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Berlin: Millionen von Muscheln spülen die Spree

Bei Erkner bietet der Fluss eine Traumkulisse. Die inspirierte auch Dramatiker Gerhart Hauptmann.

Zum Baden in die Spree? Na klar! Denn der Fluss weist nahezu Trinkwasserqualität auf – wenn auch einige Dutzend Kilometer vor der südöstlichen Berliner Stadtgrenze – in Mönchwinkel zum Beispiel, das bei dieser Tour zwischen Fürstenwalde und Erkner auf dem (Rad-)Weg liegt. Dort wagen sich Einheimische und Ausflügler nicht nur an heißen Tagen ins Wasser. Abgehärtete schwimmen auch mal bei verhaltenen Temperaturen in der Spree, weil sie sich in diesem Abschnitt viel schneller als anderswo erwärmt. Eine Augenweide ist sie auch noch, denn sie schlängelt sich in vielen Windungen durch die grüne Landschaft. Die Mäander lassen den Wasserstand im Normalfall höchstens auf etwas mehr als einen Meter steigen, und so kann der gemächlich dahinfließende Fluss die Wärme gut speichern.

Die sehr gute Wasserqualität verdankt sie einer anderen Tatsache: Im Abschnitt zwischen dem Spreewald und der Berliner Landesgrenze leben an ihrem Grund etwa 30 Millionen Muscheln, und die funktionieren wie ein riesiger Geschirrspülautomat. Binnen einer Woche filtern die Kleinlebewesen rund zehn Tonnen Trüb- und Schwebstoffe aus der Spree. „Sie brauchen, damit das funktioniert, allerdings fließendes Wasser“, erklärt der Chef des Brandenburger Landesumweltamtes, Professor Matthias Freude. „Nur dann wirkt der Spüleffekt.“

Dass der Fluss Tempo machen muss, um natürlich geklärt zu werden, zeigte sich vor einigen Jahren, als die Spree in viel zu trockenen Sommern zum Stillstand gekommen war, ja, von Berlin aus sogar einige Zentimeter rückwärts in Richtung Lausitz floss. Das bewies ein Experiment mit einem Papierboot im Stadtzentrum.

In diesem Frühjahr deutet aber noch nichts auf einen möglichen Wasserstandengpass hin. Ausflügler genießen die Ruhe und eine Landschaft, die manchmal entlang der zahlreichen Flussschleifen wie ein Gemälde wirkt. Das große Muschelklärwerk garantiert offensichtlich auch eine reiche Pflanzen- und Tierwelt am Ufer. Und jeder Radler findet garantiert einen stillen und versteckten Platz zur Rast, zum Picknick oder auch zum Baden.

Hier dürfte sich seit hunderten Jahren nicht viel verändert haben. Die vom Preußenkönig Friedrich II. zwischen 1749 und 1751 mit allerlei Vergünstigungen in die Region gelockten Kolonisten aus der Pfalz gründeten kleine Orte, die ihre Ausdehnung danach nur unwesentlich veränderten. Es ist also nicht verwunderlich, dass sich selbst der Wahrheitsgehalt der vor mehr als 120 Jahren geschriebenen Eindrücke des Literaturnobelpreisträgers Gerhart Hauptmann über die Spreelandschaft leicht überprüfen lässt.

Der Dichter hatte sich im September 1885 für vier Jahre in der Villa Lassen in Erkner einquartiert, um der damals schon teuren und luftverschmutzten Stadt Berlin zu entfliehen. „Dem Wechsel des Wohnortes verdanke ich es nicht nur, dass ich mein Wesen bis zur reifen Geistesleistung entwickeln konnte, sondern dass ich überhaupt noch am Leben bin“, schrieb Hauptmann, der unter Lungenproblemen litt, rückblickend. „Die märkische Erde nahm uns an, der märkische Kiefernforst nahm uns auf. Kanäle, schwarz und ohne Bewegung, laufen durch ihn hin, morastige Seen und große verlassene Tümpel unterbrechen ihn, mit Schlangenhäuten und Schlangen an ihren Ufern.“ In Erkner waren er und seine Frau Marie Thienemann glücklich. „Natur und Boden wirkten fruchtbar belebend auf uns.“ Das könnte man wörtlich nehmen: Drei der vier Söhne wurden hier geboren.

Der schriftstellerische Ertrag dieser Zeit kann sich sehen lassen: Er schrieb die Novelle „Bahnwärter Thiel“ und fand den Stoff für zwei entscheidende Stücke: „Der Biberpelz“ und „Der Rote Hahn“. Unsere Radtour führt an mehreren Schauplätzen aus Hauptmanns Stücken vorbei. Die Villa Lassen beherbergt schon seit 1987 ein Gerhart-Hauptmann-Museum.

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