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Berlin: Minarette über Kreuzberg

Die Omar-Ibn-Al-Khattab-Moschee an der Wiener Straße repräsentiert das gewachsene Selbstbewusstsein der Berliner Muslime. Jetzt ist der Rohbau fertig

Von ganz oben, beim Blick über die Dächer von Kreuzberg, sieht es aus wie ein arrangiertes Symbolbild für den kulturellen Wandel in der Stadt. Hell ragen die vier Minarette mit den Halbmonden drauf in den Himmel. Schräg dahinter sieht man den dunklen Kirchturm der nahen Emmauskirche am Lausitzer Platz. Der ist etwa doppelt so hoch wie die Minarette, aber vom Dach der Moschee an der Wiener Straße aus scheint das christliche Gotteshaus auf die Größe des muslimischen zu schrumpfen.

Seitdem vor kurzem die Baugerüste entfernt wurden, kann man die helle, offen wirkende Moschee mit der Fassade aus Sandstein, Granit und großen Glasfenstern und -türen vollständig sehen. Auch wenn noch die letzten Feinheiten fehlen: Es lässt sich erahnen, dass die imposante Omar-Ibn-Al-Khattab-Moschee, benannt nach dem zweiten Kalifen der Sunniten, der am weitesten verbreiteten Glaubensrichtung im Islam, zu einem Wahrzeichen des Viertels rund um den Görlitzer Bahnhof werden dürfte. Und zu einem Sinnbild dafür, wie muslimisches Leben in Berlin ein zunehmend sichtbarer und akzeptierter Teil des Alltags wird. „Die Leute fassen Vertrauen“, sagt Birol Uçan vom Vorstand des Islamischen Vereins für wohltätige Projekte, der die Moschee baut, beim Baustellenrundgang.

Damit meint der 33-Jährige nicht nur das mit dem Baufortschritt wachsende Vertrauen der muslimischen Spender, die nach Vereinsangaben bislang etwa die Hälfte der geplanten Baukosten von fünf Millionen Euro gegeben haben, sondern auch die Nachbarn und die Öffentlichkeit. Die anfängliche Skepsis gegen das Projekt auf dem Gelände des vor 20 Jahren abgebrannten Bolle-Marktes hat sich gelegt. Wohl auch, weil Uçan und seine Vereinsfreunde geduldig jedem erklären, dass ihre Gruppe, die sich als gemäßigt sunnitisch und integrationsorientiert versteht, mit radikalen Islamisten nichts gemein hätte. „Wir sind nicht politisch, sondern wollen nur religiöse Angebote machen und über radikale Gruppen aufklären“, sagt Uçan, der in Berlin als Sohn türkischer Eltern geboren wurde und die deutsche Staatsbürgerschaft hat. „Wir sehen uns als Teil der deutschen Gesellschaft.“ Dazu gehört für ihn auch, mögliche Konflikte mit nichtmuslimischen Anwohnern offen anzugehen. Das fängt damit an, dass der Gebetsruf des Muezzin nur in der Moschee zu hören sein wird, um die Nachbarn nicht zu stören. Dazu gehört auch, dass Uçan seine Telefonnummer in der Umgebung verteilt hat, damit es einen Ansprechpartner gibt. „Es kommen immer wieder Nachbarn auf einen Tee vorbei und fragen: Was macht ihr denn hier?“ Auch die Kreuzberger CDU, die lange zu den Moschee-Skeptikern gehörte, hat sich inzwischen mit dem Bau abgefunden – notgedrungen, wie das Kreuzberger Abgeordnetenhausmitglied Kurt Wansner sagt: „Wir müssen damit leben.“

Dort, wo im Herzstück des islamischen Zentrums eines Tages der Imam predigen soll, geben im Moment noch die Bauarbeiter der Ton an. Der große Gebetssaal mit der Ausbuchtung Richtung Südsüdost – gen Mekka – ist erfüllt von Hammerschlägen und dem Kreischen von Sägen und Fräsmaschinen. Aber es lässt sich bereits erahnen, was für ein prachtvoller Saal der jetzt so staubige, dreigeschossige Raum mit seinen zwei Galerien werden wird, orientalisch verziert und mit Teppichen und Fußbodenheizung versehen. Hunderte von Muslime sollen dann künftig hier Platz finden, um dem auf Arabisch gehaltenen und dann auf Deutsch übersetzten Freitagsgebet zu folgen, Männer auf der einen, Frauen auf der anderen Seite.

Bislang tun sie dies in dunklen, kalten und zu kleinen Hinterhofräumen, die ein paar Häuser weiter in der Skalitzer Straße liegen. Seit mehr als zehn Jahren nutzt sein Verein dort eine ehemalige Fabriketage, bietet Seminare über islamische Religionslehre und arabische Sprachkurse an, sagt Birol Uçan. Bis zu 240 Menschen kommen regelmäßig zum Gebet. Aber das sei nur ein kleiner Teil der Unterstützer. In der neuen Moschee hofft der Verein auf regen Zulauf von Arabern, Türken, Jugoslawen und Deutschen. „Unsere Tür ist offen für jeden, außer für Radikale und Extremisten“, sagt Uçan.

Beim Gang durch die sieben Etagen bis zum Dach fällt auf, dass neben Gebets- und Waschräumen viele Büros und mehrere große Versammlungsräume geplant sind. Ein Veranstaltungssaal ist für Familienfeiern wie Beerdigungen und Hochzeiten vorgesehen, erklärt Uçan, zwei Etagen werden Verwaltungs- und Schulungsräume beherbergen. Die Jugendarbeit ist eines der zentralen Anliegen der Gemeinde, als Ziel nennt Uçan die religiöse Schulung als Gegenmittel zu Gewalt, Drogen, Kriminalität und Radikalismus. „Wir hoffen, dass wir Zuwachs bekommen“, erklärt der Vereinssprecher optimistisch die große Zahl der Räume. Angesichts der Spendenfreudigkeit, die nach seiner Darstellung weit über den Kreis der Vereinsmitglieder hinausreicht und Unterstützer quer durch Deutschland umfasst, wahrscheinlich keine utopische Hoffnung. Wann das Haus, in dessen Erdgeschoss ein Café und ein Restaurant zum Besuch einladen sollen, benutzbar sein wird, mag Uçan nicht vorhersagen. Gebaut wird nach Spendeneingang. Geht es im bisherigen Tempo weiter, könnte die Moschee ab dem kommenden Jahr benutzbar sein.

Das Schmuckstück des Hauses ist das mit einer Glaskuppel und vier Minaretten verzierte Dach – die stehen für die vier anerkannten Rechtsschulen des Islam, auf die die Gruppe sich bezieht. Die eindrucksvolle Dachetage dient jedoch künftig profanen Zwecken, wie Uçan in der Kuppel erklärt, aus der man einen spektakulären Blick bis zum Fernsehturm am Alexanderplatz hat: „Hier wird der Hausmeister wohnen.“

Der Verein im Internet: www.ivwp.de

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