Wer dies fordere, schüre „Hysterie“. Die Schweinegrippe sei „derzeit weniger gefährlich als die klassische Influenza“. Nur Risikogruppen und chronisch Kranken rät er, sich bald impfen lassen. Ansonsten meint Jonitz, „sollten wir die weitere Entwicklung erst einmal abwarten“. Man müsse dabei „die Risiken des wegen möglicher Nebenwirkungen umstrittenen Impfstoffes mit den Risiken der neuen Grippe abwägen“.

Weder die KV noch die Ärztekammer oder der Hausärzte-Verband planen derzeit Initiativen, um mehr Mediziner zur Teilnahme an der Impfaktion zu bewegen. KV-Chefin Angelika Prehn nennt als Grund für die Zurückhaltung Vorbehalten gegenüber dem Impfstoff. Außerdem fürchteten viele Ärzte den „hohen logistischen Aufwand“. Der Impfstoff werde nur in Zehner-Portionen geliefert und sei nur 24 Stunden haltbar. Um Ausschuss zu vermeiden, müsse man eine Impfsprechstunde einrichten. Zusätzlich forderten die Behörden eine ausführliche Dokumentation. Prehn: „Ohnehin ausgelastete Praxen scheuen diesen Mehraufwand, zumal die angebotenen 5,50 Euro für die erste Spritze kaum kostendeckend sind.“

Bei der Impfaktion sollen ab nächster Woche erst einmal chronisch Kranke in Praxen immunisiert werden. Danach sollen ab Mitte November alle interessierten Berliner die Möglichkeit zur Impfung erhalten.

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