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Berlin: Mehr Kunst als Kommerz

Beim Berliner Designmai treffen sich die Kreativen der Stadt. Erstmals sind auch potenzielle Kunden dabei

Sie sehen sich gerne als Künstler, sind aber gezwungen, als Unternehmer zu denken: Designer stecken, wie viele andere Kreative auch, oftmals in der Zwickmühle. Das zeigt sich auch beim Berliner Designmai, der vom heutigen Donnerstag bis Sonntag stattfindet. Die Szene diskutiert, ob die Veranstaltung eher ein Festival der Kreativen bleiben oder sich zu einer kommerziell orientierten Messe entwickeln sollte. Einen ersten Schritt in diese Richtung gibt es dieses Jahr schon: Auch potenzielle Auftraggeber sind geladen. Vertreter von BMW, Sponsor Opel und anderen Firmen werden beim so genannten Business-to-Business-Event zwei Tage lang an die Orte geführt, an denen sich die Szene mit neuen Design-Ideen präsentiert.

Hendrik Flötotto, Manager der Flötotto-Gruppe in Nordrhein-Westfalen, ist auch dabei. „Letztes Jahr war mein Bruder zufällig in Berlin während des Festivals und hat auf Anhieb zwei Produkte gefunden“. Die Designer wurden unter Vertrag genommen, der innovative Sitzsack und Tischbock sind bereits in Produktion.

Dass Designer Geschäfte machen müssen, um sich am Leben zu erhalten, ist auch in Berlin, wo viele Kreative günstig leben und ihnen mitunter noch eine Erbschaft den Rücken freihält, eine Tatsache. Mateo Kries, einer der Veranstalter des Designmais, will aus dem Festival dennoch keine Messe im herkömmlichen Sinne machen. „Die Kreativität muss erhalten bleiben. Wenn wir gegen den Strom schwimmen, bleiben wir interessant.“ Gerade große Firmen wie Adidas oder BMW würden das kreative Chaos schätzen, aus dem immer wieder neues Design entsteht. So sei auch das Festival keine geschliffene Leistungsschau, sondern eher eine Veranstaltung mit kulturellem Anspruch. Dennoch ist Kries froh, dass der Wirtschaftssenat seit diesem Jahr mit dem Festival kooperiert und den B2B-Event mit ins Leben gerufen hat. Das unter anderem vom Wirtschaftssenat initiierte Netzwerk Create Berlin ist mit von der Partie und soll die Vernetzung mit der Wirtschaft vorantreiben. Froh ist Kries auch über das Grußwort im Programmheft: Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hat es in diesem Jahr verfasst, was beweist, wie ernst der Senat mittlerweile die Kreativwirtschaft als Aushängeschild der Stadt nimmt.

Für Tanja Mühlhans, als Referentin im Berliner Wirtschaftssenat für die Kreativwirtschaft zuständig, hat die Beteiligung am Designmai Pilotcharakter. „Eine Ausstellung ist ja schön, aber Designer müssen Geld verdienen“, sagt sie. Ihrer Ansicht nach müsse die kulturelle Ausrichtung überdacht werden. „Wichtig ist die Mischung“, sagt die 37-Jährige, die durch ihren Einsatz mit dafür gesorgt hat, dass Berlin den Titel „Unesco-Stadt des Designs“, unter zahlreichen Mitbewerbern erkämpft hat.

Reiner Heublein von Arte Interior, einem Berliner Möbeldesignunternehmen, das am Festival schon zum dritten Mal teilnimmt, begrüßt die Öffnung zur Wirtschaft. „Ich habe damit keine Berührungsängste, denn alles was wir tun, kostet Geld“, so der 42-Jährige. Für das Festival hat sein Unternehmen den kompletten Showroom im Spreespeicher an der Friedrichshainer Oberbaumbrücke umgebaut. Auch auf dem zentralen Veranstaltungsort im ehemaligen Postbahnhof am Gleisdreieck präsentiert Arte Interior einen Stand. Dass sich das Festival in diesem Jahr einen zentralen Anlaufpunkt hat, sieht er positiv: „So schaffen es Entscheider eher, sich einen Überblick zu verschaffen.“

Obwohl das Thema des Designmais in diesem Jahr Designcity heißt, also Gestaltung im öffentlichen Raum, hat sich der Berliner Stadtraumdesigner Albrecht Ecke nicht beteiligt. „Das ist eine Szene, zu der ich nicht passe“, so der Designer, der seit 12 Jahren am Ball ist, und unter anderem die Potsdamer Straßenlaternen entworfen hat. In seinen Augen gehe es weniger um Gestaltung als um Feiern und Party. Mit Unternehmertum habe das wenig zu tun. Was ihn außerdem stört ist, dass die Jury, die auswählt, wer beim Festival mitmachen darf, aus Kollegen besteht. Die Teilnahme ist heiß begehrt: Auf 100 Festivalplätze bewerben sich rund 200 Designer.

Für Ecke hat Design viel mit unternehmerischer Eigeninitiative zu tun. „Man muss den Leuten ständig seine Entwürfe unter die Nase halten“, sagt der 51-Jährige, der zwei Büros in Berlin und Potsdam betreibt. Er bleibt der Region treu, obwohl sich die von ihm entworfenen Parkbänke, Laternen und Fahrradständer auch international gut verkaufen.

Unternehmer Hendrik Flötotto aus dem fernen Gütersloh genießt dagegen den Berliner Leichtsinn. „Das ist eine verrückte, kreative Stadt, und so was suchen wir“, so der 33-Jährige. Gewundert hat ihn allerdings, dass sie nicht schon in früheren Jahren zum Designmai eingeladen wurden. Jetzt werden die 12 Teilnehmer des B2B-Events dafür besonders umhegt „Uns werden von der Festivalleitung sogar die Hotelzimmer bezahlt“, staunt Flötotto. Das hätte in seinen Augen wirklich nicht sein müssen. „Das Geld hätte ein Berliner Designer bestimmt besser brauchen können.“

Christine Berger

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