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Berlin: Mit Abstand vom Amt

Letzte Fragestunde – Justizsenatorin Karin Schubert und Bildungssenator Klaus Böger nahmen Abschied vom Parlamentsbetrieb

Schwer war beiden ums Herz, das war zu spüren: Justizsenatorin Karin Schubert und Schulsenator Klaus Böger (beide SPD) absolvierten am gestrigen Donnerstag ihre letzte Plenarsitzung im Abgeordnetenhaus. „Wehmütig“ sei ihr zumute, sagte Karin Schubert, „das ist doch klar“. Fast fünf Jahre war sie Senatorin und wäre es gewiss gern geblieben. Sie hat – wie Böger – kein Abgeordnetenmandat, und so verliert sie mit dem Amt im Senat auch den direkten Zugang zur Berliner Politik.

Für den Schulsenator, der an diesem Donnerstag „innere Angespanntheit“ empfand, endete mehr als eine Legislaturperiode. „Ich bin ja kein Durchreisender hier gewesen“, sagte er. Seit 1989 gehörte er dem Abgeordnetenhaus an, war SPD-Fraktionschef, gab den Schulsenator in einer Zeit, in der dieses Amt steten Streit und Stress garantierte. Der Schulsenator hat – zumal in der Berliner Kombination mit Jugend und Familie – jede parlamentarische Fragestunde zu fürchten. Mit seiner Kollegin Schubert konkurrierte Böger ständig um das maximale Ärgerpotenzial im Job.

Was dem einen der Unterrichtsausfall war, waren der anderen die Häftlinge, denen der Justizvollzug nicht behagte und die sich davonmachten. Schubert hatte in dieser Hinsicht einiges zu erklären. Aber eine der Tugenden der Justizsenatorin war – und ist – ihre Gelassenheit. Hielt ihr die Opposition voll Spott vor, in Berlin gebe es wohl nur noch offenen Vollzug – dann stellte Karin Schubert mit fast buddhistischer Ruhe die jüngere Geschichte der Ausbrüche aus Berliner Haftanstalten, der Fluchten bei begleiteten Ausgängen oder aus einer Toilette im Kriminalgericht als eine ganze Serie von Einzelfällen dar.

„Abstand zum Amt“ – das brauche man als Justizsenatorin, sagte sie gestern. Man müsse die Ruhe bewahren, müsse die Tür zumachen, „wenn man innerlich kocht“. Sie dürfte in den fünf Berliner Jahren öfter mal Wutanfälle mit sich allein ausgetragen haben, hinter den schallgedämpften Türen ihres Büros gegenüber dem Schöneberger Rathaus. Die Berliner Justiz hatte einiges an Modernisierung nötig. Angefangen mit dem technischen Equipment über Neuerfindungen wie eine eigene Staatsanwaltschaft für jugendliche Intensivtäter bis zu den Bemühungen, Richtern einen zeitgemäßen Umgang mit, beispielsweise, Vormundschaftssachen nahezubringen – Schubert hatte immer gut zu tun. Doch selbstverständlich handelte die letze Frage, die sie an ihrem letzten Tag im Plenum gestellt bekam, wieder von einem Häftling. Der FDP-Abgeordnete Sebastian Kluckert wollte wissen, was das für eine Tür in der Justizvollzugsanstalt Tegel gewesen war, die jüngst ein Häftling „mit einem Nachschlüssel“ öffnen konnte. Es sei die Tür eines Abteilungsflurs gewesen, gab Schubert ganz ruhig zurück. Das sei sofort bemerkt worden. „Deshalb hat man ihn auch in der JVA belassen.“

Das ist das Reizvolle an den Fragestunden: Dass sie wenigstens gelegentlich erkennen lassen, ob jemand schlagfertig ist, Humor hat, ohne Manuskript reden kann und mit der Antwort jenen Angriff pariert, der in der Frage steckt. Schubert war dabei meist ein verhaltenes Vergnügen und eine unverhohlene Bereitschaft zur Ironie anzumerken.

Auch darin sind sich die Justizsenatorin und ihr Kollege von der Schule eher ähnlich. Böger, ohnehin einer der Vielgefragten, schien am Gefragtwerden besondere Freude zu haben. Er dozierte gern ein wenig bei der Antwort – „Herr Kollege Steuer, das wissen Sie“, hörte der Fragende dann aus dem Mund des Wissenden –, und wenn Böger richtig ausgeruht war, zitierte er auch gern in einer längeren Antwort auf eine Frage den einen oder anderen Beitrag aus einem der großen Feuilletons der Republik.

Gestern war er wieder viel gefragt, und so verging ihm dieser nicht ganz leichte Nachmittag jedenfalls schneller. Die Zahl der Kita-Erzieherinnen, der Zustand der Schwimmhallen – all diese tagespolitischen Probleme aus seinem Riesenressort betrafen ihn noch einmal. Gelegentlich meinte man aus einer Antwort herauszuhören, dass Böger – der immer genau zu wissen scheint, was er sagt – satzweise Abschied vom Amt genommen hat. Ob sich die Kita-Eigenbetriebe „am Markt bewähren, das wird die Zukunft zeigen“, sagte er. Hätte ihn der Regierende Bürgermeister im Amt behalten, würde Böger wohl gesagt haben: „Darüber berichte ich Ihnen bei nächster Gelegenheit“.

Routine, das alles – aber zum letzten Mal. Schubert ließ sich so wenig wie Böger Bitterkeit über Wowereits Entscheidung anmerken. Die Senatorin plauderte angeregt mit dem Regierenden, neben dem sie wie üblich saß. Böger erledigte, wenn er nicht antworten musste, seine Post. Nur der CDU-Mann Sascha Steuer kam kurz zu ihm, um noch mal mit Böger zu sprechen. Ansonsten: Normalbetrieb. Nicht mal Blumen standen vor den beiden. Vor der Sitzung hatte Schubert auf die Frage, ob sie sich gerecht behandelt fühle, gesagt: „Man geht nicht in die Politik, um gerecht behandelt zu werden.“ Sie wird sich, wie vielleicht auch Böger, an diesem Donnerstag gefragt haben, was sie vermissen wird: den Einfluss, die Gestaltungsmöglichkeiten, den Betrieb mit den vielen Terminen? Was immer – dass ihnen etwas fehlen wird, ahnten beide.

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