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Berlin: Migrantinnen wehren sich stärker gegen schlagende Ehemänner

Notruf-Hotline und Polizei verzeichnen einen Anstieg von Hilfe suchenden Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind

Von Sabine Beikler

Harte Fakten: Jede vierte Frau in Deutschland ist von häuslicher Gewalt betroffen. Und 37 Prozent aller Frauen erleben seit ihrem 16. Lebensjahr körperliche Übergriffe. Das ergab eine repräsentative Studie des Bundesfrauenministeriums aus dem Jahr 2004. Im vergangenen Jahr haben sich mehr als 6000 Frauen, die von ihren Partnern brutal verprügelt worden sind, telefonisch an die Berliner „BIG-Hotline“ gewandt. Bei rund neun Prozent aller Opfer häuslicher Gewalt mussten die Mitarbeiterinnen des „Berliner Interventionsprojektes gegen häusliche Gewalt“ Dolmetscherinnen einschalten. Ist die Bereitschaft bei Migrantinnen gestiegen, nach Gewaltsituationen Hilfe zu suchen? „In den vergangenen Jahren ist der Anteil derer, die sich an uns wenden, deutlich gestiegen“, sagt Irma Leisle, Leiterin der BIG-Hotline. Eine genaue Statistik darüber wird aber nicht geführt.

Leisle führt den Anstieg Hilfe suchender Migrantinnen auch darauf zurück, dass sich die Arbeit von BIG innerhalb der einzelnen Ethnien nach zehn Jahren Projektarbeit inzwischen herumgesprochen hat. In mittlerweile sieben Fremdsprachen werden die BIG-Faltblätter in Vereinen oder Kulturzentren verteilt.

Auch die Polizei verzeichnet mehr Anzeigen häuslicher Gewalt. Wurden 2002 noch 7600 Fälle erfasst, waren es ein Jahr später schon 10 400. Und im vergangenen Jahr registrierte die Polizei 12 814 Fälle. Auch bei der Polizei wird keine Statistik der Opfer, nach Nationalitäten aufgeteilt, geführt. Allerdings: „Auch wir erleben eine gefühlte stärkere Tendenz, dass Migrantinnen ihre gewalttätigen Ehemänner mehr anzeigen als noch vor ein paar Jahren“, heißt es in Polizeikreisen.

Martina Linke ist bei der beim Landeskriminalamt (LKA) angesiedelten Zentralstelle für Prävention zuständig für Opferschutz und häusliche Gewalt. „Wir können betroffene Frauen nur auffordern, sich vertrauensvoll an uns oder an die BIG-Hotline zu wenden“, sagt Linke. Um noch schneller mit Opfern in Kontakt zu treten, haben Senatsfrauenverwaltung, Polizei und BIG-Hotline ein neues Projekt gestartet: Wenden sich Frauen an die Polizei, geben die Beamten – nur mit Zustimmung der Opfer – die Rufnummern Betroffener an die BIG-Mitarbeiterinnen weiter. Diese werden daraufhin Kontakte zu den Frauen knüpfen – und wenn gewünscht, ihnen nicht nur am Telefon mit Rat und Tat zu helfen. Die Senatsverwaltung finanziert dieses Projekt zunächst für ein Jahr mit 50 000 Euro.

Polizeibeamte dürfen seit 2003 gewalttätige Ehemänner auffordern, unverzüglich die Wohnung zu verlassen und sie bis zu 14 Tage nicht mehr zu betreten: Der Hausschlüssel wird den potenziellen Tätern auch gleich abgenommen. In gefährlichen Situationen stellen die Beamten für die Opfer einen Kontakt mit Frauenhäusern her.

Die „BIG-Hotline“ für Opfer ist täglich von 9 bis 24 Uhr zu erreichen: 611 03 00

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