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In Sachen Tempelhofer Feld hat sich der Bürger beteiligt. Die Bürgerbeteiligung soll jetzt systematisiert werden.

© Kai-Uwe Heinrich

Bürgerbeteiligung in Berlin: Online-Plattform für Mitbestimmung soll im August starten

Trauma Tempelhofer Feld: Der Senat hat aus Misserfolgen bei Volksentscheiden gelernt und arbeitet an einer zentralen Internetseite für Bürgerbeteiligung. Die zentrale Plattform soll bereits im August online gehen.

Still und heimlich, fast schon verschämt, will sich der Senat an die Spitze der digitalen Revolution stellen – und Ernst machen mit Transparenz und Beteiligung der Bürger. Aktivisten, bekümmerte Anwohner oder einfach nur Neugierige sollen auf einen Blick auf einer neuen Plattform im Internet alles erfahren über beabsichtigte und geplante Bau- und Entwicklungsprojekte des Landes und der Bezirke. Fast drei Jahre hat es gedauert – aber plötzlich soll es nun doch schnell gehen: noch in diesem Monat soll die Plattform starten und im Netz unter Mein.Berlin.de zu finden sein.

"Meilenstein für Bürgerbeteiligung in Berlin"

„Wenn es so kommt, wird das ein echter Meilenstein für Bürgerbeteiligung in Berlin“, sagt der stellvertretende Chef der CDU-Fraktion Stefan Evers. Er hatte vor drei Jahren die Initiative ergriffen: Ein „gemeinsames Internetangebot der Hauptverwaltung und der Bezirke, über das die allgemein zugänglichen Informationen zu laufenden Planungsverfahren von öffentlichem Interesse abrufbar sein sollen, online Stellungnahmen eingereicht werden sowie Meinungsbilder erstellt werden können“. Der Senat nahm den Antrag einige Monate später an. Jetzt endlich soll die Plattform kommen und könnte neben Bauprojekte auch Debatten wie den „Bello-Dialog“ abbilden.

Höchste Zeit ist es, denn bisher sind die Informationen über streitbare Stadt-Themen nur schwer zu finden. Die Beteiligung der Bürger zur Entwicklung der Mitte („Neue Mitte - alte Liebe“) hat eine eigene Website. Wer dagegen seine Meinung zur Gestaltung des Alexanderplatzes kund tun will, muss in die Tiefen des Internetauftritts der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einsteigen. Wer wiederum wissen will, was in der Baulücke mit dem improvisierten Abenteuerspielplatz in seinem Kiez passiert, wird im besten Fall auf der Webseite des Bezirks fündig. Aber wo man auch hinschaut, die beabsichtigten Eingriffe sind oft im Kauderwelsch von Planern und Architekten verfasst – und für den einfachen Bürger schwer zu verstehen.

Heidelberg legt die Messlatte

Dass es auch anders geht, weiß Oliver Wiedmann vom Verein Mehr Demokratie. „Die Stadt Heidelberg hat eine Website aufgebaut, auf der die Bürger nur die Postleitzahl ihres Wohnortes eingeben müssen, um alle wichtigen Beteiligungsverfahren zu erfahren“. Die Seite sei anschaulich aufbereitet und Informationen allgemeinverständlich wiedergegeben.

Wie aber wird die neue große Beteiligungs-Plattform für Bürger aussehen? Aus einer bisher nicht veröffentlichten Anfrage im Abgeordnetenhaus geht hervor, dass die Website für die Beteiligung an der künftigen Gestaltung der Tempelhofer Freiheit als Muster dient. Diese wurde eingerichtet, nachdem der Volksentscheid die Pläne des damaligen Bausenators Michael Müller für eine Bebauung der Freifläche gekippt hatte. Die Seite ist übersichtlich gestaltet und schlüsselt die Beteiligung in Themen auf: Freizeit, Natur, Bewirtschaftung und ähnliches. Bereits eingebrachte Vorschläge können dort nachgelesen – und unterstützt werden.

Außerdem erwähnt der Senat die Website „Kiezkasse“ von Treptow-Köpenick, auf der Vorschläge zur Verwendung von Geldern Online eingereicht werden können. Auch hier sind die Vorschläge in einer Liste aufgeführt, können kommentiert und unterstützt werden.

Eine erste Beteiligung der Öffentlichkeit soll über Mein.Berlin „voraussichtlich im September“ erfolgen und dies zu einem „Bebauungsplanverfahren“, heißt es in der Anfrage. Um welches Grundstück es sich handelt, sagt der Senat nicht. Dafür verraten die Online-Macher wie sich die Bürger künftig einmischen können: Vorschläge, Kommentare und Diskussionen sollen möglich werden, die Bürger können Änderungsvorschläge einbringen und die Lage einzelner Vorhaben soll auf Karten herausgehoben werden. Außerdem soll jedes Beteiligungsforum für ein Projekt nicht nur auf der neuen zentralen Plattforum zu finden sein, sondern auch in dem jeweils fachlich zuständigen Bereich: Also im Bezirk oder der jeweiligen Senatsverwaltung.

Eine offene Plattform ist geplant

Private Projekte bezieht der Senat zunächst nicht ein, jedenfalls so lange nicht öffentliche Interessen davon betroffen sind. Um eine möglichst gute Vernetzung sicher zu stellen, wählte die Verwaltung jedoch die „open Source Software Adhocracy“, so dass eine Weiterentwicklung gewährleistet ist und ein breiter Zugriff.

Das größte Versprechen der Verwaltung aber lautet: „Die Plattform soll zukünftig alle Beteiligungsverfahren der Berliner Verwaltung umfassen und ist für alle Bereiche und Fragestellungen der Berliner Verwaltung einsetzbar – von Bürgerhaushalten und Kiezkassen bis zur Meinungsbildung bei zentralen politischen Themen“. Mehr Transparenz geht nicht – jedenfalls in der Theorie.

Erfolgreich sind Volksentscheide, die auf einen Wahltermin fallen

In der Praxis beharkten sich Senat und Initiatoren von Volksentscheiden schon noch gerne. Zwar hat das Land – sogar nach Einschätzung von Mehr Demokratie – seit der Verfassungsänderung aus dem Jahr 2006 eines der bundesweit besten Beteiligungsverfahren. Verbesserungsbedarf gebe es allerdings noch, etwa bei der Entscheidung über die Terminierung von Wahltagen zu den vorgeschlagenen Gesetzen. „Der Volksentscheid zu Tempelhof war nur erfolgreich, weil er mit der EU-Wahl zusammen gelegt wurde“, glaubt Wiedmann.

Ob Bundestags-, Abgeordnetenhaus- oder EU-Wahlen, wenn die Berliner ohnehin ins Wahllokal müssen, geben sie ihre Stimme auch zu anderen Themen ab. Dass zum „Energievolksentscheid“ oder für „pro Reli“ zu wenige diesen Weg auf sich nahmen, weil das nicht auf einen „große Wahltag“ fiel, zeigt: Berliner meckern zwar gern, aber nur wenn es nicht zu viel Mühe macht.

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