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Berlin: Missbrauchsopfer kämpfen um Entschädigung Erzbistum: Acht Verdachtsfälle seit 2002 gemeldet

Abschlussbericht des Jesuitenordens erwartet

Im Erzbistum Berlin haben bislang acht Männer und Frauen Vorwürfe gegen katholische Pfarrer wegen sexuellen Missbrauchs erhoben. Das geht aus einem Zwischenbericht hervor, den Domprobst Stefan Dybowski, der Missbrauchsbeauftragte des Bistums, am Mittwoch veröffentlicht hat. Der Bericht umfasst ausschließlich Vorwürfe gegen Pfarrer, die in einer Gemeinde des Bistums tätig waren. Denn nur für diese Pfarrer ist das Bistum direkt zuständig. Er bezieht weder die Vorwürfe gegen Jesuitenpater des Canisius-Kollegs ein, noch die Vorwürfe, die gegenüber Patern des Salesianer-Ordens oder gegenüber den Hedwigsschwestern erhoben wurden.

In sieben der acht bislang bekannt gewordenen Fälle haben die Übergriffe in den 50er, 70er und 80er Jahren stattgefunden. Sieben der acht beschuldigten Pfarrer sind bereits verstorben oder befinden sich im Ruhestand. 2003 berichtete ein Mann, seine Mutter sei 1952 von einem Kaplan missbraucht worden. Der Geistliche war seit 1970 im Ruhestand und ist verstorben. Ein anderer Pfarrer wurde von einem heute 66-jährigen Mann beschuldigt, von 1953 bis 1957 im damaligen Kinderheim St. Joseph in Birkenwerder Kinder missbraucht zu haben. Auch er lebt nicht mehr. Im Mai 2002 hatte sich ein Mann aus Australien gemeldet und angegeben, er sei von einem 1987 verstorbenen Kaplan missbraucht worden. Zwei Vorwürfe, die im Februar und März 2010 erhoben wurden, bezogen sich auf die 70er Jahre, in einem Fall beschuldigte Anwältin Ursula Raue, die Missbrauchsbeauftragte des Jesuitenordens, einen Bistumspfarrer. Der eine Pfarrer ist verstorben, der andere befindet sich im Ruhestand. Ein Pfarrer, der 1989 aus Heidelberg nach Berlin kam, soll sich in seiner Heidelberger Zeit an Jugendlichen vergriffen haben. Die Staatsanwaltschaft Heidelberg ermittelt bereits. Der Mann ist seit 2006 im Ruhestand.

Nur ein Fall hat sich in jüngerer Zeit zugetragen: Pfarrer Peter W. aus der Gemeinde Heilig-Kreuz in Hohenschönhausen soll sich 2001 an einem Jugendlichen vergriffen haben. Die Eltern des Opfers trugen ihre Vorwürfe im Juli 2009 Kardinal Georg Sterzinsky vor. Dem Pfarrer wurden die seelsorgerliche Arbeit und der Kontakt zu Jugendlichen verboten. Eine Voruntersuchung erhärtete die Vorwürfe. Sterzinsky zeigte den Pfarrer bei der Polizei an und will einen kirchlichen Strafprozess einleiten. Dem Opfer wurde Hilfe zugesagt.

So weit der Bericht des Erzbistums. Offen ist weiterhin, ob man Opfer auch finanziell entschädigen will. Man wolle die Verhandlungen am Runden Tisch zum Kindesmissbrauch bei der Bundesregierung abwarten, sagte Stefan Förner, Sprecher des Berliner Erzbistums. Offen ist auch nach wie vor, wann Kardinal Sterzinsky eine eigenständige Kommission zur Aufklärung von Kindesmissbrauch durch Geistliche einsetzen wird und wann Dompropst Dybowski durch einen vom Bistum unabhängigen Ansprechpartner für Missbrauchsopfer abgelöst werden soll. Was sexuellen Missbrauch durch Jesuitenpater am Canisius-Kolleg und anderen Schulen in Trägerschaft des Jesuitenordens angeht, stellt am heutigen Donnerstag Anwältin Ursula Raue, die vom Jesuitenorden berufene Missbrauchsbeauftragte, in München ihren Abschlussbericht vor. In ihrem Zwischenbericht im Februar hatte sie von über 100 Fällen gesprochen. Nicht alle betroffenen ehemaligen Schüler der vier Jesuitenschulen in Deutschland vertrauen Ursula Raue. „Sie wurde vom Jesuitenorden beauftragt“, sagt Matthias Katsch, der in den 70er Jahren Schüler am Canisius-Kolleg war. Misstrauisch habe ihn außerdem gemacht, dass Ursula Raue bereits vor einigen Jahren am Bonner Aloisius-Kolleg zwischen Tätern und Opfern zu vermitteln versucht habe. Deshalb hätten sich nun 30, 40 ehemalige Jesuitenschüler an die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer gewandt. Sie wird nun mit Zustimmung des Jesuitenordens in den Archiven des Ordens ein Zweitgutachten über die Missbrauchstaten der beiden Jesuitenpatres Peter R. und Wolfgang S. anfertigen.

Kommenden Sonnabend lädt diese Opfergruppe zu einem „Eckigen Tisch“ mit Vertreter des Jesuitenordens ein, moderiert von Andrea Fischer. Unter anderem haben Pater Mertes vom Canisius-Kolleg, Pater Dartmann, der Provinzial des Ordens, und der frühere Canisius-Rektor Pater Pfahl ihr Kommen zugesagt. „Bei dem Treffen wollen wir vor allem unsere Geschichten den Jesuiten direkt erzählen“, sagt Matthias Katsch. Einige wollten darüber hinaus auch die Forderung nach finanzieller Genugtuung stellen. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, lässt sich ein gutes Dutzend von ihnen juristisch seit einigen Monaten von der Berliner Anwältin Manuela Groll vertreten.

„Was die finanzielle Entschädigung angeht, wurden meine Mandanten auf den Runden Tisch bei der Bundesregierung verwiesen“, sagt Manuela Groll. Das habe sie „richtig ärgerlich“ gemacht, denn von diesem sehr hoch angesiedelten Runden Tisch erwartet Manuela Groll keine konkreten Ergebnisse – zumal ihre Mandanten dort nicht vertreten seien.

Am „Eckigen Tisch“ am Sonnabend wird Groll nicht teilnehmen. Dort gehe es um den direkten Austausch der Opfer mit den Jesuiten. Da wolle sie nicht stören. Das Gespräch ist nicht öffentlich. Betroffene sind aber herzlich eingeladen zu kommen, sagt Matthias Katsch. Man solle sich aber vorher unter der E-Mail-Adresse info@eckiger-tisch.de anmelden.

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