zum Hauptinhalt
Eingemauert. Das Bad und auch die Küche von Wohnungen in der Calvinstraße wurden zugemauert, weil nebenan ein Neubau entstand. Nun soll außerdem saniert werden. Die Mieter zogen deshalb vor Gericht.

© Doris Spiekermann-Klaas

Update

Mietstreit um die Calvinstraße in Berlin: Landgericht gibt Bewohnern Recht

Die Modernisierung des Wohnhauses in der Calvinstraße, das die Mieter zum Ausziehen gezwungen hätte, ist vorerst vom Tisch. Die Richterin nannte das unzumutbar. Doch der Streit ist noch lange nicht beigelegt - und wird nun noch das Verfassungsgericht beschäftigen.

Mit einem Glas Sekt standen sie da, als es vorbei war, im Licht der Scheinwerfer, im Halbkreis aufgestellt, den Kameras zugewandt – unter dem gewaltigen Kuppelgewölbe des Landgerichts. Vier Jahre nach dem Beginn des Streits mit einer Immobilienfirma aus Baden-Württemberg haben die Mieter aus der Moabiter Calvinstraße eine gewisse Berühmtheit erlangt. Wegen der Mauer, auf die sie nun blicken, die der Vermieter Zentimeter vor ihrem Küchenfenster hochzog. Und wegen der Gerüchte, dass Nebentätigkeiten der Richterin für Vermieter- und Grundeigentum-Verbände die Waagschale Justitias aus dem Lot bringen könnten. Nichts von alledem war erkennbar an diesem Tag. Mit weißer berüschter Bluse unter dem schwarzen Robe, weißblondem Haar und Lesebrille führte die Richterin besonnen die Verhandlung. Die aufwendige Modernisierung der Calvinstraße, die zu einer Verdoppelung der Miete führen und die Bewohner zum Auszug zwingen würde – nicht zulässig! Die Minderung der Miete wegen des gewaltigen Baulärms auf Nachbargrundstücken, wo im Auftrag des Vermieters gebaut wird – darüber müsse die Kammer noch beraten.

Gericht hatte Mietminderung wegen Baulärms abgelehnt

„Handzahm“ nannte Mieteranwalt Christoph Müller die Richterin nach der Sitzung – „ganz untypisch“ für ihren bisherigen Verhandlungsstil. Am späten Nachmittag änderte sich seine Einschätzung aber, als das Landgericht meldete, dass „in keinem der entschiedenen Fälle die Revision zugelassen“ wurde. Auch für den fünften Bewohner gilt damit, dass sie ihre Miete wegen des Baulärms nicht mindern darf. Dies hatte das Landgericht begründet mit der „Baulückenrechtssprechung“. Diese besagt, grob gesagt, dass Mieter in Innenstädten immer damit rechnen müssen, dass Baulücken geschlossen werden und dürfen deshalb die Miete nicht mindern. Allerdings hatte eine andere Kammer des Berliner Landgerichts in ähnlichen Fällen für die Mieter entschieden. Die Anwälte wollen deshalb jetzt zum Verfassungsgericht ziehen.

Mieter der Moabiter Calvinstraße freuen sich über Etappensieg

Warum sollten Mieter keinen Anspruch auf Mietminderung gegen Vermieter haben? Die blieben nicht mal auf diesen Kosten sitzen, sondern könnten sie als Schadensersatz vom lärmenden Bauherrn in der Nachbarschaft zurückholen! So sieht das Werner Noffke, der am Amtsgericht den Fall zugunsten der Mieter entschieden hatte. Die Verhandlung am Landgericht verfolgte der pensionierte Richter persönlich – im „Unruhestand“. Auch Kirsten Metter, Rechtsanwältin des Vermieters, kann nun das Urteil, das die Sanierung verbietet, nicht überprüfen lassen. Dass die Richterin wegen des öffentlichen Drucks an diesem Tag von ihrer bisherigen Linie abgerückt sein könnte, wollte sie nicht bemerkt haben. Deutlich machte sie aber, dass der Hauseigentümer einen neuen Anlauf mit einer veränderten Modernisierungsankündigung nehmen wird. Das ist auch Mieterin Helga Brandenburg klar, während sie am Sektglas nippt. Verhalten ist auch die Freude ihres Anwaltes über den „Etappensieg“: Wiederholt betont er, man sei bereit mit dem Vermieter zu verhandeln. Eine gewisse Müdigkeit tritt ein, wegen dem Sekt am morgen und in einem Rechtsstreit, der nun schon vier Jahre anhält.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false