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Berlin: Mehr Filmrollen als Richard Gere

Alois Beck spielt demnächst in „80 Tagen um die Welt“ mit – als Komparse. Dass er bei seinem Job nicht viel zu sagen hat, ärgert ihn nicht

Ein weiß gekachelter Raum. Kühle Luft. Grelles Licht. Ein konzentrierter Pathologe in weißem Kittel beugt sich über den Seziertisch. Auf dem liegt ein Mann, mittelgroß, Bart, Mitte sechzig, ein wenig füllig. „Natürliche Todesursache ist ausgeschlossen“, entfährt es dem Gerichtsmediziner und zwinkert der Leiche zu. Die prustet plötzlich los vor Lachen. „Verdammt! Immer diese Störer! Alles nochmal!“, schimpft der Aufnahmeleiter. Die Szene für den neuen „Tatort“ muss noch mal gedreht werden.

Die kichernde Leiche heißt Alois Beck. Der ist Berufskomparse und findet es nicht gerade gemütlich, nackt auf dem eisigen Tisch zu liegen. „Aber da muss ich jetzt durch“, erklärt der 64-Jährige tapfer. Und damit meint er wohl nicht nur die kalte Liege, sondern auch die Gedanken an den eigenen Tod. „Klar schwirrt einem das hier mal durch den Kopf“, sagt er und lenkt das Gespräch schnell von der Realität wieder auf die Schwierigkeiten der fiktiven Rolle. „Der Job der Leiche ist besonders hart! Denn es ist gar nicht einfach, die Luft so lange anzuhalten.“

Ihm macht zudem eine Berufskrankheit zu schaffen. Der gelernte Zimmermann, der unter anderem die Dachbalken der Neuen Hackeschen Höfe baute, hat in seinem ersten Leben als Handwerker zu viel Staub eingeatmet und seine Lungen damit geschädigt. In den siebziger und achtziger Jahren war das. Erkannt wurde die Krankheit erst vor kurzem in seinem zweiten Leben als Komparse. „Trotzdem singe, tanze und spiele ich heute noch – das ist alles eine Sache der inneren Einstellung“, sagt der in Grunewald lebende Darsteller und blitzt einen freundlich mit seinen blauen Augen an. In genau 102 Spiel- und Werbefilmen wirkte Alois Beck schon mit. „Mehr als Richard Gere und Dustin Hoffman zusammen“, meint er stolz. Angefangen hatte alles im Jahr 1999, nach seiner Pensionierung. Über einen Freund lernte der damalige Zimmermannmeister, der vor jeder Ansprache bei Richtfesten mit zwei Schnäpsen gegen seine Schüchternheit antrinken musste, den Chef einer Castingagentur kennen. „Die nächste Rolle mit Harald Juhnke ist meine!“, tönte er und ahnte nicht, dass er schon bald beim Wort genommen werden würde. Als Hausmeister fand er sich beim Dreh für eine Gaunerkomödie wieder. Mit Harald Juhnke. „Ich hatte so angegeben – da konnte ich nicht ablehnen.“

Die Frau an der Filmgarderobe half Alois Beck wortlos in einen grauen Kittel und drückte ihm einen Besen in die Hand. Mit dem fegte er etwas zu fest, denn das Mikro empfing laute Kratzgeräusche. „Trotzdem war ich gut“, sagt er selbstbewusst und hat wohl recht damit. Denn seit diesem Dreh steht der Name Alois Beck in den Karteien vieler Berliner Casting-Agenturen. Der Wodka trinkende Akkordeonspieler, der bärige Wüstling, der sanftmütige Weihnachtsmann, der glühende Verehrer von Samba tanzenden Schönheiten – dies sind nur ein paar Rollen seiner fünfjährigen Karriere.

Viel zu sagen hatte er dabei nicht. „Als richtiger Schauspieler hätte ich auch Probleme mit den langen Texten“, wiegelt Alois Beck ab. Mit den Auftritten verdienst sich der ehemalige Zimmermann ein Zubrot. Allein mit der Rente komme er nicht aus. Doch bei vielen unbezahlten Drehs war Alois Beck auch schon dabei. Ein wenig traurig ist er darüber, dass er nicht schon früher als Komparse angefangen hat. „Das ist ein Jungbrunnen.“

Ein paar Filmstars hat Beck auch schon kennen gelernt. Auf den Fotos in seinem bunten Album kann man Uschi Glas und Hannelore Elsner bewundern – beide mit seinem kräftigen Arm auf der Schulter. Von Inge Meisel ist er besonders begeistert. „Die nimmt einfach kein Blatt vor den Mund“, erzählt er. Ein Traum des sechsfachen Vaters wäre es, in einem Liebesfilm mitzuspielen. „So richtig mit küssen und so. Doch dafür müsste ich noch mal 25 sein“, grinst er.

Nicht immer ist Alois Beck jedoch der richtige Mann beim Casting. Für den Film „Stalingrad“ wurden ausgemergelte Männer gesucht, die Soldaten darstellen sollten. „Ich war dafür einfach zu dick“, sagt er und lacht. Er wäre höchstens als pummeliger Koch durchgegangen. Durch so etwas lässt er sich aber nicht einschüchtern.

Als nächstes wird er beim Film „In 80 Tagen um die Welt“ mitspielen, für den heute in Babelsberg die Dreharbeiten begannen. Wenn man genau hinsieht, entdeckt man ihn vielleicht auf der Leinwand. Im Hintergrund. Als lärmenden Marktschreier, grölenden Seemann oder sanftmütigen Mönch.

Ariane von Dewitz

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