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Berlin: Menü mit Milchschnitte

...präsentiert Ihnen Marco Müller von der Weinbar „Rutz“. Er ist nicht ganz so wild wie sein Vorgänger Ralf Zacherl, sondern eher etwas verspielt. Zu seiner Küche gehören Gags wie ein „gepierctes“ Doradenfilet. Kennzeichnend für Müllers Stil sind auf den ersten Blick bekannte Dinge wie eine „Milchschnitte“, die aber mit Mango und Kokosnuss doch etwas aus der Art schlägt - allerdings höchst schmackhaft.

ALLES FRISCH! JUNGE SPITZENKÖCHE SERVIEREN FRÜHLINGSMENÜS (6)

Es war einmal eine Zeit in den späten neunziger Jahren, da brachten die „Jungen Wilden“ die deutsche Küche durcheinander. Fast wirkte ihr Tun wie eine moderne Neuauflage der viel geschmähten Nouvelle Cuisine, und ihr Vorreiter war Stefan Marquard, der nur Köche einstellte, die es aushielten, wenn in der Küche Punk-Rock dröhnte. Er kochte beispielsweise „Blaukraut-Birnen-Lasagne mit Portwein-Chili-Eis und süßem Pesto“. Huh, sagten alle, der spinnt doch, oder? Und heute, ein paar Jahre später, ist das fast schon normal. Nicht bei allen Köchen, nein, aber bei den Vorreitern in den trendsetzenden Großstadtrestaurants.

Marco Müller, der neue Küchenchef in der Weinbar Rutz, ist so einer. Er musste die Stammgäste nicht erst lange von solchen Experimenten überzeugen, denn schon sein Vorgänger Ralf Zacherl, der ziegenbärtige Scherzbold aus dem Fernsehen, hatte ja beispielsweise Kabeljau, Blutwurst und Mango-Chili-Joghurt zusammengebracht. Müller, eher verspielt als wild, zeigt sich jetzt als Chef am Herd auch mit anderen Gags, etwa dem „gepiercten“ Doradenfilet, als überzeugter Marquardtianer. Er serviert Suppe mit Strohhalm in einer schwarzen Teedose oder formt „Raffaellos“ aus Kichererbsen und Lachs. Ein kleines Beispiel für diesen Stil ist die leicht aus der Art geschlagene „Milchschnitte“ in unserem Menü.

Müller hat seinen Weg in die Küche übrigens an einem Ort begonnen, der eher nicht auf Sterne und andere Auszeichnungen hinauslief und schon gar nicht auf kulinarische Experimente: in der „Ufergaststätte“ in Potsdam. Dann folgten Wanderjahre bei guten Berliner Adressen wie dem Bristol Kempinski, dem Intercontinental, dem Alten Zollhaus und dem Grand Slam. Als Sous-Chef im Schlosshotel Bühlerhöhe schnupperte er Schwarzwaldluft, doch Berlin war für ihn auf Dauer durch nichts zu ersetzen, und so wechselte Müller auf seinen ersten Chefposten im Grand Hotel Esplanade und auf den zweiten im Storkower Schloss Hubertushöhe. Platz 2 beim „Prix Culinaire Taittinger“, 3.Platz beim „Bocuse d’ Or“: Kaum zu glauben, wie weit es einer aus der Potsdamer Ufergaststätte bringen kann.

Zwischendurch hatte Müller immer mal im „Rutz“ ausgeholfen, und so war er klar die erste Wahl, als Zacherl ganz zum Fernsehen wechselte. Das war auch die Zeit, als Lars Rutz, der Patron und Gründer des Restaurants, starb. Die Weinszene blickte damals besorgt auf eines ihrer schönsten Tempelchen: Würde das gut gehen? Inzwischen ist klar, dass es gut gegangen ist, die Gäste füllen das Haus nahezu jeden Abend, und sie lauern gespannt auf die kleinen Scharmützel zwischen Müllers Spaßküche und den über tausend Weinen des Hauses, die künftig von Jürgen Hammer ganz im Sinne des Gründers verwaltet werden. Ein Selbstläufer, den sie in anderen deutschen Städten gern hätten.

Weinbar Rutz, Chausseestraße 8, Mitte, täglich außer sonntags ab 18 Uhr geöffnet, Tel. 24628760, Reservierung ratsam.

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