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Berlin: „Milliarden-Risiken bewusst verschwiegen“

Im Prozess um den Bankenskandal fordern die Staatsanwälte Bewährungsstrafen

Nach 30 Verhandlungstagen war es wie am Anfang: Ulf-Wilhelm Decken kommentierte die Ausführungen der Staatsanwaltschaft mit Kopfschütteln. Der frühere Vorstandssprecher der Landesbank Berlin (LBB) und sein einstiger Vorstandskollege Jochem Zeelen müssen sich seit fast neun Monaten wegen Bilanzfälschung vor dem Berliner Landgericht verantworten. Gestern beantragte die Staatsanwaltschaft Strafen von jeweils zwei Jahren Haft auf Bewährung. Zudem sollen die einstigen Top-Manager Geldauflagen zahlen: Decken 60 000 Euro, Zeelen 45 000 Euro. Ihre Anwälte kündigten an, am Mittwoch auf Freispruch zu plädieren. Zum Urteil könnte es am 31. Januar kommen.

Es ist der erste große Strafprozess im Berliner Bankenskandal, der den Landeshaushalt Milliarden kostete. Schwere Geschütze fuhr denn auch die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer auf, obwohl das Land Berlin im vorliegenden Fall nicht finanziell einspringen musste. Durch erteilte und dann geheim gehaltene Risiko-Freistellungen seien zumindest die Existenz der LBB und damit 6500 Arbeitsplätze gefährdet gewesen. „Letztlich hätte das Land Berlin und damit der Steuerzahler aufkommen müssen." Die Ankläger bemühten sogar Urteile des Reichsgerichts aus den Jahren 1881 und 1886. Dort nämlich sei bereits festgestellt worden, „dass Kaufleute ihre Pflichten nicht auf andere Schultern abwälzen dürfen".

Der 61-jährige Decken und der 63-jährige Zeelen müssen sich wegen angeblich falscher Jahresbilanzen verantworten. Sie sollen für die Bank Freistellungserklärungen unterzeichnet haben mit der Folge, dass die persönlich haftenden Gesellschafter der LBB-Tochter Weberbank sowie von fünf Fondsgesellschaften der LBB nicht für Verbindlichkeiten aufkommen mussten. Diese Risiken in Höhe von bis zu 7,7 Milliarden Euro seien 1997 bis 1999 in den Jahresbilanzen der Bankgesellschaftstochter LBB bewusst geheim gehalten worden.

Die beiden Ex-Vorstände bezeichneten diese Vorwürfe als „Unsinn". Die Freistellungen von Risiken für die Gesellschafter seien wirtschaftlich für die LBB-Bilanzen ohne Bedeutung gewesen. Die Bank hätte ohnehin für die Risiken der Tochterfirmen gehaftet. Auch in anderen Geldinstituten gebe es Freistellungen von persönlich haftenden Gesellschaftern, ohne dass dies in den Bilanzen vermerkt sei.

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft aber hielten die erfahrenen Banker die Freistellungen bewusst geheim – im Interesse eines wirksamen Marktauftrittes. „Deshalb wollte man mit Haftungsbeschränkungen nicht an die Öffentlichkeit gehen", hieß es im Plädoyer. Wenn sie tatsächlich nicht genau wussten, ob die Freistellungen in die Bilanz gehören, wären sie verpflichtet gewesen, ein Rechtsgutachten einzuholen. „Eine Nachfrage bei den Wirtschaftsprüfern hätte ausgereicht, um Unklarheiten zu beseitigen.“

Die Höchststrafe wegen Bilanzfälschung liegt bei drei Jahren Gefängnis. Die Bewährungsstrafen begründete die Staatsanwaltschaft damit, dass im Endeffekt kein Schaden entstanden sei und bei den ehemaligen Managern schließlich keine Wiederholungsgefahr bestehe. Decken schüttelte den Kopf. Er und Zeelen kündigten nach dem Plädoyer an, dass sie bei einem Schuldspruch Revision einlegen werden.

Kerstin Gehrke

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