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Berlin: Minderheit Familie

In Berlin gibt es nur 335 000 Haushalte mit Kindern – die meisten in Tempelhof-Schöneberg

Berlin gilt als „Kinderstadt“ – viele Kinderbauernhöfe, Abenteuerspielplätze und Kita-Modelle machen die Stadt attraktiv für Eltern oder solche, die es werden möchten. Der Internationale Tag der Familie rückt die kleinste Zelle der Gesellschaft alljährlich am 15. Mai in den Vordergrund. Doch was ist tatsächlich dran am familienfreundlichen Berlin?

Laut dem Landesamt für Statistik lebten 2006 in der Stadt 335 000 Familien mit Kindern unter 18 Jahren – darin enthalten sind traditionell Verheiratete, Alleinerziehende und Lebensgemeinschaften ohne Trauschein. „Das klingt bei einer Bevölkerung von 3,6 Millionen Berlinern wenig, ist aber leider wahr“, so Mitarbeiterin Heike Hendl. Die Statistiker allerdings zählen anders: Nach ihrer Erhebung gibt es insgesamt 441 000 Familien – darunter auch jene, in denen erwachsene Kinder leben. „Das können Studenten sein, aber auch 60-Jährige, die ihre alten Eltern zu Hause pflegen“, so Hendl. Die meisten Familien leben in Tempelhof-Schöneberg, nämlich 42 200. Dicht dahinter folgen Pankow mit 41 400 und Marzahn-Hellersdorf mit 41 200 Familien.

Der Familienatlas 2007 bescheinigt der Stadt nur einen hinteren Platz und das Attribut „gefährdete Region“. Allerdings schneidet die Hauptstadt beim Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie glänzend ab: Sie landete auf Platz 35 – einbezogen in den Familienatlas wurden insgesamt 439 Städte. Gerade bei der Betreuung von unter Dreijährigen gilt Berlin als vorbildlich. Das Motto des Familientages lautet „Für Kleine Großes leisten“ und fokussiert damit das Thema Kinderbetreuung. Lokale Bündnisse stellen deshalb heute in den Bezirken ihre Arbeit und Ideen vor, um zu zeigen, dass Kinderbetreuung weiter ausgebaut werden soll (siehe Kasten links).

Dass dieses Thema Eltern brennend interessiert, ist auch die Erfahrung von Marcus Luttmer, Kita-Referent des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. „Die Nachfrage nach ganztägigen Betreuungsangeboten für sehr kleine Kinder nimmt stetig zu“, sagt Luttmer. Der Paritätische Wohlfahrtsverband vereint unter seinem Dach 420 Kitas, in die täglich rund 31 000 Kinder kommen. Generell kämen viele Familien mit den sogenannten Kita-Gutscheinen sehr gut zurecht, hat Referent Luttmer beobachtet. Dennoch gäbe es damit noch Probleme bei Migrantenfamilien, die für ihre Kinder viel mehr Fördermöglichkeiten beantragen könnten – und damit auch einen Ganztagsplatz in den Kitas der Stadt.

Luttmer, selbst Vater eines zweijährigen Kindes, findet Berlin „kinderfreundlich mit vielen Angeboten, die man allerdings erst suchen muss“. Die Spielplatzdichte sei aber optimal und trifft damit das Prädikat „überdurchschnittlich“, das der Familienatlas Berlin 2007 ausstellte. Familienreferentin Evelyn Seelinger vom Paritätischen Wohlfahrtsverband befürwortet den Familientag, um mehr Aufmerksamkeit zu erlangen. „Allmählich hat der Senat verstanden, dass mehr für Familien gemacht werden muss.“ In der Stadt gäbe es viele kleine Träger wie etwa das Wellcome-Projekt, die gute Arbeit leisten. „Leider sind das oft zeitlich befristete Projekte, denen bald das Geld ausgeht.“ Der Senat zahle dafür zu wenig. Und: „Wenn Familienpolitik gemacht wird, konzentriert sie sich immer auf die Kinderbetreuung. Eltern sollen sich aber auch wertgeschätzt fühlen.“Liva Haensel

Liva Haensel

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