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Berlin: Mit dem Fest rückt das Chaos näher

Beim Behindertenfahrdienst brechen die Leitungen zusammen und hagelt es Absagen. Weihnachten fehlt es hier immer an Fahrern

Für viele Unternehmer ist es die beste Zeit des Jahres, für die Wirtschaftsgenossenschaft Berliner Taxibesitzer (WBT) bedeutet die Weihnachtszeit vor allem eines: Chaos. Denn die Nachfrage der Behinderten steht an den Feiertagen in keinem Verhältnis zum Angebot. „Für jeden einzelnen Tag sind bei uns circa 2500 Anfragen eingegangen“, sagt WBT-Koordinator Michael Hübner. Selbst mit einer vom Senat zeitlich begrenzten Aufstockung könne man aber Weihnachten pro Feiertag gerade mal 800 Fahrten durchführen.

Am Stichtag, als die Interessenten ihre Fahrten für Weihnachten beantragen sollten, war die Nachfrage so groß, dass bei der WBT die Telefonleitungen zusammenbrachen. „Ich habe mein Fax noch vor Bürobeginn geschickt, trotzdem konnte ich für meine Mutter keinen Platz mehr bekommen“, ärgert sich Heidrun Motel. „Noch weniger Chancen haben ältere Behinderte, denen niemand bei der Bestellung helfen kann.“

Dabei sollte dieses Jahr alles besser werden. „Wir stellen dem Sonderfahrdienst 30 Prozent mehr Kapazitäten zur Verfügung“, sagt Roswitha Steinbrenner, Sprecherin der Senatssozialverwaltung. Doch die zusätzliche Hilfe des Senats reicht bei weitem nicht aus: Zwei Mann mehr im Büro und 15 bis 17 Fahrzeuge sollen die WBT entlasten. Der Sonderfahrdienst sei aber bereits mit den 550 Fahrten, die an normalen Tagen anfallen, am Rande seiner Kapazitäten, sagt Hübner. Er weist die Kritik, dass die WBT das Chaos auch selbst verschuldet habe, zurück. „Als vor Jahren der Berliner Zentralausschuss für Soziale Aufgaben das Vorgängermodell des Sonderfahrdienstes – den Telebus – betrieb, standen denen allein mehr als 20 Leute im Büro zur Verfügung“, sagt der Koordinator. Die WBT könne an einem normalen Tag pro Schicht lediglich auf sechs Mitarbeiter und auf 60 Fahrzeuge zurückgreifen. Das Team bedient eine Klientel von 16 000 Berliner Behinderten, die den Fahrdienst regelmäßig nutzen. Beim Landesbehindertenbeauftragten gibt man der WBT Recht. Steffen Petzerling, Beauftragter für den Sonderfahrdienst, bescheinigt der Genossenschaft „positiver als ihre Vorgänger zu wirken.“ Während es im Landesamt für Gesundheit im Juli noch 1500 Anfragen einschließlich Kritik am Sonderfahrdienst gegeben habe, seien bereits im Oktober nur noch 220 Anrufe und Briefe eingegangen.

In der Kritik steht indessen der Senat, der die Mittel für den Sonderfahrdienst knapp hält. Dort ist man der Auseinandersetzung aber überdrüssig. „Die Kritik gibt es, seit es in Berlin diesen Sonderfahrdienst gibt“, sagt Roswitha Steinbrenner. Sie sagt, dass der Senat eine Menge für die Mobilität der Berliner Behinderten unternehme. „Einen solchen Fahrdienst hält kein anderes Bundesland vor, auch keine andere Großstadt. Wir werden dafür regelmäßig vom Landesrechnungshof kritisiert.“ Steinbrenners Vorschlag zur Lösung des Konfliktes: „An Feiertagen sollen vorrangig diejenigen von dem Fahrdienst Gebrauch machen, die definitiv keine anderen Transportmöglichkeiten nutzen können.“ Beate Ender vom „Spontanzusammenschluss Mobilität für Behinderte“ findet den Vorschlag der Senatssprecherin „unverschämt“: „Die Behinderten, die auf den Sonderfahrdienst nicht angewiesen sind, benutzen ihn doch sowieso nicht.“ Im Übrigen gebe es das Problem der Überlastung seit Jahren, ohne dass etwas dagegen unternommen werde.

Bereits jetzt zeichne sich für Weihnachten 2007 die gleiche Situation ab, sagt Koordinator Hübner. Denn für das kommende Jahr seien nur 190 000 Fahrten vom Senat bewilligt worden. „Das ist gerade mal für einen durchschnittlichen Tag genug, wenn wir es schaffen, pro Fahrt mehrere Aufträge zu erledigen.“ Hübners Fazit: „Es klappte nie, es wird nie klappen.“

Johannes Boie

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