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Die Initiative "Energietisch" fordert nicht nur einen kommunalen Energieversorger, sie wollen ihn auch demokratisch kontrollieren.

© dpa

Mehr Volksbegehren in Berlin: Wasser, Energie, S-Bahn: Von Tisch zu Tisch

Wasser, Energie, S-Bahn: Immer mehr Berliner wollen die großen Felder nicht der Politik überlassen und selbst mitbestimmen. Der Senat gerät unter Druck und lässt heute das Verfassungsgericht über das Volksbegehren zur S-Bahn entscheiden.

Wenn es um Daseinsvorsorge geht, ist Berlin ein Möbelladen: Vor genau zwei Jahren gelang dem „Wassertisch“ der erste erfolgreiche Volksentscheid überhaupt, seit Wochenbeginn sammelt der „Energietisch“ Unterschriften, und heute klopft das Verfassungsgericht den „S-Bahn-Tisch“ ab. Nachdem der Erfolg des Volksbegehrens zur Rekommunalisierung der Wasserversorgung Politik und Medien vollkommen überrascht hatte, nimmt der Senat die aktuellen Initiativen zumindest nach außen hin ernster.

Was die rot-schwarze Koalition tut, überzeugt aber die Aktivisten nicht. „Zu wenig, zu unverbindlich, zu halbherzig“, resümierte Michael Efler vom Energietisch am Dienstag. Vor allem aus der CDU gebe es Signale, dass der von der Koalition vereinbarte Aufbau eines kommunalen Energieversorgers verschleppt werden solle. „Alles, was die Koalition getan hat, hat sie nur unter Druck gemacht“, sagte Efler und begründete damit, dass der Energietisch jetzt stadtweit Unterstützer sucht.

Auch inhaltlich sind sich die Konzepte aus Sicht der Aktivisten nicht so ähnlich, wie sie scheinen. Vor allem die soziale Komponente – also Rezepte gegen „Energiearmut“, gegen Stromabschaltungen für säumige Kunden und für Energiesparberatung – fehle im Entwurf der Koalition. Auch sehe deren Plan nur die Vermarktung selbst produzierter Energie vor, so dass das Stadtwerk kaum wachsen könne. Das soll nach dem Willen des Energietischs durch direkt gewählte Verwaltungsräte maximal demokratisch kontrolliert werden – eine Lehre aus schlechten Erfahrungen mit Bahn und Flughafengesellschaft. Der neue Landesbetrieb soll nicht nur Öko-Energie produzieren und vermarkten, sondern auch die zurzeit in der Hand von Gasag und Vattenfall befindlichen Energienetze betreiben.

Bis 10. Juni will der Energietisch 200 000 Unterschriften sammeln, damit im Herbst ein Volksentscheid über den Gesetzentwurf stattfinden kann. Ob die Berliner auch die Zukunft der S-Bahn mitbestimmen dürfen, entscheiden Richter. Der S-Bahn-Tisch, ein Zusammenschluss vorwiegend linker Gruppen, hat zwar 2011 in der ersten Stufe eines Volksbegehrens die erforderliche Zahl von Unterschriften weit überschritten, der Senat hat das beantragte Volksbegehren anschließend als unzulässig eingestuft, aber die Entscheidung darüber dem Verfassungsgerichtshof überlassen. Die mündliche Verhandlung steht heute an.

Ziel des Volksbegehrens ist es nach Angaben der Initiatoren, ein Gesetz zu erlassen, mit dem das S-Bahn-Chaos beendet werden kann. Neue Züge und mehr Personal sollten bereitgestellt und weitere Verbesserungen erreicht werden, etwa die Rückkehr von Aufsichten auf allen Bahnhöfen. Zudem soll es auf Umsteigestationen im Stadtgebiet Fahrkartenverkaufsschalter geben, die mindestens zehn Stunden am Tag geöffnet haben. Der Forderung, auch den zwischen dem Senat und der S-Bahn abgeschlossenen Verkehrsvertrag zu veröffentlichen, war der Senat 2012 bereits nachgekommen.

Durch die gesetzliche Festschreibung dieser Bedingungen würde das Interesse privater Konkurrenten am Betrieb von S-Bahn-Strecken sinken, hoffen die Initiatoren, die die vom Senat auf den Weg gebrachte Teilausschreibung ablehnen. Private Betreiber müssten erkennen, dass Stellenabbau, Lohndumping und geringe Investitionen tabu seien, sagte der Berliner Chef der Eisenbahnergewerkschaft EVG, Klaus Just, vor der Verhandlung.

Der Senat hatte seine Zweifel an dem Volksbegehren damit begründet, der vorgesehene Gesetzentwurf sei unvereinbar mit höherrangigem Recht. Die Regelungen verletzten Grundrechte Dritter und verstießen gegen das Rechtsstaatsprinzip, da in einen bestehenden Vertrag eingegriffen werden solle. Die Forderung, binnen zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes auch neue Züge anzuschaffen, sei unrealistisch, da dafür mehr Zeit benötigt werde. Zudem könne ein erfolgreiches Volksbegehren nur in Berlin die Gesetzeslage ändern, nicht aber in Brandenburg, wo die S-Bahn ebenfalls fährt.

Während an Energie- und S-Bahn- Tisch noch geschnitzt wird, ist der Wassertisch ramponiert: Die Initiative hat sich gespalten, und mit dem Rückkauf des RWE-Anteils an den Wasserbetrieben für rund 600 Millionen Euro hat der Senat zwar die politische Forderung nach Rekommunalisierung teilweise erfüllt, aber aus Sicht der Wassertischler zu einem inakzeptabel hohen Preis.

Ohne den Tisch im Namen kommt das Volksbegehren zur kompletten Freihaltung des Tempelhofer Parks aus. Die Initiative „100 Prozent Tempelhofer Feld“ hat 33 000 Unterschriften abgegeben, die zurzeit von den Bezirksämtern geprüft werden. Da vermutlich genug gültige dabei sind, wird sich der Senat bald auch mit diesem Anliegen befassen müssen – und auf weiteren Druck gefasst machen.

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