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Berlin: Mit aller Macht

Das Land versuchte sogar offenkundig unberechtigte Ansprüche durchzusetzen

Geltow - In der Brandenburger Grundstücksaffäre bestreitet Finanzminister Rainer Speer (SPD), dass der Landesfiskus sich an den von ihm unrechtmäßig in Besitz genommenen zehntausend Bodenreform-Immobilien ohne bekannte Eigentümer bereichern wollte. Aber die Zweifel daran wachsen. Das Land ging nach Tagesspiegel-Informationen offenbar auch in Fällen, wo die Erben der einstigen Eigentümer bekannt und ihre Ansprüche laut Gesetz berechtigt waren, rigoros vor, um eigene Interessen durchzusetzen.

Ein solches Drama haben etwa Klaus und Heidi Schulze (Name geändert) aus Geltow bei Potsdam erlebt. Seither ist ihr Vertrauen in Landesregierung und Landesjustiz erschüttert. „Wir haben uns jahrelang nur mit Brandenburg herumgestritten“, erinnert sich der 67-Jährige. „Man wollte uns alles wegnehmen.“ Der im Dezember 1989 verstorbene Vater von Heidi Schulze, ein Obstzüchter, hatte der Tochter rund drei Hektar Acker- und Waldflächen vererbt. 1992 konnte die Familie davon 2500 Quadratmeter als Bauland an einen, wie sie meinten, seriösen Käufer veräußern: Das Land Brandenburg. Mit dem Erlös, über 200 000 Euro, sanierten sie ihr zu DDR-Zeiten errichtetes Einfamilienhaus. Doch drei Jahre später, Mitte 1995, kam ein Schreiben des Grundstücks- und Vermögensamts des Landes, demzufolge der Verkauf plötzlich nichtig sein sollte. Schulzes wurden aufgefordert, den Anspruch Brandenburgs auf all ihre Grundstücke anzuerkennen – oder eine frühere landwirtschaftliche Tätigkeit nachzuweisen. Diese hätte das Recht der Schulzes auf das Land begründet.

„Den Nachweis haben wir erbracht“, erinnert sich Schulze. Das Land zog dennoch vor Gericht, klagte auf den einst gezahlten Kaufpreis und die übrigen Flächen – und verlor in der ersten Instanz, ebenso in der zweiten. Zeugen hatten nachgewiesen, dass Schulzes zu DDR-Zeiten Obst- und Gemüse zu Erwerbszwecken angebaut und jährlich 15 Schweine gemästet hatten.

Im Oktober 1999 schlug das Oberlandesgericht (OLG), wo der Fall mittlerweile lag, einen Vergleich vor, mit lukrativen Konditionen für das Land. Es sollte die restlichen Flächen bekommen – rund zwei Hektar – Schulzes aber den Kaufpreis behalten dürfen. „Wir ließen uns darauf ein. Wir wollten endlich Ruhe.“ Doch das Grundstücksamt machte einen Rückzieher: Das Ministerium der Finanzen habe „zwischenzeitlich die Anweisung erteilt …, den Vergleich zu widerrufen“, schrieb die Behörde. Das Urteil, das das OLG dann im November 1999 verkündete, fiel zu Ungunsten der Familie aus. Sie sollte, „sofort vollstreckbar“, Grundstücke und Geld an das Land verlieren.

Schulzes legten Revision beim Bundesgerichtshof ein. Und die Bundesrichter folgten ihnen auf der ganzen Linie – gegen das Land Brandenburg. Unter dieser Vorgabe musste das OLG neu urteilen. Und im Mai 2002, nach sieben Jahren, hatten Schulzes gewonnen.

Was sie heute immer noch in Rage bringt: Sie erinnern sich noch gut daran, wie die 1995 amtierende Regierung Stolpe offiziell stets für den Bestand der Bodenreform gefochten hatte. „Und hintenherum hat man alles getan, um sich selbst solche Grundstücke einzuverleiben.“ Zwischen die Gerichtsunterlagen der Familie ist eine Antwort der Regierung an das Parlament geheftet. Die PDS-Opposition hatte im Jahr 2000 aufgrund von Fällen wie Schulzes gefragt, wie Brandenburg seine Ansprüche durchsetze. Zitat: „Die Landesregierung praktiziert einen maßvollen Gesetzesvollzug.“ Thorsten Metzner

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