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"Mein Kampf" am Kiosk: Umstrittene "Zeitungszeugen"-Beilage löst Unbehagen aus

Die umstrittene Ausgabe des Geschichtszeitschrift "Zeitungszeugen" stößt beim Berliner Publikum auf wenig Interesse. Die Verkäufer haben ihre eigene Sicht der Dinge.

"Was?! Mein Kampf?" der junge Mann sieht geradezu erschrocken aus. Reden will er darüber auf keinen Fall, schnell läuft er an der Reporterin vorbei. Bei dieser Meinungsumfrage sind solche Reaktionen vorprogrammiert. Das Thema löst Unbehagen und Ablehnung aus. Seit Donnerstag liegen Auszüge aus Adolf Hitlers "Mein Kampf" als Beilage der Zeitschrift "Zeitungszeugen" auch in den Berliner Kiosken aus - die Originalpassagen wurden allerdings verpixelt, geblieben sind nur die Kommentare der Autoren. Das hatte das Bayerische Finanzministerium, das die Urheberrechte an dem Hitler-Buch hält, mit einer einstweiligen Verfügung vor Gericht durchgesetzt.

Die Ankündigung des britischen Verlegers Peter McGee, die Auszüge veröffentlichen zu wollen, hatte heftige Diskussionen ausgelöst. "So was brauchen wir wirklich nicht", sagt auch ein Berliner Passant nach einem Blick in die umstrittene Beilage. Auch die Kommentare der Autoren mit kritischen Überschriften wie "Brutale Ideen" oder "Poetische Erhöhung" können den Mann nicht aussöhnen.

Bei den Berliner Zeitungsverkäufern dagegen herrscht Pragmatismus. "Ich will ja Geld verdienen", sagt Sven Schlicht vom Kiosk an der Gedächtniskirche. Auf moralische oder politische Diskussionen will er sich gar nicht erst einlassen. Auch Thomas Kruse will sich nicht vorschreiben lassen, welche Printerzeugnisse er verkaufen darf und welche nicht. "Als Zeitungsverkäufer erlebt man das ja oft: Viele Menschen sind der Meinung, dass diese oder jene Zeitung verboten gehört, weil sie zu extrem ist", berichtet Kruse von seinem Alltag im Kiosk am U-Bahnhof Wittenbergplatz. "Wenn es danach ginge, dürfte ich bald gar keine Zeitung mehr verkaufen."

Die ganze Aufregung um den Abdruck von Passagen aus Hitlers "Mein Kampf" kann er nicht nachvollziehen. "In jedem Geschichtsbuch steht genau das Gleiche", sagt der Zeitungsverkäufer.

Die Bedenken der Kritiker der Zeitschrift drehen sich aber vor allem um das Format. Die Original-Propaganda der Nationalsozialisten abzudrucken könne Missverständnisse hervorrufen, so die Warnung. Vor einem Jahr war es schon einmal so weit, weiß der Zeitschriftenverkäufer Kruse aus eigener Erfahrung. Damals sei er von einem kroatischen Fernsehsender zu einem ebenfalls umstrittenen Abdruck der "Zeitungszeugen" interviewt worden. "Die waren überzeugt, dass das Nazi-Propaganda ist."

Offensichtlich ist das Interesse der Medien an der umstrittenen Zeitschrift aber insgesamt größer, als das des Publikums: "Zeitungszeugen" gehört nun wirklich nicht zu den Bestsellern im Handel, berichten die Verkäufer einstimmig. Zwei bis vier Ausgaben bekommen sie von ihren Lieferanten zugeschickt. Selten werden alle Exemplare verkauft. Deshalb liegt das Druckerzeugnis auch meistens nicht in der Auslage. "Kein Platz", sagt Kruse knapp. Wer sich dafür interessiert, fragt nach. Nur im Kiosk von Hannelore Kerfin hat das blau-schwarze Heftchen ein Plätzchen im Schaufenster, gleich neben der Kasse bekommen. Sie selbst habe sich wenig damit beschäftigt, gesteht die Verkäuferin. Dass das Heft zensiert wurde findet sie aber "albern". "Es" sei halt nun mal so gewesen und "es" solle nicht in Vergessenheit geraten, sagt die 53-Jährige. Gleichzeitig sagt auch sie über den "Mein Kampf"-Abdruck: "Ich will das nicht lesen".

Peter McGee muss gewusst haben, dass die Veröffentlichung Unbehagen auslöst. Er musst gewusst haben, dass er auf Widerstand treffen würde. Vielleicht hat er sogar gewusst, dass letztendlich doch niemand am Kiosk "Mein Kampf" kaufen und lesen würde. Der Titel der Beilage - "das unlesbare Buch" - wurde vielleicht nicht nur gewählt, weil "Mein Kampf" langweilig ist und der breiten Öffentlichkeit lange nicht zugänglich war. Letztendlich ist das Heft nämlich selbst unlesbar geworden, auf jeder einzelnen Seite prangt dieses Wort, - und laut Herausgeber bleibt das so lange so "bis alle moralischen, politischen und rechtlichen Argumente dazu ausgetauscht und diskutiert wurden."

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