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Berlin: „Meine Zahlen sind richtig“

Finanzsenator Sarrazin wehrt sich gegen Kritik an seinem Kurs und beklagt den sorglosen Umgang mit öffentlichem Geld

Herr Sarrazin, brauchen Sie inzwischen einen Begleitschutz, wenn Sie in den Zoo oder in die Oper gehen?

Bisher bin ich ungeschoren davongekommen…

Manche Kollegen im Senat sind sauer, weil Sie beim Ausstattungsvergleich Berlins mit anderen Städten und Ländern angeblich mit falschen Zahlen arbeiten.

Bisher hat mir niemand falsche Daten nachweisen können. Es wird immer nur gesagt: Das kann man doch so nicht machen und die Vergleiche sind falsch. Jeder sucht sich halt die Zahlen raus, die zu dem passen, was er sagen möchte. Das ist durchaus legitim. Aber meine Zahlen sind richtig.

Justizsenatorin Schubert schimpfte, weil sie mit alten Zahlen aus dem Jahr 2001 arbeiten.

Beim Leistungsvergleich mit dem Bund und den anderen Ländern müssen wir auf das Material zurückgreifen, das auf dem Markt ist. Ich arbeite nämlich nicht mit Vermutungen, sondern immer mit nachweisbaren Quellen. Statistiken für 2002 stehen bundesweit erst Mitte dieses Jahres zur Verfügung. Dann nehmen wir die neuen Zahlen.

Es gibt das Gerücht, sie hätten als früherer Mitarbeiter des Bundesfinanzministeriums die teure Wohnungsbauförderung, die nun abgeschafft wird, miterfunden.

Das gehört in den Bereich der gehobenen Burleske. Das Fördersystem in Berlin wurde Anfang der siebziger Jahre entwickelt. Ich war erst 1975 bis 1977 im Bundesfinanzministerium als Referent für die Wohnungsbauförderung zuständig. Damals haben wir diese Form der staatlichen Subventionierung sehr kritisch beleuchtet. Weder der Bund noch ich persönlich waren für den massiven Einsatz von Aufwendungsdarlehen und zuschüssen in Berlin verantwortlich, die gewaltige Finanzlasten in die Zukunft verschoben haben. Berlin ist da in eine Falle gelaufen.

Trägt die Spardiskussion, die Sie seit über einem Jahr vorantreiben, denn irgendwann Früchte? Wie steht es um den Landeshaushalt 2004/05, der zurzeit vorbereitet wird?

Ich schaue nicht nur auf diese beiden Jahre. Mich interessiert mehr, ob wir die untragbaren Mehrausgaben nachhaltig abbauen können. Der Konsolidierungsbedarf beträgt vier Milliarden Euro. Diese Zahl wird von allen Senatskollegen akzeptiert. Wenn man die absehbaren Einsparungen beim öffentlichen Personal und der Wohnungsbauförderung abrechnet, bleiben etwa zwei Milliarden Euro übrig, die noch gekürzt werden müssen. In den Bereichen Polizei, Justiz und Soziales muss Berlin, ähnlich wie Hamburg und Bremen, zwangsläufig mehr ausgeben als die Flächenländer. Aber für Hochschulen, Kitas, Kultur usw. können wir uns Ausgaben, die über dem Bundesdurchschnitt liegen, nicht leisten. Es gibt leider wenige Gesprächspartner, mit denen man dies mit allen Konsequenzen zu Ende denken kann. Stattdessen wird an Besitzständen festgehalten und es besteht wenig Neigung, Produktivitätsreserven zu erschließen.

Dafür hätten wir gern Beispiele.

Die Justiz versteckt ihre Effizienzmängel hinter richterlicher Unabhängigkeit und die Universitäten verschanzen sich gern hinter hehren Zielen und Begriffen…

…aber es ist ja auch schwer erträglich, wenn es immer nur ums Sparen und nicht mehr um politische Gestaltung geht.

Haushaltssanierung ist überhaupt kein politisches Ziel, sondern eine notwendige Bedingung, um politische Ziele weiter verfolgen zu können. Ziel des Autofahrens ist ja auch nicht das Tanken, aber ohne Benzin kommt man nicht voran. Das Land Berlin tankt laufend auf Kredit.

Wie lange machen die Tankstellen – pardon, die Banken – das noch mit?

Berlin bekommt schon seit vielen Jahren seine Kredite nicht wegen hoher Kreditwürdigkeit. Berlin bekommt immer noch Geld, weil der Kapitalmarkt davon ausgeht, dass Bund und Länder letztlich für die Schulden der Hauptstadt geradestehen.

Worüber machen wir uns dann Sorgen?

Ein Staatskonkurs ist in der deutschen Finanzverfassung tatsächlich nicht vorgesehen. Aber diese Art des sorglosen Umgangs mit öffentlichen Geldern ist ja ein Teil des großen Problems, das Berlin hat.

Finanzhilfen des Bundes wird Berlin nur dann erfolgreich einklagen können, wenn ein überzeugendes Sanierungsprogramm für die Hauptstadt vorgelegt wird. Wird es dazu überhaupt kommen?

Da sind wir in einem laufenden Diskussionsprozess. Man wird sehen, was sich daraus ergibt. Das Sanierungsprogramm muss nicht alle Ausgabepositionen der nächsten 20 Jahre im Detail belegen. Aber Berlin muss nachweisen, dass es nach einer Teilentschuldung durch den Bund aus eigener Kraft lebensfähig ist.

Ist es nicht frustrierend, dass der Bund seine Hauptstadt hängen und sich vor dem Bundesverfassungsgericht verklagen lässt?

Nun ja – das war nicht anders zu erwarten. Der Bund argumentiert damit, dass Hamburg fast genauso hohe Schulden hat wie Berlin. Unsere Finanzlage sei auf den hohen Ausgabesockel zurückzuführen. Außerdem agiert der Bund taktisch: Er will sich verklagen lassen, um dann rechtsverbindlich zu wissen, was er tun muss. Und der Bund hofft, die Länder an der Sanierungshilfe für Berlin beteiligen zu können. Sobald ein Urteil aus Karlsruhe vorliegt, wird die Bundesregierung voraussichtlich ein neues Finanzausgleichs-Gesetz erlassen, das mit dem Bundesrat abgestimmt werden muss.

Wo spart denn der Finanzsenator Sarrazin bei sich selbst?

Ich bin unter anderem zuständig für die Finanzverwaltung und die Finanzämter, für die Mittelvergabe an die Bezirke und für den Schuldendienst. Schulden lassen sich vermeiden, indem man weniger ausgibt. Bei den Bezirken spare ich ununterbrochen, wie diese jederzeit jammernd und klagend bestätigen werden. In der Senatsverwaltung für Finanzen stimme ich gerade ein Konzept mit dem Personalrat ab, das den Personalbestand um fast 30 Prozent senkt. Für die Finanzämter gibt es bundeseinheitliche Kennziffern für die Personalbemessung. Da bewegen wir uns am unteren Rand. Zuständig bin ich auch für Zoo und Tierpark, aber leider kassiert das Abgeordnetenhaus jeden meiner diesbezüglichen Sparvorschläge wieder ein. Was soll ich da machen?

Das Gespräch führte Ulrich Zawatka-Gerlach

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