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Die Haasenburg-Heime sollen geschlossen werden - auch das "Haus Babenberg" in Jessern (Brandenburg).

© dpa

Misshandlungs-Vorwürfe: Ministerin schließt umstrittene Haasenburg-Heime

Brandenburgs Bildungsministerin lässt die Haasenburg-Heime schließen. Grund dafür sind Misshandlungsvorwürfe. Doch auch aus einem anderen Grund wird ermittelt.

Nach Misshandlungsvorwürfen schließt Brandenburg die Heime der privaten Haasenburg GmbH, in der bislang aus fast allen Bundesländern straffällige und verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche eingewiesen worden waren. Das kündigte Bildungsministerin Martina Münch (SPD) am Mittwoch als Konsequenz aus dem Abschlussbericht der externen Expertenkommission an, die wie berichtet schwere Missstände in den drei Einrichtungen festgestellt hat. Der Entzug der Betriebserlaubnis werde vorbereitet und noch im November erfolgen, sagte Münch. Sie sehe „keine Alternative“, weil eine „latente Kindeswohlgefährdung“ bestehe und neue körperliche Zwangsmaßnahmen gegen Kinder und Jugendliche nicht ausgeschlossen seien. „Die Haasenburg ist nicht reformierbar.“

Zweifelhafte Rolle des Landesjugendamtes wird untersucht

Gleichzeitig will Münch die zweifelhafte Rolle des Landesjugendamtes und des eigenen Ministeriums in dem Skandal untersuchen lassen. Außerdem soll die mit drei Mitarbeitern für 400 Einrichtungen in Brandenburg unterbesetzte Heimaufsicht aufgestockt werden. Auch kündigte Münch eine Bundesratsinitiative an, weil gesetzliche Grundlagen für geschlossene Heime fehlten.

Derzeit sind noch 37 Jugendliche, davon zwei aus Brandenburg und 35 aus anderen Bundesländern, in den Haasenburg-Heimen in Neuendorf (Dahme Spree) und Müncheberg (Märkisch Oderland) untergebracht. Ein weiteres Heim in Jessern (Dahme-Spree) hat die Firma bereits geschlossen. Bevor im Sommer die ersten Misshandlungsvorwürfe durch Betroffene publik wurden, Münch die Kommission einsetzte und einen Teilbelegungsstop verhängte, waren in den Heimen noch 115 Jugendliche untergebracht. Mit den Jugendämtern soll nun parallel zur Schließung über alternative Unterbringung der 35 Jugendlichen verhandelt werden, sagte Münch. Es werde kein Kind auf die Straße gesetzt. Allerdings hatte die Haasenburg GmbH bereits rechtliche Schritte gegen eine etwaige Schließung angekündigt.

Zwangsmaßnahmen wurden in Haasenburg-Heimen nicht nur Notsituationen angewandt

Die sechsköpfige Expertenkommission unter Vorsitz des Psychologen Martin Hoffmann hatte für die Untersuchung die Einrichtungen inspiziert, Akten der Firma und der Behörden eingesehen, Insassen und Mitarbeiter angehört, heutige wie ehemalige. Der 124-Seiten-Bericht kommt zum Ergebnis, dass die Haasenburg in der bisherigen Form für die schwierige Klientel der hier untergebrachten Kinder und Jugendlichen ungeeignet ist. Also für die „Outlaws“, die „ungeliebten Kinder und Jugendlichen, die keiner mehr (aus)halten mochte“, die gewissermaßen Täter und Opfer zugleich seien, wie es heißt. Im Umgang mit ihnen setzte die Haasenburg – im Widerspruch zum wohlformulierten Konzept – auf Drill, auf „Umerziehung“, so Hoffmann. Es gebe Parallelen zu früheren DDR-Jugendwerkhöfen, aber auch zur schwarzen Pädagogik in Heimen im Westen der 50er Jahre. Hoffmann nannte Schilderungen ehemaliger Mitarbeiter und Betroffener glaubwürdig, wonach Zwangsmaßnahmen wie Fixierungen – teilweise stundenlanges Festschnallen an Betten – nicht nur in Not- und Notwehrsituationen angewandt wurden, was zulässig wäre, sondern als Disziplinierungsinstrument. Es habe Hinweise auf Grundrechtsverletzungen wie Körperverletzungen gegeben. Etwa darauf, dass „es bei Fixierungen und anderen Begrenzungen zu Verletzungen Jugendlicher gekommen ist“, dass diese von Haasenburg-Mitarbeitern provoziert wurden, „in einem Fall sogar auf Anweisung einer Führungskraft“.

Die Staatsanwaltschaft Cottbus ermittelt wegen der Misshandlungsvorwürfe in über 70 Verfahren. Jüngst wurden die Ermittlungen auf mögliche Wirtschaftsdelikte ausgeweitet. Auch die Kommission fand Hinweise, dass die Haasenburg GmbH zu wenig Personal für die Jugendlichen einsetzte, für die sie von den Jugendämtern Tagessätze von 300 bis 500 Euro kassierte. „Es gibt deutliche Hinweise, dass Leistungen nicht erbracht wurden.“

Möglich war all dies nur, weil Behörden – das Landesjugendamt, aber auch das Ministerium – bei der Heimkontrolle versagten. Das Landesjugendamt hatte demnach früh Hinweise auf Misstände, verbot zwar 2010 die Fixierungspraxis, ohne dies aber zu kontrollieren. „Es hätte früher gehandelt werden können“, sagte Hoffmann. Die Haasenburg GmbH kommentiert die angekündigte Schließung bisher nicht. In einer Erklärung bedauerte die Firma, dass nach „fast 13 Jahren intensiver und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit unserer Aufsichts- und Genehmigungsbehörde“ der Bericht ohne vorherige bilaterale Bewertung der Ergebnisse veröffentlicht wurde.

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