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Berlin: Mehr Respekt, bitte

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Zur Parlamentsdebatte über das Sorgenkind Hauptschule steuerte die FDP einen Dringlichkeitsantrag bei. Der letzte Satz lautet: „Stattdessen bedürfen die Schulen das Handwerkszeug, um sich selber helfen zu können.“ Jeder Lehrer würde den Kindern diesen falschen Akkusativ rot anstreichen. Die Schulen bedürfen des Handwerkszeugs. Und die Sprache bedarf der Sorgfalt. So ist das mit dem Genitiv: Einige Verben bedürfen seiner.

Bildungssenator Klaus Böger (SPD) betonte in der Debatte: „Wir sind im Prozess von Integration gut vorangekommen.“ Und: „Es gibt dieses Problem von Gewalt nicht nur an Hauptschulen.“ Oezcan Mutlu (Grüne) bekannte: „Schulen müssen wieder Orte von Respekt sein.“ Doch Respekt vor dem Genitiv könnte auch nicht schaden, klugen Erwachsenen schon gar nicht. Ständig wird der Genitiv durch den stolpernden Dativ mit von ersetzt, als scheue man die Klarheit. Das Problem der Gewalt gibt es nicht nur an Hauptschulen. Die Schulen müssen Orte des Respekts sein. Selbstbewusst hätte der Bildungssenator sagen können, man sei auf dem Weg der Integration gut vorangekommen. „Die Integration ist in ihrer Zeit zurückgefahren“, widersprach Kurt Wansner (CDU). Stellen wir uns das lieber nicht bildlich vor. Nach Wansners Auffassung sind also die Integrationsprobleme größer geworden. Doch Politiker haben eine merkwürdige Vorliebe für das Verb fahren. Sie fahren einen Kurs, eine Strategie, den Landeshaushalt. Ausgaben werden nicht gekürzt, sondern heruntergefahren oder zurückgefahren.

Mieke Senftleben (FDP) würdigte auch Erfolge einiger Hauptschulen, aber „das ist allein der Verdienst der Pädagogen“. Da hat sie in der Eile die Begriffe verwechselt. Das Wort Verdienst hat ja zwei Bedeutungen; es kommt auf den Artikel an. Die Abgeordnete wollte das Verdienst dieser Pädagogen hervorheben, nämlich deren herausragende Leistung. Der Verdienst hat hingegen nichts mit Anerkennung zu tun, sondern ist schlicht das Einkommen der Berufstätigen.

Carola Bluhm (Linkspartei.PDS) sprach von Schülern, die „ein schwieriges Klientel sind“. Gewiss doch, nur ist die Klientel weiblich, was häufig einfach missachtet wird. Viele Jugendliche sind für die Lehrer eine so schwierige Klientel, dass der CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer neulich, wie ich in der Zeitung las, eine „Task Force Schule“ forderte. Das hört sich zwar weltläufig und energisch an, aber man weiß nicht recht, was es sein soll. Im Englischen ist task force jedenfalls ein militärischer Kampf- oder Sonderverband.

Ach, manchmal ist Hopfen und Malz verloren, rein sprachlich, und das nicht nur bei schwierigen Kindern.

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