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Die Kuppel mit Richtkrone des Berliner Stadtschlosses.

© dpa

Menschen, Steine, Sensationen: So verlief das Richtfest am Berliner Schloss

Beim Richtfest am Schloss haben sich schon alle auf das Humboldtforum gefreut. In gut vier Jahren - am 14. September 2019 - soll es eröffnet werden.

Am Ende, als der Richtkranz feierlich zu Renaissance-Bläsermusik gen Kuppel schwebt, als der Polier Harald Eberhardt nach seinem zupackenden Richtspruch („Beim Termin hat’s uns ein wenig gegraut/doch empfehlen Sie uns, wenn ihr mal wieder baut“) das traditionelle Weinglas geleert und zerschmettert hat und der Kranführer den Kranz mit seinen drei Metern Durchmesser erfolgreich durch die vier Meter große Deckenkassette des künftigen Foyers manövriert hat – am Ende trübt tatsächlich kein einziges Wölkchen den Himmel über dem Schloss.

Der mit rotweißen Baustellen-Absperrbändern verzierte Richtkranz liegt hoch oben auf dem Kuppelrund, die Grußworte sind gesprochen. Eben hat Manfred Rettig, Chef der Schloss-Stiftung, das Wunschdatum der Eröffnung verraten – der 14. September 2019 soll es sein, pünktlich zum 250. Geburtstag Alexander von Humboldts –, jetzt lädt er die 1500 Festgäste zum Richtschmaus. Es gibt Berliner Buletten in der edleren Fingerfood-Variante, Weißwein, Rosé und natürlich auch Bier.

Ein schöner Tag für Berlin? Gewiss, aber nicht nur. Draußen vor der Baustelle am Lustgarten machen einige Demonstranten auf die Raubkunst-Problematik der ethnologischen Sammlungen aufmerksam, die das Humboldtforum beherbergen wird . Drinnen macht sich Deutschlands bedeutendste Kulturbaustelle ehrlich wie künftig wohl nie mehr: Ein Beton-Schloss wird’s, mit uninspiriert durchgerasterten Innenhoffassaden und davorgehängter Außenhaut aus barockisierendem Backstein – im Sockelgeschoss ist sie schon da.

Ein doppeltes Richtfest

Spektakuläre Architektur des 21. Jahrhunderts sieht anders aus. Dennoch kann man Schloss-Architekt Franco Stella nur beipflichten, wenn er mit seinem kantigen italienischen Deutsch auf die Reparatur des Stadtraums hier in Mitte aufmerksam macht, auf die Sichtachsen vom Alten Museum bis zum Staatsratsgebäude und vom Alexanderplatz hinüber Richtung Kronprinzenpalais. Die Stadt wird weit und groß hier, gleichzeitig rückt das Schloss die historische Architektur der Museumsinsel und des Doms endlich ins rechte Maß. Wie sagt Stella: „Hier entsteht ein Palast der Weltkulturen und eine einzigartige Piazza im Herzen der Hauptstadt.“

Es ist ja ein doppeltes Richtfest, für die Wiederauferstehung des 1950 gesprengten Stadtschlosses und für das Humboldtforum. Was das Schloss betrifft, wird an diesem sonnigen Freitagmittag vor allem Wilhelm von Boddien, Geschäftsführer des Schloss-Fördervereins, mit Riesenapplaus gefeiert, für seine Initialzündung Anfang der Neunzigerjahre und sein unermüdliches Werben um Spenden. „Spendet weiter!“, ruft Bundesbauministerin Barbara Hendricks, während Kulturstaatsministerin Monika Grütters die Vision des Humboldtforums als Museum der Kulturen der Welt beschwört. Zumal in einer Stadt, die lange für die Teilung der Welt stand, dann für deren Vereinigung. Ab 2019 kann sie zum Ort des Brückenschlags werden, so Grütters, mit dem Humboldtforum als Zuhause für eine einzigartige Idee.

„Berlin-Werbung, äh, Werdung“

Es ist dann aber Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der die Versammelten mit seiner Begeisterung förmlich ansteckt und dem Richtfest jenes Pathos und jenen Enthusiasmus verleiht, ohne dass Projekte von dieser Dimension wenig taugen. Noch einmal erinnert Parzinger an die Kunstkammer als Keimzelle im alten Schloss für das neue und schwärmt für einzelne Exponate, künftigen Highlights im zweiten und dritten Stock. Er verspricht aber auch – ein Gruß an die Demonstranten draußen – die Zusammenarbeit mit Experten aus den Herkunftsländern und die Auseinandersetzung mit den deutschen Kolonialverbrechen

Und der Regierende Bürgermeister? Michael Müller wiederholt das späte, aber endlich klare Bekenntnis Berlins zum Humboldtforum sowie zu Wissenschaft und Kultur als zentralen Säulen der Stadt, freut sich über die „Berlin-Werbung, äh, Werdung“ an diesem zentralen Ort. 4000 Quadratmeter wird Berlin im ersten Obergeschoss bespielen. Wir planen „kein Heimatmuseum“, verspricht Müller und hebt hervor, dass Berlin-Geschichte immer auch Migrationsgeschichte war.

Die provisorische Berlin-Präsentation an diesem Wochenende der Offenen Baustelle fällt allerdings peinlich aus. Ausgeschnittene Standard-Fotomotive, vom Rosinenbomber bis zur Filmstadt mit Marlene, auf Pappkarton an die Betonwand geklebt: Die mit dem Konzept beauftragte Agentur Berlin Kulturprojekte GmbH muss noch beweisen, dass sie mehr kann als nette Luftballon-Events zum Mauerfalljubiläum. Die gute Laune zum Richtfest lässt sich Kulturstaatssekretär Tim Renner beim Rohbau-Rundgang davon nicht verderben.

Gründungsintendant fehlt

Selbstbewusstsein, lässiger Stolz, internationales Flair, auch wenn Gründungsintendant Neil MacGregor an diesem Tag fehlt: Plötzlich hat Berlin etwas Großbürgerliches – Piefke ist für einmal weit weg.

Es ist die Staatskapelle unter Daniel Barenboim, die für ein paar Minuten noch ganz andere Töne anschlägt, mit dem Andante aus Schuberts Unvollendeter. Musik der Utopie, eine zarte, sich zu wenigen energischen Takten manifestierende und wieder verflüchtigende Vision, mitten in der Sinfonie des Großstadtlärms. Und die Steine beginnen zu tanzen.

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