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Berlin: Mit dem "verpflichtenden Wahlunterricht" in Grundschulen lernen die Schüler "motivierter, konzentrierter und mit Eigeninitiative"

Den Bau ihres kleinen Solarhauses haben Antonia, Nadine und Saskia gar nicht als Arbeit empfunden. Dabei war es richtiger Schulunterricht, in dem sie so viel Spaß hatten und sich mit Pappe und Heißklebepistole austoben konnten.

Den Bau ihres kleinen Solarhauses haben Antonia, Nadine und Saskia gar nicht als Arbeit empfunden. Dabei war es richtiger Schulunterricht, in dem sie so viel Spaß hatten und sich mit Pappe und Heißklebepistole austoben konnten. Auf einer Lehrertagung in der Hochschule der Künste stellten die 11-jährigen Schülerinnen einer Wilmersdorfer Grundschule stolz das Ergebnis ihres "WUV" vor. Den "Wahlunterricht/verpflichtend" gibt es seit einem Jahr in den 5. und 6. Grundschulklassen. Zwei Wochenstunden sind dafür vorgesehen, meist am frühen Nachmittag, nach dem "normalen" Unterricht. Die fächerübergreifenden Projekte basieren auf Ideen und Interessen der Schüler. Oft wünschen sich die Kinder Aktivitäten zu Naturthemen oder Projekte, bei denen sie basteln können. Aber auch für Geschichte, Biologie, Ethik, Sport, Mathematik, soziales Lernen und Medienerziehung gibt es erfolgreiche Beispiele.

Klaus Meißner vom Berliner Institut für Lehrerfort- und -weiterbildung (BIL) zog eine optimistische Bilanz: Die überwiegende Mehrheit der Schüler, Lehrer und Eltern äußert sich zufrieden über den Modellunterricht. Die Schüler gehen im WUV-Unterricht offensichtlich motivierter, konzentrierter und mit mehr Eigeninitiative ans Werk, und obwohl es keine Noten gibt, tauchen keine erheblichen Disziplinprobleme auf. Dennoch gibt es natürlich Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung: Nicht alle Lehrer sind in der Lage, WUV in den von den Schülern gewünschten Feldern zu unterrichten. Das führt dazu, dass nicht alle Schüler die Gruppe ihrer Wahl besuchen können. Die kleinen Gruppen im WUV-Unterricht führen zu sehr guten Ergebnissen; im regulären Unterricht sind die Klassen aber etwa doppelt so groß. Und anfallende Materialkosten für den WUV müssen bisher häufig von den Schülern oder den Lehrern selbst getragen werden.

Im Verlauf der Tagung zeigten sich deshalb auch einige Lehrer argwöhnisch: Das Hochloben des WUV-Modells könnte schließlich auch dazu führen, dass die Schwierigkeiten im regulären Unterricht aus dem Blickfeld geraten. Außerdem muss natürlich weiter an den Rahmenbedingungen gefeilt werden, wenn im kommenden Schuljahr WUV auch in den 6. Klassen stattfindet. Bisher aber scheint WUV Erfolg zu haben - und damit ein Teil der Senatsinitiative "Grundschulreform 2000", mit der sich die Grundschule bis zur 6. Klasse profilieren und gegenüber den Gymnasien durchsetzen soll, die ebenfalls Unterricht ab der 5. Klasse anbieten.

Die Lehrer müssen stärker auf die Interessen der Schüler eingehen, wenn ihre "Lernangebote" ankommen sollen, wurde betont. Die zukünftige Arbeitswelt verlangt außerdem andere Kompetenzen als reines Sachwissen. In problemorientierten Projekten wie im WUV-Unterricht lernen die Schüler, Relevantes aus der Informationsflut herauszufischen, alle Aspekte einer komplexen Fragestellung miteinzubeziehen, ihre Arbeit eigenverantwortlich zu organisieren und in einer Gruppe zusammen zu arbeiten.

Sonja Bonin

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