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Farbbeutel flogen auf die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.

© dapd

Mieterstadt Berlin: Auch Problemkieze schrecken Investoren nicht ab

Kaufinteresse besteht in allen Innenstadtlagen – doch nicht überall gibt es Widerstand wie in Friedrichshain oder Kreuzberg. Im alten West-Berlin herrscht noch ein anderer Typus von Hausbesitzer vor.

Die Auseinandersetzungen in der Mieterstadt Berlin werden schärfer. In der Nacht auf Dienstag wurde die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung am Köllnischen Park mit Glasflaschen und Steinen beworfen. Wenige Stunden zuvor hatten Bewohner des Kreuzberger Wrangelkiezes das Büro des Bezirksbürgermeisters Franz Schulz (Grüne) besetzt, um gegen steigende Mieten zu protestieren. Gleichzeitig nahm ein Trupp Linksautonomer ein leer stehendes Haus des Wohnungsunternehmens GSW in Besitz. Die Polizei räumte das Haus, dabei kam es zu Rangeleien mit Sympathisanten. Sieben Besetzer wurden vorübergehend festgenommen.

Auslöser für die Attacken waren die eher beschwichtigenden Äußerungen der Senatorin für Stadtentwicklung, Ingeborg Junge-Reyer (SPD), zum aktuellen Mietspiegel. Bezirksbürgermeister Schulz solidarisierte sich mit seinen Bürobesetzern und kritisierte die Wohnungspolitik der Landesregierung.

Mieter in verschiedenen Quartieren der Innenstadt – mit Schwerpunkt Kreuzberg – machen seit Monaten mit Aktionen gegen steigende Mieten und die Umwandlung in Eigentums- oder Ferienwohnungen mobil. Am Wochenende gab es wieder einen „Kiezspaziergang“ zu den „Brennpunkten der Verdrängung“. Die harmlos klingende Veranstaltung wird von der Polizei als Demonstration eingestuft und kann für Bewohner der aufgesuchten Neubauten unangenehme Folgen haben. Ein Vater berichtete dem Tagesspiegel von einem „kindskopfgroßen Stein“, der in seiner Badewanne landete. Dieser Stein hätte auch sein Kind treffen können. Seit diesem Anschlag sei es ruhiger geworden, es würden nur noch Farbbeutel geworfen, deshalb bittet der Vater, seinen Wohnort nicht preiszugeben.

Während in Friedrichshain-Kreuzberg viele Initiativen das Feindbild des renditehungrigen Immobilienhais schüren, der sich immer mehr Häuser einverleibt und die angestammten Mieter vertreibt, gibt es in Neukölln, Teilen von Mitte und bürgerlichen Bezirken wie Charlottenburg-Wilmersdorf weniger Spannungen. Das hat nach Ansicht von Reiner Wild, Geschäftsführer des Mietervereins, vor allem strukturelle Gründe. Im alten West-Berlin herrsche noch der Typus des ortsansässigen Hauseigentümers vor, der seine Mieter kennt und in der Regel an stabilen Mietverhältnissen interessiert ist. „Im Ostteil der Stadt wurde oft von null auf hundert modernisiert, im Westteil eher sukzessive.“

Den klassischen Handwerker, der ein Haus zur Alterssicherung erwirbt und nicht unbedingt auf die Mietzahlungen angewiesen ist, gebe es aber kaum noch, sagt Dieter Blümmel, Sprecher des Berliner Vereins Haus & Grund. Wegen der komplizierten Rechtslage bei Modernisierungen und der niedrigen Mieten, die bis zum Beginn des Immobilienbooms gezahlt wurden, hätten viele aufgegeben und an Investoren verkauft. Auch in sozial problematischen Gegenden wie Wedding, Moabit und Nord-Neukölln kauften Investoren inzwischen Häuser, weil sie langfristig auf anziehende Mieten setzen. Im aktuellen Wohnmarktreport der GSW wird Neukölln wegen „attraktiver Einstiegspreise“ für „etwas risikofreudigere Investoren“ ausdrücklich empfohlen.

Andreas Habath, Vizevorsitzender des Immobilienverbandes Berlin-Brandenburg, sieht die Ursache für die Mietendynamik in der östlichen Innenstadt vorwiegend im „Hype“, der Neuberliner zwanghaft anziehe. „Alle wollen nach Friedrichshain, Prenzlauer Berg oder Kreuzberg, das ist wie Harleyfahren.“ Am Savignyplatz müssten Neumieter derzeit genauso viel zahlen, aber weil viele Menschen schon lange dort wohnen, gebe es nicht einen vergleichbaren Druck auf die Mieten insgesamt. Investoren würden überall in Berlin Häuser kaufen, nur in Ausnahmefällen handele es sich dabei um „Haie“, die ihre Mieter wegbeißen.

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