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Anti-Bond in Berlin. Niemals hätte 007 eine Hornbrille wie Michael Caine alias Agent Harry Palmer getragen.

© imago/United Archives

Michael Caine in Berlin: Rückkehr in die seltsame Stadt

Michael Caine ist nicht so recht warm geworden mit der Stadt, als er hier vor 50 Jahren drehte. Vielleicht ändert sich das ja noch. Schließlich gibt’s heute Abend eine Ehrung.

„Ich mag Berlin nicht sehr, Sir. Da kann man erschossen werden.“ Tja, das konnte einem Geheimagenten Mitte der sechziger Jahre hier schon mal passieren, für seinen Vorgesetzten kein Grund, sentimental zu reagieren: „Dafür bezahlen wir Sie.“ Und wenn man sich auch davor hüten sollte, die Worte einer Filmfigur seinem Darsteller anzuhängen: Im Falle von MI6-Mitarbeiter Harry Palmer und Schauspieler Michael Caine waren deren Ansichten bezüglich der Mauerstadt nicht allzu weit voneinander entfernt. Die Berliner nämlich kamen Caine überaus kalt und abweisend vor. Man habe nie den Eindruck, dass jemand erfreut sei, einen zu sehen, beklagte er sich in einem Interview des „Esquire“ nach den Dreharbeiten zu „Funeral in Berlin“. Er wolle gegen niemanden unfair sein, „also sagen wir mal: Wir tanzen nach unterschiedlichen Melodien. Das ist nicht mein Ding“.

Das sollte sich spätestens an diesem Wochenende ändern, erhält doch Sir Michael Caine, schon 2001 als bester Darsteller für den Europäischen Filmpreis nominiert, am Samstagabend im Haus der Berliner Festspiele den Ehrenpreis der Europäischen Filmakademie, einen von dreien, die heute verliehen werden. Und erneut nominiert als Darsteller ist er ohnehin, für „Ewige Jugend“.

Preis für das Lebenswerk

Ein Ehrenpreis – das zielt auf Lebenswerk, also auch auf Caines Arbeit als Schauspieler 1966 im geteilten Berlin unter Regisseur Guy Hamilton. Der hatte kurz zuvor mit „Goldfinger“ einen Riesenhit gelandet, drehte mit „Finale in Berlin“, wie der deutsche Titel hieß, gleich den nächsten Agententhriller, diesmal eben mit Harry Palmer statt James Bond. Produzent war Harry Saltzmann, der mit Albert R. Broccoli die frühen 007-Filme produzierte und, nach dem Erfolg des ersten Harry-Palmer-Films „The Ipcress File“, eine Art Anti-Bond zu etablieren hoffte.

Einen Mann mit nicht ganz sauberer Weste, war doch Palmer als begnadeter, leider ertappter Dieb zum Agentenleben gezwungen worden. Eine Schwäche für schöne Frauen und hochprozentige Drinks hatte auch er, konnte bei Bedarf hart zuschlagen, aber einen halblangen hellen Trenchcoat und Hornbrille wie er würde 007 nie tragen. Auch übertraf der Grad der Respektlosigkeit, mit der Palmer seinem Chef gegenübertrat, den im Verhältnis Bonds zu M locker. Nur eines mochte Caines Agent gar nicht: „Ich töte niemanden kaltblütig.“ Das überließ er lieber anderen, israelischen Agenten beispielsweise, die seinen Gegenspieler, einen ehemaligen KZ-Wärter und Ost- Agenten, beim Fluchtversuch an der Mauer, West-Seite, niedermähen. Palmer hat nur die Falle aufgebaut.

West-Berliner Drehorte

Ein spektakuläres Finale eines noch immer spannenden Thrillers um einen angeblich zum Seitenwechsel bereiten KGB-Oberst, einen ehemaligen Nazi mit ausgetauschter Identität, einen ebenso geschäftstüchtigen wie skrupellosen Fluchthelfer, eine schöne israelische Agentin und eben dem seinem Job gegenüber reichlich distanzierten, gleichwohl effektiven Harry Palmer. Und es gibt eine weitere Hauptfigur, die den Rahmen abgibt für all das Täuschen, Intrigieren und Morden: Berlin.

„Ein seltsamer Ort“, wie Michael Caine in seiner Autobiografie „What’s it all about?“ schreibt. Mögen schon die Berliner ihn in ihrer nicht gerade herzlichen Art irritiert haben: Auf das Personal einer Transvestitenbar, in der eine Szene gedreht wurde, war der Brite ganz und gar nicht vorbereitet und reagierte entsprechend geschockt. Zumal als der Besitzer, „ein massiver Kerl mit Dreitagebart und behaarten Unterarmen so dick wie meine Oberschenkel“ und gekleidet wie ein Schulmädchen, à la Shirley Temple „On the Good Ship Lollipop“ zu singen begann.

Für die Studioaufnahmen nutzte Hamilton die Pinewood Studios bei London, doch die meisten Szenen entstanden an West-Berliner Drehorten, ausgesucht mit Hilfe des aus Berlin stammenden, schon bei „Goldfinger“ aktiven Production Designers Ken Adam. Harry Palmer wohnt am Kurfürstendamm im Hotel am Zoo, mit Blick auf Gedächtniskirche und Europacenter, das damals noch seine Eisbahn hat. Angekommen ist er auf dem Flughafen Tempelhof mit einer PanAm-Maschine, später wird er das Hilton an der Budapester Straße, das heutige Interconti, besuchen.

Osten reagierte empfindlich

Die Philharmonie ist noch ein Solitär auf weiter Flur, und die U-Bahn rattert wie heute auf ihren Gleisen über den Straßen Kreuzbergs, eine Szene, die im Film allerdings in Ost-Berlin spielt. Auch der Görlitzer Bahnhof steht damals noch, hat im Film die Ost-Berliner Adresse Marx-Engels- Platz 59, den Checkpoint Charlie dagegen musste man in der Nähe des Originals nachbauen.

Ohnehin reagierte der Osten empfindlich auf die Dreharbeiten, wie Caine schilderte: „Jedes Mal, wenn wir nahe der Mauer zu filmen versuchten, schafften die Russen Scheinwerfer und Spiegel heran und leuchteten direkt in die Kameralinsen. Irgendwann kam sogar eine Einheit der British Army in Jeeps, ein junger Offizier stieg aus und rief: Haut ab! Ich will das hier nicht haben. Verschwindet – ihr könntet den Dritten Weltkrieg auslösen.“ So weit kam es dann doch nicht, ja, man konnte sogar den Russen – es waren wohl eher DDR-Grenzer – ein Schnippchen schlagen: mit Teleobjektiven.

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