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Berlin: Mit Datendiebstahl gegen Hartz IV?

Politologe Peter Grottian macht mit fragwürdigen Methoden gegen die Sozialreformen der Bundesregierung mobil

Zwei eng bedruckte Seiten lang ist Peter Grottians Papier „für einen heißen Herbst zur Bundes- und Senatspolitik“, und es enthält einige Seltsamkeiten. Der 62 Jahre alte Politologie-Professor will die Hartz-Gesetze kippen. Aufrufe, ziviler Ungehorsam, Aktionen – Grottian hat seiner stark von 1968 geprägten Fantasie freien Lauf bei der Vorbereitung des „heißen Herbstes“ gelassen. Unter Punkt 7 ermuntert er Mitaktivisten zu überaus heiklen Aktionen: Grottian will die „Betroffenen“ mobilisieren und dafür Rechtsbrüche riskieren: „Die Betroffenen werden von uns alle angeschrieben und es werden ihnen Vorschläge für kleinere und größere Protest- und Widerstandsformen vorgeschlagen“, schreibt der Professor im Deutsch des gelernten Studentenrevolutionärs. Und dann: „Wir müssen es einfach versuchen, da wir den Zugang zu den Personaldaten haben.“

Dass er den Missbrauch persönlicher Daten von künftigen Arbeitslosengeld-2-Empfängern will, bestätigt Grottian am Telefon. Wie er funktionieren soll, sagt er nicht. Nur so viel: „Wir haben Leute, die uns sehr voraussichtlich mit diesen Daten versorgen werden.“

Diese Daten müssten aus dem internen Netz der Arbeitsagenturen kommen. Der Sprecher der Berliner Regionalagentur, Olaf Möller, kann sich „nicht vorstellen“, dass Mitarbeiter die persönlichsten Daten von Arbeitsagentur-Kunden weitergeben. Größere Datentransfers auf Disketten oder CD-Roms seien auch technisch nicht möglich, sagt er: Die Rechner der Mitarbeiter seien mit einem internen Netz verbunden, aber nicht mit entsprechenden Datenträger-Laufwerken ausgestattet. Wenn aber ein Mitarbeiter ausgedruckte Daten weitergebe, wäre wohl die Kündigung die Folge, sagt Möller – „eine Abmahnung reicht da nicht“.

Mit dem Datenschutz hat Grottian ohnehin keine Schwierigkeiten, wenn er damit Empörung schüren kann. Das Informationsrecht ist für den Politologen relativ. 2002 hat die Initiative Berliner Bankenskandal, zu deren wichtigsten Funktionären Grottian gehört, die Namen von 150 Zeichnern so genannter Prominentenfonds veröffentlicht, um sie unter Druck zu setzen.

Mit Befremden sehen Kollegen, wie Grottian Politik zu machen versucht. Wer wie der Göttinger Politikwissenschaftler Peter Lösche Grottian noch aus 68er-Zeiten kennt, ist nicht wirklich erstaunt über die rastlose und einseitige Kampagnenlust des Berliner Kollegen. „Problematisch“ findet Lösche Grottians Politisiererei. Lösche, durchaus kein Konservativer, sieht eine Tendenz zu „immer mehr Aktivismus“ bei Grottian und hat seine Zweifel, ob ein Hochschullehrer zu zivilem Ungehorsam aufrufen sollte.

Auch, weil solche Aktivitäten für die Arbeit an der Uni nicht viel Zeit lassen. Grottian ist seit 1985 allerdings „Teilzeit-Professor“. Ganze neun Publikationen sind auf der Homepage des Otto-Suhr-Instituts aufgeführt, etwa „Arbeit schaffen – jetzt!“ von 1983. Kein Wunder, dass der Politikwissenschaftler Herfried Münkler von der Humboldt-Universität sagt, er kenne Grottian „nicht als Wissenschaftler, nur als Kampagnenmacher“. Auch Münkler wurde von Grottian ungefragt auf die Liste der Aufrufer gesetzt. Grottian sagt, Lösche und Münkler seien doch Menschen, die über Hartz IV immerhin nachdächten.

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