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Berlin: „Mir san mir“

SERIE: LÄNDERVERTRETUNGEN IN BERLIN (1) Bayern in Berlin – da ist wirklich fast alles anders als bei den übrigen Ländervertretungen. Größer.

SERIE: LÄNDERVERTRETUNGEN IN BERLIN (1)

Bayern in Berlin – da ist wirklich fast alles anders als bei den übrigen Ländervertretungen. Größer. Vielseitiger. Geradezu preußisch organisiert, bis ins Kleinste. Und alles voller Selbstbewusstsein: Mir san mir.

Meine Erfahrungen mit einer kleinen Außenstelle der Regierung des südlichen Freistaates mit seiner stolzen Hymne in Weiß-Blau reichen zurück bis ins Jahr 1991, als in der von wild umherhüpfenden Kaninchen und sperrigen Mauerresten geprägten Ödnis des Potsdamer Platzes ein einsames Wohnhaus stand, jenes Haus Huth, das längst zum Teil des Ensembles neuer Häuserriesen geworden ist. Aber schon 1991 gab es im unteren Ladengeschoss, wo einst der Präsident des Preußischen Staatsrates Konrad Adenauer seinen Wein gekauft hatte, in drangvoller Enge sehr muntere Zusammenkünfte und Empfänge der Bayern in Berlin. Während der Chef der Landesvertretung seine Geschäfte in Bonn betrieb, stand hier in Berlin der Münchner Gesandte Rainer Zimmer mit drei Mitarbeitern seinen Mann. Er glühte vor Eifer, knüpfte die Fäden und organisierte die Zukunft („natürlich wird Berlin Regierungssitz, und wir sind dann als Erste hier!“), indem er 1992 den Erwerb des Gebäudes des ehemaligen Schaffhausener Bankvereins zwischen Behren- und Französischer Straße betrieb. Das Haus, in dem zuvor der VEB Dampferzeugerbau Berlin saß, wurde von der Treuhand an die Bayern verkauft und ausgebaut. Noch während dieser Phase stellte sich das Land regelmäßig zur Schau, es gab Veranstaltungen, Ausstellungen und dazu allerlei Spezialitäten des Gastgeberlandes, nie ohne Bayerisch Bier. 1998 dann weihten Bundespräsident Roman Herzog (Bayer!) und Ministerpräsident Edmund Stoiber des Freistaates Berliner „Botschaft“ ein: Die Adresse Behrenstraße 21–22 ist seither ein Fixpunkt in den Kalendarien des wichtigeren Teils der politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Gesellschaft der Hauptstadt.

Vorn, in der Eingangshalle, hängt auch an diesem Donnerstag der Tageskalender aus: Acht Programmpunkte, bis 21.30 Uhr. Um neun Uhr kommen 25 Schüler eines Fürstenfeldbrucker Gymnasiums zur CSU-Bundestagsabgeordneten Hasselfeldt, um zehn Uhr 34 „politisch Interessierte“ aus dem gleichen Ort zum Gespräch mit ihrem MdB. Es folgt eine Pressekonferenz zur Ausstellung „Rembrandts Selbstbildnis“ vom Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg, die am Abend eröffnet wird.

So geht das weiter, Schlag auf Schlag, zwischendurch erscheint eine chinesische Delegation aus Qinhuangdao, und zum Schluss stehen Bier und Brezen für die „Vereinigung der Freunde der CSU“ bereit. Der Eindruck, dass es sich bei der Landesvertretung um eine Zweigstelle der CSU handeln könnte, ist freilich falsch: Tags zuvor hatte Otto Schily im Saal Oberbayern 50 Münchner Wähler empfangen, und abends im Bierkeller traf man eine Traditions-Olympiamannschaft, eingeladen von Theo Waigel. „Wir sind überparteilich und für alle da“, sagt der Chef mit dem langen Titel „Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten in der Staatskanzlei und Bevollmächtigter des Freistaats Bayern beim Bund“, Reinhold Bocklet. Der 59-jährige Jurist, der 14 Jahre im Europäischen Parlament saß, pendelt beständig zwischen München, Brüssel und Berlin. Hier vermutet der Minister 30 000 Bayern, die an der Spree eine Heimat haben, „aber nicht vereinsmäßig organisiert sind“. München sei „sehr gesättigt in seinem Erfolg und seinem Glanz“, während Berlin „ein Stück Aufbruch und Dynamik bedeutet“. Manchmal hätte man allerdings den Eindruck, dass „eine bessere Führung die Stadt mehr zur Entfaltung bringen könnte“, sagt der Oberste Bayer in Berlin, für den in dem Gründerzeitbau mit der repräsentativen Fassade ein Schlafzimmer reserviert ist, während der Ministerpäsident bei seinen Berlin-Besuchen im Hotel schläft.

Unser freundlicher Gastgeber, hinter dessen Schreibtisch mit dem Münchner Löwen eine große Bayernfahne steht, erinnert daran, dass es schon zu Zeiten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation einen Vertreter Bayerns in Brandenburg-Berlin gab. Im Jahre 1891 bezog das Königreich seine Gesandtschaft in der Voßstraße in Mitte, das Gebäude musste in der Nazizeit dem Neubau von Hitlers Reichskanzlei weichen. Heute möchten die Bayern im edlen Wettstreit der Ländervertretungen gut vertreten sein – die Botschaften der Bundesländer seien eine große Bereicherung für das gesellschaftliche und kulturelle Leben Berlins.

Wir erinnern uns an eindrucksvolle Abende in der Behrenstraße: Konzerte im Schauspielhaus, die Präsentation der Oberammergauer Passionsspiele, die Landshuter Hochzeit, prominente Redner in der Serie „Reden über Europa“ oder jetzt bei der „Herausforderung Zukunft“ Am 27. April öffnete sich das Haus beim Tag der offenen Tür, Ende Mai treffen sich die Absolventen der Deutschen Journalistenschule München, Ende Juni präsentiert sich Bad Wörishofen mit „Kneipp meets Berlin“, und wenn Bayerns SPD-Landtagsfraktion am 17. Juni zum Kabarettabend lädt, dann werden es die „Biermöslblosn“ mal so richtig allen zeigen.

Bayerns Vertretung, mit 60 Mitarbeitern ohnehin die größte aller Bundesländer, hat mit Ministerialrat Peter Failer einen eigenen Eventmanager, und der Mann macht seine Sache gut: Im Vergleich zu Bonner Zeiten haben sich die Parlamentarischen Abende in Berlin versechsfacht. Im letzten Bonner Jahr kamen 145 Besuchergruppen – in der Behrenstraße werden heuer 2002 bis zu 500 erwartet. 50 000 Besucher jährlich: Rekord in Weiß-Blau in der wahren Hauptstadt. Lothar Heinke

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