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Missbrauchsskandal: Don-Bosco-Orden bittet Senat um Unterstützung

Im neuen Missbrauchsskandal um den Orden „Salesianer Don Boscos“ haben sich erstmals mutmaßliche Opfer an den katholischen Männerbund gewandt. Mindestens eines der Opfer soll aus Berlin stammen.

Im neuen Missbrauchsskandal um den Orden „Salesianer Don Boscos“ haben sich erstmals mutmaßliche Opfer an den katholischen Männerbund gewandt. Mindestens eines der Opfer stamme aus Berlin. In dem 2005 aus Geldmangel geschlossenen Don-Bosco-Heim in Wannsee sollen bisher unbestätigten Vorwürfen zufolge sechs Patres bis in die 70er Jahre Jungen geschlagen, in einigen Fällen vergewaltigt haben. Auch in Augsburg sollen Ex-Ordensmitarbeiter Jungen missbraucht haben. Mit jedem der Betroffenen würden Gespräche durch eigens von der Ordensleitung dafür Beauftragten geführt. „Es ist im Interesse vieler Opfer, dass ihre persönlichen Erlebnisse vertraulich behandelt werden“, sagte Ordenssprecherin Gabriele Merk. Die Provinzleitung der Salesianer habe mit dem Senat Kontakt aufgenommen, um in den Akten der damals zuständigen Aufsichtsbehörden zu recherchieren.

In Berlin betreibt der Orden derzeit nur noch ein Zentrum in Marzahn. Würde hier auf dem Tresen nicht eine große Kerze brennen und eine Mitarbeiterin in katholischer Schwesterntracht umherlaufen, läge jeder Gedanke an ein kirchliches Haus fern. Jungs surfen im Internet, trinken Cola, telefonieren. Das freundliche Gebäude mit den großen Fenstern an der Raoul-Wallenberg- Straße in Marzahn wird vom katholischen Don-Bosco-Orden und den Heiligenstädter Schulschwestern zusammen mit einem Kinder- und Jugendzirkus betrieben. In dem 2008 eröffneten Haus wird 130 jungen Menschen ohne Schulabschluss und Ausbildungsplatz geholfen.

„Wir haben mit dem Don-Bosco-Heim in Wannsee nichts zu tun“, sagte Pfarrer Albert Krottenthaler. „Es handelt sich um eine völlige Neugründung in veränderter Trägerschaft.“ Anders als in Wannsee, wo Waisenkinder und jugendliche Straftäter wohnten, würden die Jugendlichen in Marzahn entweder bei ihren Eltern oder in eigenen Wohnungen leben. Das Gästehaus mit 60 Betten sei für Schulklassen bestimmt. Man wisse nichts zu den Vorwürfen in Wannsee, noch kenne man die beschuldigten Mitarbeiter, sagte Direktor Krottenthaler. Allerdings würde der Orden heute mit Missbrauchsverdacht viel offener umgehen. Schon erste Hinweise würden ernst genommen. „Das Vertrauen der Jugendlichen und deren Eltern in unsere Arbeit hat wesentlich zum guten Ruf des Hauses beigetragen.“

Im Marzahner Don-Bosco-Zentrum kümmern sich 26 Frauen und Männer um die vom Jobcenter vermittelten Jugendlichen. Hier sollen sie vor allem ihr Selbstwertgefühl steigern, die Lust am Leben wiederfinden. In Kursen erwerben die jungen Arbeitslosen ein Zertifikat, mit dem sie sich dann als angehender Schlosser oder Koch um eine Ausbildung bewerben. Mit ihren schlechten Schulzeugnissen hätten sie sonst kaum eine Chance. Direktor Krottenthaler fürchtet keinen Imageschaden durch die Vorwürfe gegen Mitglieder des Ordens.

Auch in anderen katholischen Gemeinden Berlins gibt es möglicherweise noch Missbrauchsfälle. Beim Missbrauchsbeauftragten des Erzbistums, Dompropst Stefan Dybowski, hätten sich in den vergangenen Wochen „einige Personen“ gemeldet, die von Übergriffen katholischer Priester gesprochen hätten. Man sei dabei, diese Informationen auszuwerten, sagte Bistumssprecher Stefan Förner.

Vor acht Jahren hatte die Bischofskonferenz ihre Leitlinien zum Umgang mit sexuellem Missbrauch durch Geistliche erlassen. In jüngster Zeit hat eine Kommission der Generalvikare der 27 deutschen Diözesen überprüft, wie diese Leitlinien in der Praxis angewandt werden. Sie ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es besser wäre, wenn die Missbrauchsbeauftragten in den Bistümern von außen kommen würden. In vielen katholischen Gemeinden, so auch in Berlin, sind es Mitglieder der Bistumsleitung. Dies wird auch Thema bei der Tagung der Bischofskonferenz in Freiburg sein, wo die deutschen Bischöfe bis Donnerstag über den Missbrauchsskandal beraten.

„Wir sind uns bewusst, dass es nicht gut ist, dass ein Mitglied der Bistumsleitung wie der Dompropst Stefan Dybowski der Ansprechpartner ist. Es müsste jemand von außen sein“, sagte Stefan Förner vom Berliner Erzbistum. Dybowski selbst habe beim Bischof darum gebeten, aus diesem Amt entlassen zu werden. Als Dybowski vor sieben Jahren zum Missbrauchsbeauftragten wurde, war er noch nicht Dompropst, sondern Seelsorger der Caritas. Vor zwei Jahren habe es noch eine zweite Beauftragte gegeben, eine Psychotherapeutin, die aus privaten Gründen ausgestiegen sei.

Da Dybowski durch die Missbrauchsvorwürfe in den vergangenen Wochen unter potenziellen Opfern bekannt geworden sei, wolle man ihn nicht sofort ablösen, sondern möglicherweise erst, wenn die geplante Kommission zur Aufklärung solcher Vorfälle eingesetzt ist. In dieser Kommission sollen externe Therapeuten, Ärzte und Juristen arbeiten. Wann genau diese Kommission einberufen wird, steht noch nicht fest. „Aber es liegen Listen mit möglichen Mitgliedern vor“, sagte Förner.

Zuletzt hatten mehr als 100 frühere Schüler von Jesuiten-Gymnasien – so dem Berliner Canisius-Kolleg – von Erniedrigungen durch sadistische Patres berichtet. Ebenfalls des Missbrauchs verdächtigt werden Ex-Mitarbeiter der Vinzentinerinnen und Franziskaner.

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