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Berlin: Miss und Mister Germany: Huch, sind wir schön!

Nationale Gefühle - wo gibt es die noch? Es schmettert die deutsche Hymne durch die Kongresshalle des Estrel-Hotels, die Gäste erheben sich von ihren Tischen.

Nationale Gefühle - wo gibt es die noch? Es schmettert die deutsche Hymne durch die Kongresshalle des Estrel-Hotels, die Gäste erheben sich von ihren Tischen. Noch schnell die Stellwände mit den Sponsoren aufgestellt, dann dürfen sich Mister und Miss Germany umarmen und ins Licht der Kameras treten. Er lächelt versonnen, sie wischt sich eine kleine Träne aus dem Augenwinkel.

So haben wir uns das vorgestellt. So soll es sein, wenn das Land seine schönsten Kinder in den Wettstreit schickt. Wenn Aphrodite und Apoll herausgefordert werden von Miss "Das Neue", Bankkauffrau aus Fritzlar, Mister T-Online, BWL-Student aus Ludwigshafen, oder von Mister Mitteldeutschland Thomas Feuerstein, Bäckergeselle aus Pforzheim.

Die Showmaster-Frage nach seiner handwerklichen Spezialität lässt er trocken abblitzen: "Brot, Brötchen." Der Jahrgang 2001 wird nicht als Auslese in die Geschichte eingehen, weder intellektuell noch optisch. Nicht alles Gewebe ist so proportioniert und in sich gefestigt, wie man es sich wünscht, und auch die Präsentationstechnik weist einige Macken auf. Mister Brandenburg, Klempner-Azubi, läuft reichlich hölzern. Mister Berlin schaut leicht verwirrt in die Kameras. Mister Sachsen hat eine Tendenz zur Adlernase. Miss Baden-Württemberg pendelt entschieden zu stark in den Hüften, Mister Hamburg (Profi-Motorsportler) macht dermaßen auf Snob, dass man seinen schwarzen Haarwellen ihre Authentizität entschieden abspricht.

Generell fehlt den Kandidaten die Fähigkeit, das aufgesetzte Grinsen unverkrampft in das Spiel der Gesichtsmuskulatur zu integrieren. Die Vorführung im einheitlichen Badelook (die Männer barfuß, die Damen in Stöckelschuken) sinkt gelegentlich auf Freibad-Niveau.

"Die Typen sehen alle ziemlich ähnlich aus", mäkelt Matthias Ludtke aus Eberswalde, der mit seinen Kumpels zur Unterstützung von Mister 105,5, ebenfalls aus Eberswalde, angereist ist. Die Konkurrenz wird dagegen mit Schmähkritik überzogen. "Ey, voll BSE, ey, totale Hühnerbrust". Ludtke war im vergangenen Jahr Mister Millennium und findet es ziemlich unsensibel, dass in diesem Jahr schon wieder ein Mister Millennium gewählt wurde. Letztes Jahr schied er in der Endrunde aus. "Zu klein." Aus dem Einheitslook der grinsenden Muskelprotze mit kurzen Haaren sticht allein Alexander Schmitt heraus, Gesamtschullehrer aus Hessen, mit 31 Jahren schon fast zu alt, um noch schön zu sein.

Er hat ein souveränes, sympathisches Auftraten, sendet erotische Signale ins Publikum und vor allem sieht er aus wie Rod Stewart, nur besser. Die 28-köpfige Jury, hochkarätig besetzt mit Showmaster Wolfgang Lippert, Boxer Dariusz Michalczewski und Ulkbarde Gottlieb Wendehals, ließ ihn trotzdem durchfallen. Was wissen wir nun über Miss Germany 2001? "Ich heiße Mirjana Bogojevic, mache eine Ausbildung zur Krankenschwester und komme aus Norderstedt." Das liegt bei Hamburg. Später wird sie sagen, sie wohne in Hamburg-Volksdorf und wolle später noch Medizin studieren. Aus den Unterlagen geht weiter hervor: "21 Jahre, braun (Augenfarbe - Anm. der Redaktion), 170 cm, braun (Haarfarbe), tanzen, reisen, Fitness." Übrigens besuchen fast alle 48 Endrunden-Kandidaten des Jahrgangs 2001 ein Fitness-Studio und treiben unerhört viel Sport.

Nur Miss Saarland bevorzugt "Kunst, Mode" und Miss Mitteldeutschland "kochen, backen". Mister Germany 2001, bislang Mister Süddeutschland, ist mehr der gelassen-seriöse Rummenigge-Typ. Thomas Köhler aus Ebenhausen arbeitet als Zivi im Altenheim, ist 21 Jahre alt, hat braune Augen und dunkelbraune Haare.

Die Jury-Entscheidung ist als klare Absage an das Blonde als überragendes Schönheitselement eines nationalen Preisträgers zu verstehen. Ob dieser Traditionsbruch vor der Welt Bestand haben wird, wurde an der Bar im Foyer sehr kritisch diskutiert. Das Publikum insgesamt war trotz der intensiven Fleischbeschau etwas muffig. Die Doppelgänger aus dem Estrel-Dauerbrenner "Stars in Concert" versuchten vergeblich, zum Mitklatschen zu animieren. Nur der Berliner Karnevalsprinz Thomas I, erschienen im vollen Ornat, fand die Show wirklich toll und gelungen, weil so voller Menschlichkeit.

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