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Vor Gericht. Am heutigen Dienstag wird das Verfahren gegen einen früheren Pfleger des Helios-Klinikums in Berlin-Buch fortgesetzt. Zu Prozessbeginn hat der 29-Jährige in der vergangenen Woche gestanden, drei Jungen auf der Kinder-Intensivstation des Krankenhauses missbraucht zu haben.

© dapd

Missbrauch in Klinik: Lange Dienstwege verzögerten Ermittlungen

Im Verfahren gegen einen Krankenpfleger wegen sexuellen Missbrauchs dreier Kinder gerät die Arbeit der Strafverfolger in die Kritik. Jetzt überprüft auch die Brandenburger Polizei ihr Vorgehen in dem Fall.

Potsdam/Berlin - Die langwierigen Ermittlungen im Fall des sexuellen Missbrauchs auf der Kinder-Intensivstation des Helios-Klinikums in Berlin-Buch führen jetzt auch zu einer polizeiinternen Untersuchung in Brandenburg. „Wir nehmen den Vorgang sehr ernst“, sagte Brandenburgs Polizeisprecher Rudi Sonntag gestern. Bereits am Wochenende habe Polizeipräsident Arne Feuring eine Überprüfung der Ermittlungen angeordnet, um festzustellen, ob es Versäumnisse gegeben hat. Die Untersuchung werde „mit Hochdruck“ betrieben, sagte Sonntag. Er gehe davon aus, dass es noch in dieser Woche Klarheit über die Abläufe geben werde. Zuvor hatte auch schon Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) Aufklärung angekündigt. Untersucht werden könnte dabei auch, wie lange allein die Transporte einer Ermittlungsakte zwischen den einzelnen Behörden dauern. Nach den Recherchen des Tagesspiegels lagen zwischen den verschiedenen Abgabeverfügungen der jeweiligen Behörden und den Eingangsdaten insgesamt knapp vier Wochen. Zeit, in der die Ermittlungen ruhten.

Wie berichtet, steht derzeit ein Pfleger in Berlin vor Gericht, der im Juni, August und November 2010 drei Jungen im Helios-Klinikum missbraucht haben soll. Die erste Tat wurde am 13. September von den Eltern eines neunjährigen Jungen an ihrem Wohnort in Oberhavel bei Oranienburg angezeigt. Wenn das Klinikum zeitig von dem Verdacht erfahren hätte, wäre zumindest die dritte Tat im November vielleicht zu verhindern gewesen. Eine Klinikumssprecherin verwies darauf, dass beim geringsten Verdachtsmoment „zumindest die Kontrollen“ hätten verschärft werden können.

Solange noch keine Ergebnisse vorliegen, lehnt die Brandenburger Polizei eine Stellungnahme zu den Abläufen ab. Demgegenüber gab die Staatsanwaltschaft in Neuruppin an, dass die Ermittlungsakte bei ihr am 6. Oktober eingegangen sei. Unklar ist allerdings, wo die Akte die zwei Wochen vorher war. Denn bereits am 22. September hatte die Polizei verfügt, sie an die Neuruppiner Staatsanwaltschaft abzugeben. Diese wiederum schickte sie am 14. Oktober an die Berliner Staatsanwaltschaft, wo sie am 19. Oktober einging. Nach einer Woche, am 26. Oktober, wurde sie wieder auf den Weg gebracht – diesmal zu den Ermittlern der Berliner Polizei. Und erneut waren die Unterlagen wieder lange unterwegs; erst am 1. November erhielt das Berliner Landeskriminalamt den Vorgang. Akten zwischen den Behörden werden nicht über den normalen Postweg transportiert, sondern durch einen Botendienst der Verwaltung.

Die Brandenburger Polizei äußerte sich auch nicht dazu, ob das Klinikum nach dem Eingang der Anzeige hätte informiert werden müssen, um Maßnahmen zum Schutz der Kinder zu ergreifen. Nach Angaben des Krankenhauses ist es durch keine der vier beteiligten Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden von dem Verdacht auf einen Missbrauchsfall in Kenntnis gesetzt worden. Erst bei der Festnahme des Pflegers habe man von dem Grund der Ermittlungen erfahren, sagte eine Sprecherin. Seitens der Berliner Polizeipressestelle heißt es, dies lasse sich nicht mehr genau rekonstruieren. Der ermittelnde Beamte könne sich nicht erinnern, meine aber, die Klinik informiert zu haben.

Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Simone Herbeth, sagte, man habe sich nichts vorzuwerfen. Der zuständige Staatsanwalt habe sich innerhalb einer Woche des Falles angenommen und weitere Ermittlungen angeordnet. Dies sei „absolut sachgerecht“. Bevor man eine Einrichtung über einen solchen Sachverhalt informiere, müsse man ja auch erst einmal sehen, „wie viel an den Vorwürfen dran ist“. Zudem habe zu diesem Zeitpunkt die angezeigte Tat schon vier Monate zurückgelegen und es seien keine weiteren Vorfälle bekannt gewesen.

Der Prozess gegen den 29-jährigen Pfleger wird am heutigen Dienstag am Landgericht mit der weiteren Anhörung des Angeklagten fortgesetzt werden. Dieser ist nur begrenzt verhandlungsfähig; er hatte in der Haft einen Selbstmordversuch unternommen und sich selbst verstümmelt. Außerdem sollen bei der heutigen Verhandlung Polizisten, die den Mann vernommen hatten, als Zeugen gehört werden. Geladen sind auch Eltern der missbrauchten Jungen. Die Kinder müssen nicht in den Zeugenstand; ihnen möchte man dieses Verfahren ersparen. Ihre Aussage ist nicht notwendig, da der Angeklagte geständig ist.

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