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Hatice Akyün.

© Andre Rival

Mein Berlin: Wer will Hatice-Anleihen?

Griechische Wochen bei unserer Kolumnistin Hatice Akyün: Zur Konsolidierung ihres Privathaushaltes überlegt sie, auf die eigene Pleite zu wetten. Berliner sind schließlich, was Krisen angeht, internationale Avantgarde.

Ich habe griechische Wochen bei mir zu Hause. Mein Bankberater sagt, dass das Gleichgewicht zwischen Zahlungseingängen und Zahlungsausgaben in ein beunruhigendes Missverhältnis gerutscht sei. Nun habe ich versucht, meinen kleinen Staatshaushalt zu konsolidieren. Sportstudio, Friseur, Nagelpflege, Shoppen, Taxi und Häppchen bei meinem Lieblingstürken sind ab sofort gestrichen. Dennoch zeigen meine Einsparrunden nur marginale Erfolge. Die Kindergeburtstage, der Ballettunterricht, die Zuzahlungen für die Kita der Tochter einer Vollzeit arbeitenden Mutter und die Honorare für den Babysitter, wenn ich noch schnell einen Termin in Frankfurt wahrnehmen muss, erhöhen zwar mein persönliches BIP, zerschlagen aber meinen Ebit, da ich das Geld nur auf hohem Niveau wechsele.

Nicht, dass Sie denken, ich wäre unter die Finanzexperten geraten. Aber nachdem jede Woche mit Staatsverschuldung, Eurokrise, Bankenkrise, Vertrauenskrise, Liquiditätskrise und Regierungskrise die gleiche Sau mit einem anderem Etikett durchs Dorf getrieben wird und man sich von Krise zu Krise gipfelt, habe ich mich gefragt, wo und wie dieser Ausverkauf staatlicher Souveränität gegen die aus Steuergeldern unbedingt zu bedienenden Gewinnerwartungen der Finanzinstitute enden wird? Das passiert, wenn die Bauklötze so groß werden, dass sie nicht mehr in den Horizont zwischen den zwei gierigen Augen passen wollen.

Als Berliner ist man, was Krisen angeht, internationale Avantgarde. Hätte es 1948 einen Bund der Steuerzahler gegeben, wäre die Luftbrücke ausgefallen. Geldverschwendung, Steinkohle mit dem Flieger in die Stadt zu bringen und Süßigkeiten am Fallschirm herunterzulassen. Alles für eine Stadt, deren Trümmerlandschaft nach Buchwert nicht mal einer Bad Bank einzuverleiben gewesen wäre. In den Stuhlkreisen der Talkshows hätten Hans Olaf Henkel und Hans-Werner Sinn uns erklärt, dass nur der Ausschluss Berlins von der Hilfe die Chance zur Konsolidierung eröffnen würde.

Nun könnte man meinen, dass ich von meiner eigenen Krise ablenken will. Clever wäre es allerdings, als multiple Persönlichkeit mit CDS, den Credit Default Swaps, auf meine eigene Pleite zu wetten. Dafür gäbe es Prämie und Boni. Wenn ich dann noch einen finde, dem ich Hatice-Anleihen verkaufen könnte, wäre ich ein doppelter Gewinner. Bei Zahlungsausfall würde die Versicherung einspringen und wenn der Buchwert meiner Anleihen unter 30 Prozent fällt, käme ein Rettungsschirm oder ein Schuldenschnitt auf 50 Prozent, womit ich 20 Prozent besser dastünde als zuvor. Damit meine Zockerei für den Steuerzahler jedoch überschaubar bleibt, hebele ich das Ganze, indem ich voraussage, wie viel Verlust es geben könnte. Kurzum, mit viel Steuergeld werden die belohnt, die sich mit Spekulation gegen Staaten, Sozialordnungen und Menschen bereichern. Und jene Staaten, die einspringen, leihen sich das Geld anschließend genau von denen, deren Kapitaldienst sie bedienen müssen.

Nein, ich plane nicht der Occupy-Bewegung beizutreten. Genauso wenig gedenke ich, mich um Kopf und Kragen zu sparen. Die gängige Sanierungsstrategie „reich heiraten“ kommt für mich nicht infrage, weil sie zu viel Freiheit kostet. Und bei der indischen Variante, Versorgung durch Kinderreichtum, spielt mein Frauenarzt nicht mehr mit. Bleibt mir also nur, antizyklisch mein eigenes Konjunkturprogramm zu starten und meinen Grips zu hebeln. In der klassischen griechischen Tragödie weiß man, dass es schlimm endet. Nur wie es dazu kommt, wäre noch von großem Interesse. Wie man aus nichts was macht, lebt mir meine Stadt alltäglich vor.

Oder wie mein Vater sagen würde: Mal bulunur can bulunmaz – Besitz kann man finden, ein Leben nicht.

Die Autorin lebt als Schriftstellerin und Journalistin in Berlin.

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