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Berlin: Meldungen, die schnell verblassten: Was am 9. November 1989 sonst noch berichtenswert war

Die Nacht der offenen Grenzen in Berlin bestimmt die Schlagzeilen des 10. November 1989 und das Extrablatt des Tagesspiegels.

Die Nacht der offenen Grenzen in Berlin bestimmt die Schlagzeilen des 10. November 1989 und das Extrablatt des Tagesspiegels. Was sonst geschehen war, rückt angesichts der aufregenden Entwicklung in den Hintergrund. Der Lokalteil vermeldet eine wachsende Zahl von DDR-Flüchtlingen in Berlin, von denen viele über Ungarn gekommen sind, mit selbst gekauften Flugtickets. Insgesamt wurden am 9. November rund 600 ehemalige DDR-Bürger als Flüchtlinge registriert. Die Alliierten helfen, die Unterbringungsprobleme zu bewältigen. In einer Squash-Halle im Quartier Napoleon finden 150 Menschen Platz. Bunker als Notunterkünfte sind vorerst nicht vorgesehen.

Für die künftigen Besucher aus Ost-Berlin und der DDR sollen nach Ansicht der Interessengemeinschaft Eisenbahn und Nahverkehr ausschließlich neue Bahn- und Busverbindungen sowie Übergänge für Fußgänger und Radfahrer geschaffen werden. Neue Übergänge für Autos werden abgelehnt, "da gerade erst jetzt der neue Senat dem öffentlichen Nahverkehr in West-Berlin Vorrang eingeräumt hat".

Andere Sorgen hat die Stiftung Naturschutz. Sie warnt vor "krawallartigem Wohnungsneubau": Angesichts des derzeitigen Bevölkerungszuzugs breite sich in der Bauverwaltung zunehmend Panik aus. Senator Nagel suche hektisch nach Platz für 35 000 neue Wohnungen in den nächsten vier Jahren. Die Stiftung fordert als "ultima ratio" einen Zuzugsstop für Berlin.

Dass eine Buchhalterin mit veruntreutem Geld für 1,2 Millionen Mark Autos kauft, hätte unter normalen Umständen mehr Aufsehen erregt. Über drei Jahre gönnte sich die Chef-Buchhalterin einer Marienfelder Großhandelsfirma auf Kosten des Unternehmens ein Luxusleben. Insgesamt sollen der Meldung zufolge 6,2 Millionen Mark veruntreut worden sein.

In den bewegten Zeiten finden 500 Beschäftigte, überwiegend der Kaufhäuser KaDeWe und Wertheim, auf dem Breitscheidplatz Zeit, gegen längere Ladenöffnungen am Donnerstag zu protestieren. Es geht um den "Dienstleistungsabend".

Die Arbeitsgemeinschaft City wendet sich gegen Pläne, den Kurfürstendamm an verkaufsoffenen Sonnabenden vor Weihnachten für den Kraftfahrzeugverkehr zu sperren. Es gebe keine ausreichenden Parkmöglichkeiten, und die BVG sei nicht in der Lage, die zusätzlichen Verkehrsbedürfnisse zu befriedigen, kritisisiert die Gemeinschaft der Geschäftsleute.

Gerade ist die Russische Woche eröffnet worden: Wladimir Gontscharow, der Attaché des Generalkonsulats, zeigt sich enttäuscht, dass die Kulturbeziehungen zwischen dem Westteil Berlins und der Sowjetunion bisher leider nur eine Einbahnstraße seien. Über West-Berliner Kultur könne man sich in der Sowjetunion nur selten informieren, während sowjetische Kunst in Berlin stark präsent sei.

Weitere Meldungen beschäftigen sich mit einer Demonstration gegen den Polenmarkt; oder mit einer Geldbuße für die damalige Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Frauen, Jugend und Sport. Die ehemalige AL-Abgeordnete Hentschel hatte im Mai 1987 Flugblätter mit einem Aufruf zum Volkszählungsboykott verteilt und muß nun nach einer Entscheidung des Amtsgerichts Tiergarten 200 Mark zahlen. Die CDU fordert die Entlassung.

Meldungen vom 10. November vor zehn Jahren. Der Mauerfall ließ sie sehr schnell verblassen.

C. v. L.

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